Freitag, 19. Oktober 2018

Was hält einen?

Die Datti geht in der großen Stadt demonstirieren.
Sie will eine andere Regierung, diese hat sie nicht gewählt, absolut nicht.
Sie will einen anderen Job, sie will mehr verdienen.
Dass dem nicht so ist, daran ist sie womöglich schuld, wenn man von einer solchen sprechen kann. Jahrelang hat sich die Datti um ihre Familie gekümmert und parallel dazu sind alle voll arg geworden.

Und ob sie es will oder nicht, sie braucht mehr Geld.

Das Kind ist jetzt auch in der großen Stadt, denn das Kind ist kein Trottel, nie gewesen. Das Kind mag "Tombini a livello". Kanaldeckel, die nicht schief verlegt worden sind. Das Kind will was lernen, das Kind hat Ideen und will sich nicht beklagen.

Das Kind sagt: Es ist schwierig, aber ich bin glücklich.

Die Vorstellung, dass das Kind bisher nicht glücklich war, zwingt mich in die Knie. Das Kind sagt, es hätte bis jetzt die Schule gehasst. Ich kenne das Kind seit 11 Jahren und immer ist es in die Schule gegangen und, Donnerwetter, immer hat es die Schule gehasst? Und ich habe es immer ignoriert?
Ignoriert, wie dass ich eigentlich mehr Geld verdienen muss? Wie dass sich der Rallyefahrer offenbar in seinem Leben langweilt? Ignoriert, dass sich mein großer Sohn in eine Situation extremer Existenzangst begeben musste, bevor wir alle ein Gefühl füreinander bekommen konnten?

Die Datti sollte demostrieren. Aber es ist komisch. Auf der Demo sind sehr viele junge Menschen. Was ja gut ist. Und dann sind auch einige, die aus der Datti-Generation stammen. Aus der goldenen Zeit. Als man begann, die Schulbücher gratis zu vergeben. Als es normal war, sozial zu sein. Als es eine Sozialpartnerschaft gab. Nicht hergeben.

Nach 22 Jahren in Italien wird das Sozialsystem im Staatsbürgerland der Datti zu einer persönlichen Frage.

Die Datti liebt das Land. Aus politischen Gründen, nicht aus landschaftlichen. Eine lange Zeit lang ist ihr das Land auf die Nerven gegangen, als alle sie belehren wollten. In Italien wollte sie niemand belehren. Aber in Italien haben sich alle geduckt, mit den Armen um ihre Lieben. Und es steht einem nichts zu, außer die eigene Familie.

Jetzt ist es so: Die politische Wahrhaftigkeit jedes der Länder ist kompromittiert, wenn man so ein altmodisches Wort benutzen darf.

Soll man dort bleiben, wo die Kanaldeckel gerade verlegt wurden? Wo es mehr gepflegte Geschichte gibt?

Ich hätte gerne eine Freundin, die jetzt mit mir in der Küche abtanzt zu sowas wie "Daddy cool". I'm crazy like a fool. Aber alle meine Freundinnen müssen die Deutschhausübungen ihrer Töchter verbessern, sich um ihre Sozialversicherungsbeiträge sorgen oder ihre alternden Mütter wenn nicht ihre Enkelinnen bespaßen.

Das hat uns niemand ermöglicht, Sozialpartnerschaft si oder no: Sorgenfrei in eine Zukunft zu schauen,  auch wenn das Gras grün ist. Schon oasch.

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