Montag, 20. April 2020

Das Haus verstand

So muss das nämlich heißen. Ist dieses Haus mein Kopf eigentlich? Und fliegen Vögel durch die geöffneten Fenster aus und ein? Dass ein Haus etwas versteht, das geht ja gar nicht, denn das Verstehen ist ja an ein Gehirn geknüpft, an ein Bewusstsein, und beides hat das Haus nicht, zumindest meinen wir das. Mein Haus aber verstand. Früher einmal, jetzt nicht mehr, daher der Gebrauch des Präteritums. Was verstand das Haus? Nicht alles, aber das was zwischen den Zeilen gesagt wurde. Manchmal hörte das Haus auch einfach nicht zu. Es war, als würde es sich die Ohren zuhalten und immerfort "Lalalalala" rufen. Dabei drehte es sich von rechts nach links, hin und her und im Inneren wackelte alles und die Teller in der Kredenz klapperten. Selbstverständlich schaut das Haus aus wie auf einer Kinderzeichnung. Meistens ist die Tür zu klein, dafür sind die Fenster groß und vor dem Haus stehen Blumen in der Höhe eines Buschs. Das Haus auf der Zeichnung zeigt Wille zur Symmetrie. Diesen Häusern ist durchaus Verstand zuzutrauen. Immer wieder muss ich in diesem Zusammenhang an den Logo denken. Dieser Logo wohnt vermutlich auch im Kopf, in allen unseren Köpfen. "Das sagt einem der Logo!", so hat der Fahrlehrer einer Freundin gegenüber begründet, dass man beim Autofahren einfach Verschiedenes weiß. Links oder rechts, oder das andere rechts? Oder schalten, wenn beschleunigen? Obwohl ich annehme, dass der Logo so heißt, weil er sich vom Begriff "Logos", griechisch "das Wort", ableitet und daher sich leicht tut mit dem Reden, ist er in meinem Kopf ganz still und sagt gar nichts. Der Logo. Kann es sein, dass ich einen stummen Logo in meinem Kopf hocken habe? Ist er beleidigt? Los, Logo, sprich endlich, ja spuck's aus, in meinem Kopf drinnen, da brauchst du keine Maske gegen feuchtes Sprechen. Wohnt der Logo im Haus, das versteht, das ja auch oben in meinem Hirnkasten aufgestellt ist? Das könnte sein, das kleine Kinderhaus, das hin und her wackelt und in einem Eck sitzt der bockige Logo. Vielleicht verstand das Haus auch ihn und daher hat er sich dorthin zurückgezogen. Das scheint mir ganz logisch. Naja, das ist übertrieben, aber es wäre naheliegend.

Mittwoch, 15. April 2020

Mir hat es die Rede verschlagen

Das müsste eigentlich reichen. Ich habe nichts zu sagen. Nichts anderes. Nichts weiteres. Ich möchte weder einen Videobeitrag darüber machen, wie ich im Homeoffice arbeite, noch einen von den anderen Menschen sehen.

Ich bin zu einer Stadtstreichern geworden, besser gesagt, zu einem dieser Tiere, die sich weiter ins urbane Gebiet vorwagen, weil nicht mehr so viele Menschen in der Stadt unterwegs sind. Wie die Hirsche, die in eine Auslage eines Einkaufszentrums starren, wage ich mich in unbelebte Gässchen, nehme Abkürzungen durch Privatgelände, werfe verstohlene Blicke in Innenhöfe, schaue an Fassaden hoch, gehe zick zack durch die Straßen, um nicht nah an anderen Menschen vorbeizugehen. Das wäre mir bis vor Kurzem unhöflich erschienen. Heute bedanken sich die anderen Menschen mitunter sogar dafür. Manchmal schaue ich sehnsüchtig einer fast leeren Straßenbahn nach.

Ich gehe aber auch gerne die immer gleichen Wege und prüfe die Größe der Urinflecken der Hunde auf der Straße. Es hat schon lange nicht geregnet.

Ich schlafe schlecht. Ich mache mir Sorgen. Die Menschen tun mir leid. Sie haben keine Arbeit oder zu viel Arbeit, sie haben kein Geld, sie werden krank. Sie sterben.

Aber sie stehen auch Schlange und warten geduldig, bis ihr Auto in der neuerdings wieder geöffneten Waschanlage sauber gemacht wird. Sie fragen öffentlich nach, ob sie ihre Einwegmaske in der Mikrowelle desinfizieren können.

Und es gibt keinen Impfstoff, weder gegen das eine, noch gegen das andere.