Samstag, 6. April 2013

Komm, Herr Jesus

Der Religionsprofessor meiner großen Kinder wird zum Priester geweiht. Eigentlich haben sie ja gar keinen Religionsprofessor, denn sie nehmen offiziell am Religionsunterricht nicht teil. Schon das zweite Jahr. Als Alternative habe ich beantragt, dass in der Religionsstunde Lehrpersonal mit meinen Kindern Aufgaben macht. Ich habe mir diese Alternative sehr gemütlich vorgestellt, vor allem für mich, die ich das dann nicht mehr zu Hause machen brauche. Aber es gibt dieses geschulte Personal nicht, das mit meinen Kindern lernen möchte. Also sind meine Kinder letztes Jahr in die Religionsstunde gegangen, die Lehrerin war sympathisch und hat einen guten Eindruck bei (nicht nur) meinen Kindern gemacht, da sie, wie sie erzählte, mit ihrem Sohn Wrestlingveranstaltungen besucht. Fast ging die Sympathie soweit, dass der Fußballer sich wieder in Religion einschreiben wollte, weil ihn die Lehrerin darum gebeten hatte. Zu einem Eklat kam es nicht, denn das Schuljahr ging zu Ende und das nächste Schuljahr begann und die Lehrerin war weg, dafür gab es den blutjungen Don, der jetzt Priester wird. Alles ging weiter wie vorher, ich legte meinen Kindern nahe, die Englischhausübung in der Religionsstunde zu machen, da sie doch in der Klasse bleiben. Mein volles Verständnis dafür, dass in einer Schule mit 150 Schülern für 2 nicht am Religionsunterricht teilnehmende Kinder keine Sonderregelung geschaffen wird.
Aber eines Tages, als der Fußballer krank war, hat der Don meinen großen Sohn in die Parallelklasse geschickt, denn der Don hatte kapiert, dass meine Kinder gar nicht legal im Religionsunterricht sind. Da meine Kinder es als geringeres Übel empfanden, im Religionsunterricht zu sitzen und sich Filme über Franz von Assisi anzuschauen, als in der Parallelklasse bereits die Englischprofessorin zu genießen, die sie in der nächsten Stunde ohnehin haben, pilgerte ich zum Don, um ihn zu bitten, meine Kinder zu beheimaten. Ich dachte, es werde sich um den Austausch höflicher Worte in der Dauer von 15-20 Sekunden handeln. Weit gefehlt. Der Don war ein harter Brocken, ich aber auch. Praxis sei, Kinder, die nicht am Religionsunterreicht teilnehmen, aus der Klasse zu schicken, denn offenbar sollen sie ja nicht hören, was da unterrichtet wird, sonst wären sie ja nicht ausgeschrieben. Da hat er nicht ganz unrecht, der Don, denke ich, während ich mich frage, ob er sich eigentlich schon rasieren muss oder ob das noch ein paar Jahre dauert. Ich sage, ich hätte kein Problem, wenn meine Kinder dem Religionsunterricht zuhören, aber ich wünsche nicht, dass sie eine Prüfung ablegen und ich möchte keine Note für Religion im Zeugnis sehen. Meine Stimme ist etwas gepresst, ich weiß. Aber ich habe es gut angelegt. Sowas hat er noch nie gehört, sagt er. Er ist echt verblüfft. Was ist denn dabei, eine Prüfung in Religion zu machen? Statt ihm an die Gurgel zu springen, wiederhole ich nur, dass ich das nicht will. Jetzt hat er eine gute Idee: Er findet das diskriminierend, dass er alle anderen prüft und meine Kinder nicht. Wenn mir die Kinder nicht so leid täten, wenn sie in die andere Klasse zur Englischprof müssen, hätte ich jetzt aufgegeben und zu schreien begonnen. Aber ich habe ein Ziel und ich lasse nicht locker. Die Frau Professor Klassenvorstand kommt hinzugeeilt, man sieht, dass das Gespräch nicht konfliktfrei ist. Ich ätze, dass ich ja das, was ich angkreuzt habe, nämlich die Alternative und bitte individuelle Betreuung durch Lehrer ja nicht bekomme, daher sei es am besten, die Kinder blieben einfach in ihrer Klasse. Die Frau Professor Klassenvorstand bittet den Don, im Sinne der Accoglienza, der Aufnahme (dieses Wort gebraucht man immer im Zusammenhang mit Flüchtlingen), meine Kinder nicht mehr aus der Klasse zu schicken und ihr Wille geschehe. Ich drücke dem Don die kalte kleine Hand. Er ist immer noch fassungslos.
Ein paar Wochen später, nach dem fulminanten Coming out meiner gottlosen Kinder als Sänger bei der Weihnachtsaufführung, begegne ich dem Don wieder. Da ich sehr aufgekratzt bin, begrüße ich ihn freundlich und auch er ist freundlich. Ich stelle ihm das Kind vor und sage, dass das Kind tanzt. Der Don wird regelrecht herzlich und sagt, er tanze auch so gerne, allerdings Gesellschaftstanz. Ich bin fast versucht, das Kind für nächstes Jahr, wenn es auch die Mittelschule besuchen wird, nicht aus dem Religionsunterricht auszuschreiben. Es könnte mit dem Don in der Religionsstunde tanzen. Aber das Kind will nicht in den Religionsunterricht und es ist ihm egal, wenn es dabei das einzige Kind ist.
Übrigens haben wir vor ein paar Tagen eine ehemalige Lehrerin vom Kind getroffen und nachdem wir ein wenig geplaudert haben, sagt sie: Ich hab da nur eine kleine Frage: Wieso macht er denn keine Erstkommunion? Meine Antwort auf die kleine Frage ist ebenso klein: Wir gehen nicht in die Kirche und es scheint uns nicht richtig, ihn an etwas teilnehmen zu lassen, an das wir nicht glauben. Und wenn sie jetzt noch was sagt, dann hole ich aus und das Wort "scheinheilig" wird das mindeste sein. Nein, sie sagt gar nichts mehr. Sie hätte gerne ihre kleine Frage zurückgeholt, wenn sie könnte, sagt ihr Gesichtsausdruck. Wir verabschieden uns rasch. Wir sind übrigens keine Zeugen Jehovas, hätte ich vielleicht zur Sicherheit dazusagen können.
Jetzt steigt der Don also als Priester ein und die Kinder sollen Gebete für ihn schreiben und gehen zu Veranstaltungen, die keiner von uns durchblickt, weil wir nicht eingeweiht sind. Ich denke, wenn wir ein bisschen scheinheiliger wären, wären wir vielleicht mehr eingebunden, in die Gemeinde. Und ich bin ein bisschen melancholisch deshalb. Wenn ich meine Kinder in den Katechismus schicken würde, hätten sie vielleicht auch mehr Freunde. Vielleicht hätten sie mehr Sicherheit, wenn sie einen Glauben hätten. Vielleicht wäre das Leben einfacher, wenn die Bibel uns sagen würde, wie wir leben sollen und nicht allein meine individuellen moralischen Grundsätze. Aber ich kann nicht, es tut mir so leid lieber Jesus, ich möchte das nicht, zu einer Religion gehören, die auf deinem Tod basiert, statt auf deiner Auferstehung. Dass du den Stein weggeschoben hast, war wirklich gut, wieso stehen denn in den Kirchen keine Steine herum, sondern sind Kreuze aufgehängt und an den Hälsen auch. Du kannst auch immer zu mir kommen und mein Gast sein, ich bin gar nicht so unfreundlich. Und du musst auch nicht segnen, was du uns bescheret hast.

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