Mittwoch, 14. November 2012

siamo arrivati alla frutta

Das ist typisch für die Italiener, dass sie alles mit dem Essen in Verbindung bringen. Wenn sie sagen, dass sie jetzt wirklich dem Ende entgegen gehen, dann sagen sie, dass sie beim Obst angelangt sind, also am Ende eines Mahls. Dessert gibt es dann keines, aber immerhin bis zum Obst reicht es. Jetzt kann man sich fragen, ob das wirklich so gesund ist, sich nach der Pasta und dem Secondo noch einen Apfel reinzuhauen, aber es ist so, sie essen nach dem Mittagessen und nach dem Abendessen ein Stück Obst und bei dem sind sie jetzt wieder mal angelangt und ich auch, weil ich ja auch da lebe, was mir täglich komischer vorkommt.

Die Provinzen, also diese vielen Flächen, die die Regionen, die unsere geliebte Toskana, Veneto und Umbrien und was weiß ich bis zum unbekannten Kalabrien sind, segmentieren, haben ein Oberhaupt, sein Name spielt glaub ich keine Rolle, und der hat gesagt, dass die Provinzen kein Geld mehr haben und dass sie deshalb die Schulen im Winter nicht mehr heizen werden.

Eine meiner ehemaligen Studentinnen, heute Freundin auf facebook, schreibt was das für ein Scheißland ist, und was das in Europa verloren hat oder so ähnlich, und damit hat sie natürlich völlig recht. Jemand anders postet, dass man auch im Parlament die Heizung abschalten könne, was auch keine schlechte Idee ist. Dass es heute Ausschreitungen bei den Demos gegeben hat wundert nicht.

Die Italiener delekieren sich jetzt also an ihrer letzten Erdbeere und lassen anschließend ihre Kinder mit Mütze und Schal und rotgefroreren Nasen in der Klasse sitzen. Wo Frau Professor mit Pelzmantel und Rauhreif vor dem Mund über die Flächen und die Umfänge von Dreiecken spricht. Und hier zeigt sich wieder, dass es in Wirklichkeit zwei Italien gibt, denn in einem, dem im reichen Norden, sind die Kinder erstens wirklich vom Kältetod bedroht und zweitens ist es dort sehr ungewöhnlich, dass so drastische Reaktionen gezeigt werden und man wird sehen, ob das geht, dass die Kinder nicht schön temperiert werden. Im anderen, das unterhalb von Rom beginnt und ganz bestimmt in Neapel stattfindet und bei uns seine höchste Ausformung erlebt, holt diese Drohung eigentlich niemandem hinter dem Ofen (wie passend) hervor. Öfen werden zum Glück nur in kurzen Zeiten des Jahres gebraucht und dass die Kinder unter erbärmlichen Umständen lernen, ist an der Tagesordnung. Die Eltern geben den Kindern Klopapier, Wasser und Seife mit. Und über den von einem Satiriker ironisch verbrämten Spruch der ehemaligen Unterrichtsministerin Gelmini: "Der Staat hat kein Geld für Toilettenpapier, wir bitten, die Kinder bereits defäkiert in die Schule zu schicken!" können wir nicht herzlich lachen, sondern nur die Stirn runzeln. Ja eh.

Und bei uns, wo jetzt die Carabinieri und die Nas, diese Hygienepolizei, die ich bei mir daheim auch immer fürchte, in die Schule gekommen, in die zusammengelegte, von der wir glauben, dass sie nie mehr geteilt wird, und haben festgestellt, dass man so nicht essen kann. Dann war ein paar Tage Feuer auf dem Dach und nun isst man so wie früher. In der Klasse. Auf den Schulbänken. Wenn dann nicht geheizt wird, dann wird halt nicht geheizt, das haben wir an vielen Tagen auch gehabt, ohne dass das im Radio gesagt wurde und es jemand öffentlich verkündet hätte. Die Eltern werden sich nicht zusammen tun, um die Heizungsrechnung der Schule zu begleichen, weil viele nicht mal ihre eigenen Rechungen zahlen können, ich nehme an, wir werden uns am Samstag morgen auf dem Markt begegnen, wo wir Mützen und Anoraks einkaufen.Und am besten fingerlose Handschuhe, mit denen können die Kinder besser schreiben. Und als Jause geben wir ihnen Tee im Thermos mit, oder einfach Mandarinen, denn wir sind ja "arrivati alla frutta".

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