Sonntag, 2. August 2009

Im Paradies der Susinen

Am 16. Juli kaufen wir dieses Haus, unser Haus mit 5000 qm Grund, mit immer noch nicht genau gezählten, aber oft angestarrten Olivenbäumen, Feigenbäumen, Pfirsich- und Birnbäumen, mit Zitronen-, Mandarinen-und Orangenbäumen und mit meinem einzigen, unglaublichen Susinenbaum. Susinen sind runde violette Zwtschken mit einem kleinen Kern wie bei einer Kirsche. Zuerst stehe ich unter dem Baum und pflücke zaghaft die kleinen Kugeln, dann hebe ich meinen kleinen Sohn in die Baumkrone, am nächsten Tag lehne ich zwei Leitern strategisch günstig an den Baum und schließlich klettere ich selbst hoch, als wäre ich wieder 8 Jahre alt und empfinde die selben Gefühle von absoluter Priorität: Erreichen der Frucht. Nur ein wenig Strecken noch. Wer immer rief und ruft, seine Stimme geht unter in der flirrenden Distanz zwischen dem eifrigen Mittelfinger und der eigenwilligen Frucht. Damals noch mit dem katzenhaften Kinderkörper, heute mit zu bekämpfenden Gedanken an Halskrausen und Rollstühle - und alles wegen einer Zwetschke. Das Kind zählt sie einzeln, ich stelle sie auf die Waage und preise und lobe, backe einen säuerlichen Strudel mit der Frucht meiner meditativen Tätigkeit und ein halbes Glas Marmelade "a tempo perso", in der verlorenen Zeit, die eigentlich gewonnene Zeit heißen müßte - "a tempo vinto".

Nach der anfänglichen Euphorie über das Zustandekommen des Kaufs, den betäubenden Lesungen des Notars, der schließlich doch ermüdenden Heiterkeit der Vorbesitzerin und den verwirrenden, zahlreichen Besuchen von ihren Verwandten und (unseren neuen) Nachbarn stellt sich Ernüchterung und Zweifel ein. Eigentlich ist das Land ziemlich wenig bearbeitet. Eigentlich wissen wir nicht, wo mit den Renovierungsarbeiten beginnen sollen. Und mit welchem Geld. Eigentlich gibt es einen unangenehmen Geruch im Haus. Eigentlich bin ich müde und mein bestehender Haushalt funktioniert doch. Aber es gibt keine Alternative. Da drüben sind die Hügel, da unten ist das Meer, da vorne steht der Zitronenbaum. Die Kinder werden vormittags in die Ferienkolonie geschickt, das Ausufernde der Freude und Unsicherheit, die ihr durch das Haus Flitzen steuert, gewährt keinen Platz für die Kontemplation, die wir uns drei Tage lang gönnen.
Die Nachbarn bringen Tomaten, Auberginen, Gurken, Paprikaschoten, Zwiebeln und Frittata. Selbstgebackenes Brot, Pizza und selbstgekelterten Wein. Nicht nur einmal, sondern immer.

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