Freitag, 30. November 2012

Licht am Horizont?

 Vor dem Supermarkt sitzt ein Bettler, vielleicht ein Rom, ein älterer Mann mit einem Organetto, mit dem er aber nur ein paar Töne und kein Melodie erzeugt. "Giovane Signora!" sagt er zu mir, "Geben sie mir auch nur 10 Cent, per la santa morte di Dio." 10 Cent für den heiligen Tod Gottes? "Gott ist doch gar nicht tot!" will ich zu ihm sagen und dann besinne ich mich eines Besseren. Ausgerechnet ich will mich da theologisch ins Zeug legen? Ein paar Mal muss ich an ihm vorbeigehen, immer bin ich sehr mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt und ich will auch nicht für das Begräbnis von Gott zahlen, obwohl er seine Forderung jetzt auf 5 Cent reduziert hat. Jetzt, wo die Kaufkraft erlahmt ist, wird alles billiger, ihr werdet schon sehen!

Montag, 19. November 2012

Der Abschied der Dancing Queen

Jetzt, Houston, haben wir ein echtes Problem, eines nämlich, bei dem man nicht einfach fleißig sein kann, oder vertrauensvoll, sondern eines, das man so leicht nicht lösen kann, und ich glaube, es ist das Alter und sein angemessenes Verhalten diesbezüglich. Ich habe mich schon vor ein paar Monaten von meiner inneren Dancing queen verabschiedet, als ich irgendwo im Vorbeigehen Frauen in meinem Alter ausgelassen tanzen gesehen habe. Das schaut einfach nicht gut aus, I can't help it. Das letzte Mal, als ich mich anschickte, das Tanzbein zu schwingen, auf Ritas Hochzeit, als ich gute Gelegenheit hatte, da sich einige unserer Nachbarn als wirklich coole Discotänzer der 80ies outeten, protestierte das Kind, angeblich, weil ich mir einen Muskelriss zuziehen könne, was mir kurz vorher anlässlich eines Federballspiels passiert war. Ich fand ihn einen großen Spielverderber und dachte, dass mein Moment schon noch kommen wird, aber ich glaube, mein Moment ist vorbei. Zu "I will survive" von Gloria Gaynor sollen sich jetzt junge Frauen zwischen 12 und 28 verrenken. Und was mach ich? In meinem Auto plärrt Eminem und fuckt so around und meine Kinder, die den Sound aus ihren Handies holen, wissen glaub ich, hoffentlich, nicht was da genau los ist und ich weiß auch nicht genau, wie ich das Wort auf italienisch übersetzen soll und ob ich als Mutter das wirklich machen soll. Immerhin sind wir dann ja auch gleich bei den Motherfuckern. Das Auto schaut aus, wie ein Lastwagen der Konzerttournee einer boysgroup mit Schlagzeug und Congas und vor allem den entsprechenden boys. Wenn ich ihre Breakdanceschritte mache, dann kugeln sie auf dem Boden vor Lachen und wenn sie mich dann imitieren, sieht es tatsächlich so aus, als hätte sich ein verkappter Schuhplattler in eine Streetgang verirrt.

Was mach ich jetzt? Das ist wichtig! Als ich ein Mädchen war, wollte ich nicht wachsen, weil ich dachte, ich müsste dann Erwachsenenliteratur lesen, oh Graus. Und jetzt? Jetzt will ich nicht alt werden, weil ich dann nicht mehr in der Disco tanzen kann. Und jetzt soll mir keiner daher kommen und erzählen, ich soll mit dem Ehemann einen Tanzkurs machen, nein, das ist sicher lustig, aber kein Substitut.

So you think you can tell, heaven from hell, blue sky from grey.

Soll man dann bei Gelegenheit am Rand der Tanzfläche stehen und wohlwollend nicken? In der Hand nicht einmal mehr eine Zigarette, sondern maximal ein Glas und das sicher nicht mit interessanten harten Getränken gefüllt. Und wen man soll man anschauen? Menschen, die 20 bis 30 Jahre jünger sind? Help! Soll man über Politik und Wirtschaft sprechen, derweilen getanzt wird? Ich will sterben.
Es ist ein Graus und es kommt mir vor, als könnte man niemandes Hand mehr halten, jetzt, wo man dauernd die schwitzigen Kinderhände gehalten hat. Und immer dann, wenn man auf das glitzernde Wasser schauen könnte, liegt man in Wirklichkeit total erledigt im Bett.

 I've been through the desert on a horse with no name, but it felt good to be out of the rain. Haben America einmal gesungen, aber Entschuldigung, so super ist das im Trockenen auch wieder nicht.

Mittwoch, 14. November 2012

siamo arrivati alla frutta

Das ist typisch für die Italiener, dass sie alles mit dem Essen in Verbindung bringen. Wenn sie sagen, dass sie jetzt wirklich dem Ende entgegen gehen, dann sagen sie, dass sie beim Obst angelangt sind, also am Ende eines Mahls. Dessert gibt es dann keines, aber immerhin bis zum Obst reicht es. Jetzt kann man sich fragen, ob das wirklich so gesund ist, sich nach der Pasta und dem Secondo noch einen Apfel reinzuhauen, aber es ist so, sie essen nach dem Mittagessen und nach dem Abendessen ein Stück Obst und bei dem sind sie jetzt wieder mal angelangt und ich auch, weil ich ja auch da lebe, was mir täglich komischer vorkommt.

Die Provinzen, also diese vielen Flächen, die die Regionen, die unsere geliebte Toskana, Veneto und Umbrien und was weiß ich bis zum unbekannten Kalabrien sind, segmentieren, haben ein Oberhaupt, sein Name spielt glaub ich keine Rolle, und der hat gesagt, dass die Provinzen kein Geld mehr haben und dass sie deshalb die Schulen im Winter nicht mehr heizen werden.

Eine meiner ehemaligen Studentinnen, heute Freundin auf facebook, schreibt was das für ein Scheißland ist, und was das in Europa verloren hat oder so ähnlich, und damit hat sie natürlich völlig recht. Jemand anders postet, dass man auch im Parlament die Heizung abschalten könne, was auch keine schlechte Idee ist. Dass es heute Ausschreitungen bei den Demos gegeben hat wundert nicht.

Die Italiener delekieren sich jetzt also an ihrer letzten Erdbeere und lassen anschließend ihre Kinder mit Mütze und Schal und rotgefroreren Nasen in der Klasse sitzen. Wo Frau Professor mit Pelzmantel und Rauhreif vor dem Mund über die Flächen und die Umfänge von Dreiecken spricht. Und hier zeigt sich wieder, dass es in Wirklichkeit zwei Italien gibt, denn in einem, dem im reichen Norden, sind die Kinder erstens wirklich vom Kältetod bedroht und zweitens ist es dort sehr ungewöhnlich, dass so drastische Reaktionen gezeigt werden und man wird sehen, ob das geht, dass die Kinder nicht schön temperiert werden. Im anderen, das unterhalb von Rom beginnt und ganz bestimmt in Neapel stattfindet und bei uns seine höchste Ausformung erlebt, holt diese Drohung eigentlich niemandem hinter dem Ofen (wie passend) hervor. Öfen werden zum Glück nur in kurzen Zeiten des Jahres gebraucht und dass die Kinder unter erbärmlichen Umständen lernen, ist an der Tagesordnung. Die Eltern geben den Kindern Klopapier, Wasser und Seife mit. Und über den von einem Satiriker ironisch verbrämten Spruch der ehemaligen Unterrichtsministerin Gelmini: "Der Staat hat kein Geld für Toilettenpapier, wir bitten, die Kinder bereits defäkiert in die Schule zu schicken!" können wir nicht herzlich lachen, sondern nur die Stirn runzeln. Ja eh.

Und bei uns, wo jetzt die Carabinieri und die Nas, diese Hygienepolizei, die ich bei mir daheim auch immer fürchte, in die Schule gekommen, in die zusammengelegte, von der wir glauben, dass sie nie mehr geteilt wird, und haben festgestellt, dass man so nicht essen kann. Dann war ein paar Tage Feuer auf dem Dach und nun isst man so wie früher. In der Klasse. Auf den Schulbänken. Wenn dann nicht geheizt wird, dann wird halt nicht geheizt, das haben wir an vielen Tagen auch gehabt, ohne dass das im Radio gesagt wurde und es jemand öffentlich verkündet hätte. Die Eltern werden sich nicht zusammen tun, um die Heizungsrechnung der Schule zu begleichen, weil viele nicht mal ihre eigenen Rechungen zahlen können, ich nehme an, wir werden uns am Samstag morgen auf dem Markt begegnen, wo wir Mützen und Anoraks einkaufen.Und am besten fingerlose Handschuhe, mit denen können die Kinder besser schreiben. Und als Jause geben wir ihnen Tee im Thermos mit, oder einfach Mandarinen, denn wir sind ja "arrivati alla frutta".

Montag, 12. November 2012

Sind so kleine Hände

lautet der Titel eines Lieds von Bettina Wegener, das mir immer schon auf die Nerven gegangen ist. Musste man damals aber hören. Und jetzt musste ich das ganze Wochenende an dieses Lied denken, denn ich war wieder mal gefangen in der Tanzschule vom Kind. Ja, dort, wo ich immer so leide, wenn ich so lange warten muss und die Mütter reden höre. Der Mann, der mit mir in die Schule gegangen ist und der auf facebook immer die guten Sachen veröffentlicht, hat an diesem Wochenende ein schönes Foto gepostet und geschrieben: Komm wir lassen uns erschießen. Wie üblich hat er damit voll den Nerv (den ohnehin blankliegenden) getroffen und ich möchte mich viel lieber erschießen lassen als mit den kleinen Händen in der Tanzschule zu sein, aber: zu spät. Im Dezember wird es eine Tanzaufführung an der Universität geben, deren Reinerlös kranken Kindern zu Gute kommt (nein ich weiß nicht welche Krankheiten diese Kinder haben, und ob der erste Verdienst des Kindes nicht in die Hände der Mafia fällt, aber ich gehe jetzt mal davon aus, dass das in Ordnung ist). Nun muss das Kind viel mit vielen Mädchen tanzen und Frau Direktorin sagt, die Kinder müssten bei der Aufführung ein T-Shirt tragen, welches bedruckt wird und zwar mit den lieben kleinen Kinderhänden. Die Mütter machen das mit ihren Kindern, sagt sie, und ich versuche, außer die Augen weit aufzureißen, keine Reaktion zu zeigen. Meine Reaktion wäre nämlich, ihr an die Gurgel zu springen und zu schreien: "Hören Sie, mir geht das dermaßen auf den Arsch, dass alle glauben, die Eltern wissen nicht, was sie mit ihren Kindern machen sollen, und dass dauernd für ein kreatives Freizeitprogramm gesorgt wird und dass ich eh weiß, dass man mit Kindern basteln und backen soll, aber ich bin total unkreativ und will mit meinen Kindern vor dem Fernseher sitzen und mit ihnen Criminal Minds anschauen, das ist nämlich der gemeinsame Nenner des Fernsehgeschmacks und wenn wir schon beim gemeinsamen Nenner sind: Sie haben keine Ahnung, was ich alles tue den ganzen Tag und wieviele Recherchen ich für meine Kinder anstelle und ich habe keine Zeit, ihnen die Knöpfe an die Hosen zu nähen, deshalb fallen ihnen die Hosen in die Knie und nicht nur, weil es modern ist und sie wollen von mir, dass ich mit dem Kind Leiberln bedrucke? Wenn, wird das Kind das allein machen, es ist nämlich viel begabter und geschickter als ich in diesen Dingen." Ich bin sehr stolz auf mich, dass ich in all diesen Jahren Gratwanderung gelernt habe, nur meine Familienmitglieder anschzureien, die können mich nämlich nicht in eine Zwangsjacke stecken.

Ich denke, das wird man alles noch sehen, denn der Termin der Tanzaufführung ist weit entfernt, aber Frau Direktorin macht Druck und es stellt sich heraus, dass eine Mutter organisiert, dass die Mütter gemeinsam mit den Kindern die Leiberln bedrucken, und mit gemeinsam ist gemeint: alle gemeinsam. Die Frau, die das organisiert, ist die, die letztes Mal, als wir so lange warten mussten, erzählt hat, sie hätten ein Kind getauft. Heimlich, weil die Eltern das nicht wollten. Ob das so stimmt, weiß ich nicht, aber so hat sie es erzählt. Ein weiteres Mal reiße ich einfach die Augen auf: "Nein, das Kind möchte das selber machen." Und wieder vergesse ich das Ganze gleich, ich habe nämlich noch zwei andere Kinder, die zwar keine Leiberln bedrucken müssen, aber Comix für eine Veranstaltung mit einem leibhaftigen Autor zeichnen, Urinproben für den Fußballklub abgeben und meterlange Listen an Hausübungen abarbeiten. Abgesehen davon werden sie von Hormonräuschen geschüttelt und sind extrem anstrengend.

Dann treffe ich die Täuferin zufällig im Vorzimmer der Tanzschule, und sie rechnet mir vor, dass ich allein für die vier Farben, in denen die Hände auf das weiße Leiberl geklatscht werden sollen, neun Euro ausgebe, während es nur zwei Euro sind, wenn wir uns alle zusammentun. Na gut, ich kann jetzt nicht sagen: "Ich zahle lieber sieben Euro mehr, anstatt mit ihnen etwas zu tun zu haben." Ich versuche mir noch eine Hintertür offen zu halten und sage, ich weiß nicht, ob ich das T-Shirt dann schon gekauft haben werde, wenn sich die Mütter treffen, aber es klingt absurd. Für keine dieser Mütter ist es ein Problem, ein weißes T-Shirt zu kaufen, in Gegenteil, sie warten Monate untätig darauf, dass ihnen die Dirketorin der Tanzschule sagt, dass sie JETZT ein T-Shrt kaufen dürfen und dann preschen sie los. Ich weiß, dass klingt ungerecht, wenn ich das so schreibe, es ist aber nicht ungerecht, es ist wahr.

Der Samstag kommt, ich habe das T-Shirt, die Mütter treffen sich eine halbe Stunde vor dem Beginn der Tanzstunde, ich habe die zwei Euro schon gezahlt und ich habe vor, in der zwei Stunden dauernden Tanzprobe meinen wöchentlichen Einkauf an Lebensmitteln zu absolvieren. Ich habe zwar noch kurz den Gedanken, dass man in einer halben Stunde kein T-Shirt bedrucken kann, bin aber zu naiv, zu zerstreut, zu bescheuert, mir darüber im Klaren zu sein, was da auf mich zu kommt. Natürlich will keiner in einer halben Stunde das tun und während unsere lieben Kinder tanzen, knien wir in der Garderobe auf dem Boden und drucken. Da ich schnell wieder weg will, beginne ich gleich, mit einem Schneebesen die Farben anzurühren. Das Leiberl vom Kind ist das erste, ein Prototyp sozusagen, denn das Kind ist das einzige männliche Mitglied dieser Truppe und wird deshalb immer bevorzugt behandelt. Ok, die Farben sind angrührt, die Zeitung auf dem Boden ausgebreitet, im Leiberl steckt auch eine Zeitung, es sind etwa 12 Mütter im Raum, alle reden, die Täuferin und ich führen das Ganze an, es wird heiß, das Kind kommt, alles geht erschreckend langsam, denn vier Farben, und dazwischen die Hände abwaschen mit dem Kind, das sagt: "Mama, das ist das Damenklo, ich hab ein anderes." Ich reduziere innerlich die Einkaufsliste aufs Essenzielle und fahre in Gedanken bereits mit überhöhter Geschwindigkeit, während jetzt erst die Kreativität ausbricht. "Der Gedanke ist der des freien Spiels der Kinder mit den Farben!" sagt die Täuferin. Die Mutter der Direktorin kommt und sieht das halbfertige Leiberl und sagt: "Hier muss noch eine blaue Hand hin! Er ist doch der einzige Junge, hier muss er noch eine blaue Hand machen." "Willst du das nicht machen?" frage ich sie. Nein, das Kind, bereits auf dem Weg zurück zur Probe, wird noch einmal zurückgepfiffen, blaue Hand, das Kind ist sehr freundlich und zeigt gerne die teure Zahnspange, die sein grauenhaftes Gebiss hollywoodlike macht und zwar in echt, danke Dottoressa Francesca. Ich gehe mit ihm die Hände waschen, na gut halt aufs Herrenklo und sehe die Spritzer in der Farbe "Fuchsia", ein Wort, das mir schon die Schweissperlen auf die Strin treibt auf seiner Tanzuniform und schaue so, dass er sagt: "Mama, dass war die Dame, die mir die Farbe auf die Hand gestrichen hat." Später sagt mir eine Frau, dass die Farbe beim Waschen rausgeht, aber wozu bedrucken wir dann die T-Shirts? "Mono-Uso?" frage ich. Natürlich geht die Farbe nicht aus dem Tanzdress, das weiß ich jetzt. Andere Kinder kommen, andere Mütter reden. Die Mädchen dürfen nur eine Farbe auf die Hände streichen, sonst geht ja bei der Probe nichts weiter. Eh klar. Ab und zu will ich der Täuferin sagen, dass wir das Ganze ein wenig industrialisieren müssen. Dass ich noch zum Einkaufen komme, glaube ich ohnehin nicht mehr, aber langsam bekomme ich Angst, ich verbringe die halbe Nacht in der brütend heißen Garderobe, in der ich jetzt auch noch das Leiberl des Kindes föhne und ein paar andere auch. Es ist nämlich nicht klar, ob man das T-Shirt seines ureigenen Kindes macht oder alle und die meisten machen das eigene und alle, aber ein paar Mütter machen vor allem das eigene, was ja auch ok ist, zumal andere Mütter nur kritisch schauen. Auch das kann ich verstehen, kritisch schauen ist das, was ich am allerbesten kann auf der Welt, aber wenn ich sehe, dass die ehemalige Englischlehrerin des Kindes sehr besorgt schaut und sagt: "da werdet ihr nie fertig" und bei der Diskussion um die blaue Hand beiträgt: "da steht doch die Mutter, sie soll das entschieden!", dann denke ich nur, nein, nur kritisch dreinschauen ist auch zu wenig. Ich müsste ihr sagen: "Hören sie, sie dumme Kuh, ich habe keine Worte, um auszudrücken, wie wurscht mir diese blaue Hand ist, weder in italienischm noch in deutsch oder englisch!" Ich sage kurz, dass ich glaube, dass man das auf der Bühne beim Tanzen unter 20 Kindern nicht so genau nachvollziehen wird können, aber ich komme mir dabei ein wenig wie eine Spielverderberin vor.


Eine Mutter, die die nie was redet, was mir eigentlich sympathisch ist, sitzt zweieinhalb Stunden auf einem Schemel und schaut dem immer hektischer werdenden Treiben zu. Wir reißen die Fenster auf. Bruchteile von Sekunden empfinde sogar ich so was wie gute Laune. Die Rückseite der T-Shirts kann sein, wie sie will, sagt die Mutter der Direktorin. Aber die blaue Hand musste millimetergenau sein, das versteh ich nicht, drehen sich die nie, die Kinder. Schschtt, keine neuen Probleme aufwerfen. Die Täuferin kriecht ohnehin schon auf den Knien zu einer anderen Frau und sagt: "Hier sind Mütter, die ihre zwei Euro nicht bezahlt haben, parliamoci chiaro!" Ich war's nicht. Damit das alles schneller geht, beginnen einige Mütter ihre Hände zur Verfügung zu stellen, die Täuferin ist ohnehin schon die ganze Zeit dran. Eine Mutter, die etwa zwei Meter groß ist und von der ich keine geschmiert bekommen möchte, legt los. Am Ende hat sie dann beide Hände voller Farbe und lässt sich von den anderen Müttern die Hose, die ihr über den Hintern rutscht wieder hochziehen und ihre in Schamhaargegend angebrachte Tätowierung verschwinden. Eine andere Mutter hat die Namen ihrer Kinder auf dem Unterarm tätowiert und föhnt eifrig das T-Shirt ihrer Tochter, unglücklicherweise ist es die, die dem Kind gerade am besten gefällt in dieser reichlichen Auswahl. Weil die Lange mit den großen Händen so viel Farbe verwendet, muss die am Unteram Tätowierte besonders lang föhnen. Manchmal sagt eine: "Wir sind kindischer als die Kinder!", das kann ich von mir nicht behaupten, ich bin todmüde und versuche mich irgendwie noch nützlich zu machen in diesem Chaos, in dem dann doch auf wundersame Weise ein paar T-Shirts fertig werden und zum Trocknen aufgehängt. Besondere Freude bereitet den Müttern, dass sie auch das T-Shirt der Tanzschuldirektorin bedrucken können und mit ihren riesigen Pranken druckt die Lange zwei orange Hände dorthin, wo vielleicht einmal der Busen der Frau Direktorin untergebracht sein wird. Ein paar andere Mütter kommen, die der Täuferin zwei Euro in die Hand drücken wollen, was aber nicht geht, weil die Hand ja voller Farbe ist. So ist das nämlich. Manchen gelingt es, sich auszuklinken. Aber die Täuferin ist immerhin eiskalt: "Ihren Nachnamen und Vornamen!" Diesen Müttern nützt es jetzt auch nichts, wenn ihre Töchter den Katechismus besuchen. Am Ende, als die Kinder fertig mit der Probe sind, und über ihre Mütter steigen, die auf dem Boden herumrutschen, machen die Töchter dann Fotos von den Müttern mit den bunten Händen.

Ich rase nun mit dem Kind davon und kaufe immerhin noch zwei Liter Milch. Ich bin ein bisschen beleidigt, weil eine Mutter, eine Freundin der Täuferin, eine Dame mit birnenförmiger Figur zu mir gesagt hat, ich könne jetzt eh gehen, es sei besser, wenn weniger da seien. Hätte sie mir das zwei Stunden vorher gesagt, die Birne! Zu Hause rennen mir alle entgegen, weil sie mit den vollen Einkaufstaschen rechnen. Die Armen. Eine Stunde später habe ich geschafft, jeden einzelnen von ihnen zu verärgern, weil ich so frustriert bin. Am Ende hatte mich die Täuferin gefragt, ob ich mich amüsiert habe. Ja, so, dass ich meine Kinder um neun Uhr schlafen schicke, obwohl Samstag ist, damit ich lange sinnlos mit meinem Ehemann diskutieren kann. Das Kind hat aus lauter Ärger über mich mit seinen kleinen Händen an die Tafel im Kinderzimmer einen Gruß an mich gerichtet: "Brutta notte!" Schlechte Nacht, als hätte nicht schon der Nachmittag gereicht.

Samstag, 10. November 2012

LOOK!

Freund Smitt hat Fotos von seinem Aufhenthalt bei der Dattilografa gemacht:
http://p.log.smitt.at/
Wann und wie hat er das gemacht? Er saß doch nur sinnierend auf der Terrasse.

Freitag, 2. November 2012

Manchmal

wenn ich abends kurz vor neun mit MM in der Küche stehe, im Ofen ein Blätterteigkuchen mit Ricotta und Mangold, und ihm sage, dass ich Neuigkeiten über die Schule des Kindes habe, nämlich dass die Carabinieri und die NAS (Nucleo Antisofisticazione), die die Hygiene kontrollieren, in der Schule waren, weil die Mütter aus der einen Schule, die Mütter (?) der anderen Schule, die übergangsweise in der Schule A einquartiert wurden, weil die Schule B renoviert wird, geklagt haben, weil die Kinder aus der Schule B den Kindern aus der Schule A den Speisesaal der Mensa rauben, weil sie dort eine Klasse untergracht haben und also die Carabinieri und die NAS festgestellt haben, dass es in der Schule nicht möglich ist, unter hygienischen Umständen zu essen, worauf der Bürgermeister gemeint hat, dann gibt es also ab Montag keine Mensa und meine Freundin, die mir das erzählt hat, sagte, dann müssen die Eltern ihre Kinder mittags von der Schule holen, ihnen zu Hause was zu essen geben und sie dann wieder in die Schule bringen, die ja bis vier Uhr dauert, was sie aber sicher nicht machen würde und dass im übrigen die Lehrerin bei der Versammlung, bei der ich nicht war, weil ich von dieser Lehrerin bitte nichts mehr hören möchte, gesagt hätte, dass diese Klasse eine hervorragende sei und sie in der Mittelschule nicht getrennt werden würde, denn die Kinder würden sich gegenseitig positiv beeinflussen und ich sage zu MM, dass die Lehrerin im Land der Feen lebe, denn ob eine Klasse getrennt wird oder nicht, hängt nicht davon ab, ob sie das will oder nicht, sondern einzig und allein davon, welchen Stundenplan die Eltern wählen, nämlich 30 oder 40 Stunden und mir MM sagt, er verstehe meine Philosophie der Lehrerin gegenüber nicht und ich antworte, ich hätte gar keine Philosophie, ich würde nur Fakten aufzählen, und dann später, wenn wir den Blätterteigkuchen mit den beiden großen Kindern essen, denn das Kind ist beim Halloweenfest eben bei der Freundin, die mich mit diesen besorgniserregenden Neuigkeiten versorgt hat, der große Sohn sagt, er hätte nicht verstanden, ob er für das Treffen mit dem Autor eines politisch wertvollen Kinderbuches, das gegen die Mafia spricht, ein Haus zeichnen solle, ein großes, oder einen Comix, und ich sage, dann glaube ich, dass ich die Lehrerin anrufen muss und er sagt, danke, das glaube ich auch, dann wünsche ich mir, dass ich irgendwen anrufen und sagen kann: "Hol mich hier raus". Aber wer sollte das sein?