Dienstag, 7. September 2010

Promemoria: la conserva

Ende August, Anfang September werden in jedem guten sueditalienischen Haushalt die Tomatensaucevorraete fuer das ganze Jahr angelegt. Frueher waren wir Geringverbraucher und haben aus Freundlichkeit meiner Schwiegermutter bei der Herstellung ihrer 50 Flaschen Salsa geholfen und dafuer die eine oder andere im Lauf des Jahres mitgenommen. Letztes Jahr haben wir bereits 100 kg Tomaten fuer uns verarbeitet und da wir ab Maerz keine Ressourecen mehr hatten, haben wir heuer 150 kg Tomaten fuer 50 Cent pro Kilo bestellt und sind am Sonntag ins Dorf meiner Schwiegermutter gefahren, wo wir sie und den Onkel schon beim Halbieren der wunderbar leuchtend roten Tomaten antrafen. Sie sassen unter einer selbstgebastelten Laube im Schatten. 150 kg Tomaten sind entmutigend viel, aber da sich der Rallyefahrer als tomatenhalbierender Roboter gefiel und unser grosser Sohn durch den Wettbewerb eifrig wurde, schafften wir es, in zweieinhalb Stunden die Tomaten zu halbieren und die fasrigen und harten Teile wegzuschneiden. Der Achtjaehrige war der Tomatenwaescher und warf uns die gewaschenen Tomaten auf eine Art Strohsieb mit einem Geschirrtuc, auf dem die Tomaten abtropften.

Dann kommen die Tomaten in die "Quadrara", einen spektakulaer grossen Topf, der mit Kupfer ausgekleidet ist und aussen ganz schwarz vom Rauch ist, denn er wird aufs offene Feuer gestellt, das meine Schiwegermutter in einer kleinen Art Garage entfachte. Frueher hatte jedes Haus einen "Forno", in dem man das Brot backte und ein Feuer machen konnte, um die Wuerste zu raeuchern. In unserem neuen Haus gibt es diesen Raum, aber wir besitzen weder eine Quadrara, noch eine "Macchinetta" mit Motor, durch die die Tomaten gejagt werden, um anschliessend als Saft herauszurinnen und auch keine Maschine, mit der die Flaschen verkorkt werden.Waehrend die Tomaten mit ein wenig Basilikum in der Quadrara zum Kochen gebracht wurden, spuelten wir die im Lauf des Jahres gesammelten Flaschen (die Flasche der Gassosa, eine Art sueditalienisches Sprite, vom Achtjaehrigen Sprint genannt, eignet sich hervorrragend, man kann die Flaschen aber auch fuer 30 Cent im Consorzio, in dem alles fuer Haushalt und Bauernhof verkauft wird, erstehen), der Onkel stellte den Tomatenfleischwolf zusammen und dann wurden in jeweils kleineren Toepfen die kochend heissen Tomaten aus der Rauecherkammer gebracht und der Rallyefahrer und ich schaufelten sie mit kleinen Kasserolen in den Trichter der Maschine. Der grosse Sohn drehte die Schuessel, in die die Tomatenschalen und die Kerne fielen, damit diese nicht in die Wanne rutschten, in die der rote Tomatensaft stroemte. Diese Reste werden noch einmal durchgepresst, danach den Huehnern als Delikatesse vorgesetzt. Wenn alle Tomaten gepresst sind, was sehr aufregend ist, weil die Maschine sehr laut ist und die Angst, dass irgendwas die Arbeit ruiniert, die Wanne auseinanderbricht , die Sauce uns die Beine verbrueht usw., wird die Sauce wieder mit den kleinen Kasserolen mittels Trichter in die Flaschen gefuellt. An diesem Punkt begann die einzige Krise dieses Tages, denn der grosse Sohn leerte die dampfende Sauce ueber MMs Hand waehrend der Achtjeahrige mit unglaublicher Stetigkeit quengelte, weil er auch die heisse Sauce einfuellen wollte. Da der grosse Sohn die fertigen Flaschen an den naechsten Arbeitsplatz bringen musste, wo MM mit der Kronenkorkenmaschine sass und 90x Klick machte, durfte der Kleine auch abfuellen. Die verkorkten Flaschen wurden in eine Metalltonne "Fusto" gefuellt, die wiederum auf dem (noch anzuzuendenden) Feuer steht, also eigentlich auf einem Metallrost mit Beinen. Wenn genug Flaschen in der Tonne sind (das Befuellen ist die Arbeit meiner Schwiegermutter, die dies mit wissenschaftlicher Genauigkeit ausfuehrt, denn die Flaschen duerfen weder zerbrechen, noch zuviel Platz einnehmen), wird mit einem Schlauch Wasser in die Tonne gefuellt und das Feuer angemacht. Wenn das Wasser in der Tonne kocht, kann man das Feuer ausgehen lassen, am naechsten Tag werdeb die Flaschen dann aus dem Wasser genommen. Erfolg ist, wenn keine Flasche explodiert.
Ich wusch wahrenddessen die tomatenbesudelten Geraetschaften ab und fuehlte das Beduerfnis, mich niederzusetzen.
Um halb zwei Uhr sassen wir dann recht still bei Tisch und assen Pasta al forno, Rigatoni und Auberginen aus dem Ofen, die meine Schwiegermutter "con piacere e come una magara" (mit Vergnuegen und wie eine Hexe) um sechs Uhr morgens zubereitet hatte.
Am naechsten Tag tanzten wir alle am Nachmittag noch einmal an und wollten die Flaschen aus der Tonne heben, das hatte meine Schwiegermutter aber schon (neben der Herstellung von Makkaroni) getan und war anschliessend Feigen pfluecken gegangen.
Meistens weiss ich nicht, ob ich sie fuer diese Aktionen hassen oder lieben soll. Sie ist einfach so.

Jetzt bin ich gespannt, wie lange wir mit 90 Flaschen Tomatensauce auskommen. Nicht alle Flaschen sind 1-Liter-Flaschen, Gassosa ist nur 750 ml. Da der Rallyefahrer Pasta al sugo jeder anderen raffinierten Verfeinerung der Pasta vorzieht und der 13- jaehrige seine 1,70 m aussschliesslich mit Pasta erreicht hat, werde ich im naechsten Fruehjahr wahrscheinlich wieder die "Pelati", geschaelte Tomaten in Dosen kaufen. Jetzt aber sind wir reich und fuer den Winter geruestet und unser Sugo wird wunderbar und nach Sonne schmecken.