Donnerstag, 16. Januar 2014

CSI Calabria, Folge 1: Eierdiebe

Seit September haben wir Hennen. Das ist nicht der Grund, warum ich so lange nichts geschrieben habe, obwohl ich wirklich lange im Hühnerhof stehen kann und kontemplativ den Hendln zuschauen. Zuerst haben wir drei Hennen gekauft, was mich schon sehr erschöpft hat, aber als sich herausgestellt hat, dass die Hennen nach anfänglicher Verwirrung zu den besingenswürdigsten Wesen dieses Planten mutierten, haben wir gleich noch drei gekauft. Die Hennen haben nämlich recht schnell gelernt, dass sie sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht auf einen Ast über unseren Kopf setzen sollen, sondern in das von MM liebevoll gebaute Hühnerhaus einsteigen und dort auf einer Stange Platz nehmen. Die zwei roten und die schwarze Henne haben das so schön gemacht, dass wir dachten, jetzt müssen noch drei Hendln her, sonst sind die drei alten schon alt, wenn die neuen kommen und dann streiten sich die vielleicht. Also fuhr MM und holte die beiden blonden und eine zweite schwarze Henne. Namen haben wir ihnen keine gegeben, aber wenn es sein müsste, dann hießen sie Lotte und Luise, Liese und Lara, Ludmilla und Lodovica.

Jede dieser Hennen hat eine ihr eigene, unverwechselbare Persönlichkeit und wir werden keine Schnitzeln aus ihnen machen sondern geben ihnen viel teures Kraftfutter, denn sie sollen ja Eier legen. Ich habe insgeheim gehofft, sie würden das vom ersten Tag an tun, um ihre Anschaffungskosten zu amortisieren, haben sie aber nicht, denn angeblich muss man sich drei Monate in Geduld üben, bevor es zum ersten Ei kommt. Am 8. Dezember war es dann so weit, passend zur unbefleckten Empfängnis lag das erste unbefleckte Ei im Nest. Und brav jeden Tag ein weiteres.

Über Weihnachten sind wir weggefahren und ich habe unserer Nachbarin Instruktion gegeben. Dass die große Tür mit einem Eisendraht so befestigt wird, dass sie nicht zu fällt, denn unsere Hennen gehen wie im Schulschikurs manchmal auch tagsüber in die Zimmer. Dass im Nest ein Ei aus dem Supermarkt mit einem grünen Stempel liegt, das zum Eierlegen animieren soll. Diesen psychologischen Trick habe ich von meiner Schwiegermutter gelernt. Sie hat mir auch erklärt, dass man überprüfen kann, ob eine Henne ein Ei hat, wenn man ihr einen Finger in den Hintern steckt. Den Wahrheitsgehalt dieses Tipps habe ich jedoch bis jetzt nicht überprüft. Aber wie man sieht, halten unsere 6 Hennen die Großfamilie bei Laune und auch meine Nachbarin war total willig, die Hennen bis zur Selbstaufgabe zu pflegen.

Am Tag unserer Abreise steuerte eine zweite Henne ihr Schärflein zum Eierkarton bei und die Nachbarin, die sich die Eier nahm (auch das mit dem grünen Stempel), buk uns zum Ausgleich am Tag nach unserer Rückkehr eine riesige Crostata. Das Eisen, das die Tür offen halten sollte, hatte sie mit aller Kraft verbogen, damit die Tür besser schloss, oder sonst was. Sie hört mir so gut zu wie meine Kinder, es muss an mir liegen.

Eine Woche ging es weiter mit zwei Eiern pro Tag, dann war plötzlich Schluss. Das kleine Strohnest blieb leer. Ich dachte, das liege daran, dass es etwas kalt geworden war und legte mich in Folge mit hohem Fieber ins Bett. Die Aufgabe, das Hühnerhaus zu öffnen, das Futter, bestehend aus zerstoßenem Mais, einzufüllen, das Wasser zu wechseln und die Gemüsereste auszustreuen ging auf MM über. Dieser fand bereits am Tag Nummer 1 seiner neuen Verantwortlichkeit zwei Eier auf dem Boden. "Die Eier lagen auf dem Boden! So ein Glück, dass du nicht draufgestiegen bist, denn sie waren da ja schon am Vorabend." Bei 39 Grad Fieber ist es mit ganz egal, wann diese Eier wohin gelegt wurden, aber irgendwie ist es schon komisch, denn am Vorabend habe ich mit der Taschenlampe in der Hand das Hühnerhaus verschlossen und wie man aus CSI weiß, sieht man im Lichte einer Taschenlampe ALLES, auch Eier auf den Boden.

Am nächsten Tag lag ich immer noch mit 39 Grad Fieber (schon den nächsten) im Bett, als das Telefon läutet und MM aus seiner Arbeit anruft, um mir mitzuteilen, dass wieder zwei Eier auf dem Boden gelegen hätten und er jetzt nach stundenlangem Nachdenken zu dem Ergebnis gekommen sei, es könne sich nur um einen Akt menschlichen Tuns handeln. Denn gestern abend, seien diese Eier garantiert nicht auf dem Boden gelegen. So traurig das alles sei, es gebe jemand, der unsere Eier stehle. Und dann zwei davon auf den Boden lege. Als ich mit schwacher Stimme zu Bedenken gebe, dass ich nicht glaube, dass jemand von unseren Nachbarn so dumm oder so ausgefuchst sei, Eier zu stehlen, antwortet MM mit einem Spruch aus einem Comix seiner Jugendzeit und in diese ist er offensichtlich zurückgekehrt. Ich gebe zu Bedenken, dass diese Eier vielleicht von wo hergerollt wären. Das findet MM ziemlich lächerlich, denn woher sollen diese Eier rollen und warum? Ich sage: "Du hast zwei Möglichkeiten: entweder du hängst ein Schloss vor den Hühnerhof, oder du öffnest das Hühnerhaus schon um sechs Uhr morgens, statt um halb acht, dann kann noch niemand die Eier gestohlen und zur Tarnung einen Teil seiner Beute auf den Boden gelegt haben." Beide Lösungen gefallen MM, ich glaube, am besten kann er sich vorstellen, wie er im Morgengrauen einen vermummten Eierdieb niederringt.

Der folgende Tag ist ein Samstag und ich liege immer noch im Bett, diesmal nur noch mit 38 Grad Fieber. Im Lauf des Vormittags besucht mich MM. Er hat eine Plastikschüssel mit vielen Eiern in der Hand. "12!!" sagt er beglückt. Die Hennen haben 12 Eier in ein von ihnen selbst gebautes Nest oberhalb ihres Hühnerhauses gelegt. Von wo aus, jeweils zwei nach unten gerollt sind.

Die Freude über diesen plötzlichen Eierreichtum ist größer als das Bedürfnis, eine Flasche Sekt im CSI-Labor zu entkorken und mit einem Plastikbecher anzustoßen. Dass unsere Nachbarn im Umfeld von fünf Kilometern nun über jeglichen Verdacht erhaben sind, geht in der Sorge unter, wie wir unsere sechs Hennen nun dazu bringen können, wieder in UNSER Nest zu legen, statt in IHR Nest.
Ein Fall für meine Schwiegermutter. Doch die ist nicht sehr optimistisch. "Ihr müsst sie in ihrem Hühnerhaus halten, bis sie die Eier gelegt haben. Vorher dürfen sie nicht raus." Sie schwarze Pädagogik meiner Schwiegermutter führt dazu, dass die Hennen alle verärgert MM zur Seite stoßen, als er das Hühnerhaus aufmacht, sofort hinaushüpfen, auf ihr Nest zustürzen und dort 5 Eier deponieren.
Nun bringt aber meine Krankheit den Vorteil, dass alles morgens später wird, und die Hennen können am nächsten Morgen bis halb zwölf ihr Haus nicht verlassen, worauf sie brav ihre Eier ins Strohnest legen. Und am folgenden Tag auch und dann wieder.

Ich bringe einige Eier meiner Nachbarin, die mir eine Crostata verspricht. Allerdings dräuen am Himmel der Zukunft die ersten Wolken in unserem ungetrübten Verhältnis zu den Hennen auf. Die Nachbarin sagt, dass ihre Hennen keine Eier legen. Und unsere werden auch wieder aufhören, denn sie müssten sich erholen. Erholen? Wovon denn? Unsere Hennen haben das schönste Leben der Welt. Sie sind zu sechst auf etwa 200 Quadratmeter einstiger Grünfläche, werden ernst genommen, wenn sie wie eine eifrige Wachtruppe das Gelände erkunden und haben hoffentlich keine unlösbaren inneren Konflikte. Bei Einbruch der Dunkelheit gehen sie schlafen und wenn es hell wird, möchten sie wieder ihre emsigen Rundgänge beginnen. Ich versuche mir jeden Tag ein Beispiel an ihnen zu nehmen, auch wenn ich beim Schlafen das Liegen bevorzuge.