Sonntag, 29. August 2010

Mein Leben ist ein Campingurlaub

Freunde von Freunden haben einen Campingurlaub mit ihren Kindern gemacht, das sei sehr bindend, haben sie meinen Freunden erzaehlt. Seit dem 17. August fuehle ich mich auch wie auf Campingurlaub, denn an diesem Tag haben wir die Stockbetten der Kinder und unser zerlegtes Bett ins Auto geschlichtet und sind auf unsere Baustelle uebersiedelt. Prosecco haben wir allerdings erst einmal getrunken.

In unserer Kueche gibt es noch kein Waschbecken, daher waschen wir die Teller in einem grossen weissen Plastikwaschtrog vor dem Haus. Zum Glueck sind der Rallyefahrer und der achtjaehrige passionierte Tellerwaescher und zum Glueck ist das Tellerwaschen bei dreissig Grad im Schatten durchaus entspannend.

Das Wasser fliesst aus einem schwarzen Schlauch, der auf dem Dach installiert ist und den Maurern diente. Morgen kommt angeblich der Installateur, der seit ueber einem Monat das Telefon nicht abgehoben hat und vielleicht schliesst er in diesen Tagen die Geschirrspuelmaschine und das Waschbecken in der Kueche an. Ob dann unser Campingurlaub vorbei sein wird?

Ein Zimmer ist mit einem Laminatboden ausgestattet und ausgemalt, naemlich unser Schlafzimmer, das wir unseren Kindern zur Verfuegung gestellt haben. Der Laminatboden schaut sehr erfreulich aus, Hallelujah! Unser Bett steht auf dem Zementboden. Die Kinder lieben das Zimmer und wollen sich dort permanent aufhalten, was ich ihnen nicht goenne und ich stoere sie mit dem Vorwand, es gaebe Teller zu waschen.

Zweimal taeglich essen wir auf der neuen Terrasse unter der Palme. Heute haben wir zum ersten Mal Plaetze getauscht und ich sah MM vor dem Wein, der sich um die Palme ranken soll (spaeter einmal), dahinter habe ich die provisorischen Bretter der Bruestung innerlich wegretuschiert und ueber das Tal aufs Meer geblickt, auf dem zwei kleine weisse Segelboot fuhren. So stell ich mir einen Campingurlaub vor.

In der Nacht sitzen MM und ich noch draussen und trinken Rotwein aus Plastikbechern, denn Glaeser wollen wir im weissen Waschtrog keine waschen.

Sonntag, 15. August 2010

Robin Hood for President

Das achtjaehrige Kind fragt im Auto: Wer kommandiert eigentlich in Italien? MM und ich antworten wie aus einem Mund: Berlusconi (grrmmlll).
Der Achtjaehrige: Ach, nicht Barack Obama?
Ich: Barack Obama kommandiert in Amerika.
MM: Also eigentlich in den Vereinigten Staaten, aber - in Wirklichkeit auch in Amerika.
Das Kind: Habt ihr ihn gewaehlt?
Ich: Nein!
Das Kind: Warum nicht?
Ich: Papa findet nicht gut was er macht, er hat jemand anders gewaehlt.
Das Kind: Papa, ich finde du haettest Barack Obama waehlen sollen.
MM: Aber in Italien regiert nicht Barack Obama.
Das Kind: Aha. Und was macht Berlusconi?
Ich: Berlusconi beraubt die Armen und gibt den Reichen. Genau das Gegenteil von Robin Hood.
Das Kind: Wenn ich kommandieren wuerde, ich wuerde es so machen: ich wuerde die Reichen berauben und den Armen geben.
Ich denke, in dieser Welt des Raubens koennen wir auch nicht bleiben und sage: in einer idealen Welt muss niemand dem anderen was rauben, weil alle gleich sind.
Das Kind: Sind wir bald da?

Sonntag, 8. August 2010

Ich liebe mich

das muss auch einmal gesagt werden: ich finde, ich bin eine Heldin.
Mein Tag, ein Sonntag übrigens, beginnt mit einigen Fehlentscheidungen. 1) vier weiße Blusen zwar ohne einer schwarzen Bluse in die Waschmaschine zu stecken, dafür aber mit einer braunen Hose, von der ich annehme, dass sie schon so oft gewaschen wurde, dass sie nicht abfärbt. Das tut sie doch und ich stehe vor vier urinfarbenen Blusen. Da ich mir den Luxus dieses Problems öfters leiste, habe ich Entfärber im Haus, löse diesen in 7 Liter Wasser auf und stecke die vier Blusen hinein, worauf sie gleich rosa wirken. Ich denke, ich werde sie schwarz färben müssen oder dunkelblau. Bei der Vorstellung einer dunkelblauen Phase in meinem Leben werde ich ganz aufgeregt.

Fehlentscheidung 2: MM einzureden, er müsse einige Kilos unserer unverhofft reichen Kartoffelernte zu Gnocchi verarbeiten. Anfangs geht alles gut, gemeinsam mit zwei Kindern produzieren wir ungeheure Mengen an Gnocchi, das kostet aber auch ungeheure Mengen an Zeit und am Ende lassen wir die von mir akkurat aufgereihten Gnocchi mit Geschirrtüchern zugedeckt stehen und gehen unseren anderen Plänen nach. Es ist aber August und wir sind in Süditalien und abends finden wir die Gnocchi verklebt und in käseähnlicher Konsistenz vor. Einige Gnocchi finden doch ihren Weg ins kochende Wasser, der Rest in die Mülltonne. So behalten wir unsere Miniportion Gnocchi in bester Erinnerung.

Fehlentscheidung 3: ein Kleid von Laura Ashley, das ich in einem Second Hand Laden erstanden habe und das ich heute zum ersten Mal anziehen will. Nicht zuletzt, weil meine vier weißen Blusen im Entfärberbad liegen. Kommentar Kind 3: so ein schönes Kleid! Kommentar MM: Oh, du siehst dick aus. Kommentar Kind 2 und 1: Du siehst wie eine Oma aus. Ich will das Kleid anbehalten, ich will das Haus verlassen. Es stimmt, ich sehe dick aus, aber wie eine Oma wirklich nicht. MM startet den Motor, mir wird heiß. Das Kleid ist zu eng, die Schultern beginnen dort, wo mein Hals aufhört, ich will aus diesem Kleid wieder raus. MM kommt zurück, die Kinder sitzen im Auto mit dem laufenden Motor. Ich habe nichts anzuziehen. MM schaut in den Kasten und macht Vorschläge. Meine Stimme wird kreissägenartig. Ich will mich in eine alte Hose von MM zwängen, zwecklos. Ich beschließe, meine Jeans anzuziehen, aber mir wird zu heiß. Doch ich weine nicht! Ich ziehe aus dem winzigen Stück Kasten, das meine Garderobe beherbergt, eine Hose von Dolce und Gabbana, die ich seit vier Jahren nicht mehr getragen habe, seit ich mir mit dieser Hose am Körper die Achillessehne gerissen habe. Die Hose ist grau und hat weiße Nadelstreifen. Sie ist unpassend für unsere Fahrt auf die Baustelle. Sohn 1 sagt: du siehst wunderbar aus, so als würdest du gleich im Fernsehen sprechen.
Braucht jemand ein Kleid von Laura Ashley Gr. 38?

Am Abend, nachdem wir zu wenig Gnocchi gegessen haben, manifestiert sich mein meistgefürchteter Albtraum: aus der Waschmaschine kommt Wasser (als ich die vier bereits wieder weißen Blusen spüle). Ich beginne aufzuwischen und finde das teuerste Paar Schuhe, das ich besitze, derart verschimmelt in ihrer Originalschachtel in der Nähe der Waschmaschine, dass ich husten muss. Kann Leder so schnell schimmeln? Stehen sie schon lange im Wasser? Statt zu weinen, wische ich die Schuhe ab und bin davon überzeugt, dass die Schuhe wieder schön sein werden. Ich überlege nur, wie der eindeutige Muffelgeruch je wieder verschwinden soll.
Morgen werde ich früh aufstehen und neben dem Arbeiten die Waschmaschine beobachten.

Und weil ich heute niemanden angeschrien habe und auch nicht mit der Unterlippe gezittert habe, liebe ich mich.