Mittwoch, 15. April 2020

Mir hat es die Rede verschlagen

Das müsste eigentlich reichen. Ich habe nichts zu sagen. Nichts anderes. Nichts weiteres. Ich möchte weder einen Videobeitrag darüber machen, wie ich im Homeoffice arbeite, noch einen von den anderen Menschen sehen.

Ich bin zu einer Stadtstreichern geworden, besser gesagt, zu einem dieser Tiere, die sich weiter ins urbane Gebiet vorwagen, weil nicht mehr so viele Menschen in der Stadt unterwegs sind. Wie die Hirsche, die in eine Auslage eines Einkaufszentrums starren, wage ich mich in unbelebte Gässchen, nehme Abkürzungen durch Privatgelände, werfe verstohlene Blicke in Innenhöfe, schaue an Fassaden hoch, gehe zick zack durch die Straßen, um nicht nah an anderen Menschen vorbeizugehen. Das wäre mir bis vor Kurzem unhöflich erschienen. Heute bedanken sich die anderen Menschen mitunter sogar dafür. Manchmal schaue ich sehnsüchtig einer fast leeren Straßenbahn nach.

Ich gehe aber auch gerne die immer gleichen Wege und prüfe die Größe der Urinflecken der Hunde auf der Straße. Es hat schon lange nicht geregnet.

Ich schlafe schlecht. Ich mache mir Sorgen. Die Menschen tun mir leid. Sie haben keine Arbeit oder zu viel Arbeit, sie haben kein Geld, sie werden krank. Sie sterben.

Aber sie stehen auch Schlange und warten geduldig, bis ihr Auto in der neuerdings wieder geöffneten Waschanlage sauber gemacht wird. Sie fragen öffentlich nach, ob sie ihre Einwegmaske in der Mikrowelle desinfizieren können.

Und es gibt keinen Impfstoff, weder gegen das eine, noch gegen das andere.


1 Kommentar:

  1. Viele Fragen die sich uns stellen in dieser Zeit, ich kann nur beipflichten und in der Kürze die mir gerade bleibt, nur ein Detail rausgreifen:
    Auch ich betrachte - immer schon - die Urinflecken auf der Straße bzw. dem Gehsteig mit Argwohn und versuche diese mehr oder weniger elegant zu übersteigen / überspringen.
    Der Zweifel der sich mir dabei - immer schon - auftut, die Flecken sind mir in der Mehrzahl zu groß, als aus den kleinen Trethupen geflossen zu sein, die in Wien üblicherweise gehalten werden.
    Ich vermute dabei also menschlichen Ursprung.
    Wenn es also bereits gegen Spontaninkontinenz kein Mittel gibt, wie dann eines gegen die wirklichen Fragen, die uns aktuell umtreiben?
    SMITT

    AntwortenLöschen