Sonntag, 23. Februar 2014

Abfall

Heute Nacht habe ich einen Albtraum gehabt. Ich musste an etwas arbeiten, dabei befand ich mich in einer Bar. Andere Leute waren auch da. Ich durfte mich nicht bewegen, bis diese Arbeit fertig war. Da kommt der Schwiegersohn von unseren Nachbarn (der mir immer schon unsympathisch war) und hält meinen Daumen fest, bis es mir weh tut und ich mich doch bewegen muss, obwohl ich das nicht hätte sollen. Ich bin wütend. Der Typ lacht. Schnitt. Ein Raum mit mehreren Personen, darunter der Schwiegersohn unserer Nachbarn. Ich sage: "Bist du Alex?", schon ziemlich empört. "Nein." sagt er. Klar ist er das, obwohl es ziemlich dunkel ist. Und ich frage: "Kennst du ihn, wo ist er?" "Kenn ich nicht, weiß ich nicht." Und lacht. Die anderen Typen um ihn herum lachen auch. Ich sage: "Du bist Alex und du hast mir am Daumen weh getan." An die letzte Szene erinnere ich mich nicht mehr genau, mehrere Männer waren in einem Raum, es war noch vor dem Morgengrauen und alle lachen (mich aus) und schieben große Geldscheine herum. Im Traum denke ich, dass sie von der Mafia sind, und bin recht entsetzt.

Ich weiß, warum ich das geträumt habe, auch wenn die Wege des Unterbewusstseins unergründlich wie die des Herrn sind. In Kalabrien wird seit zwei Wochen der Müll nicht mehr abtransportiert, denn die Mülldeponie(n) sind überfüllt und geschlossen. Alex arbeitet bei der Müllabfuhr unserer Gemeinde.

Bis gestern habe ich den Umstand, dass der Müll nicht mehr abgeholt wird, mit Stoizismus und Hoffnung ausgehalten. Jeden Tag, wenn ich aus dem Haus gehe, hoffe ich, dass der unsympathische Alex und seine Kumpels die Berge von weißen, schwarzen, blauen und gelben Müllsäcken aufgeladen und weggefahren hat. Jeden Tag wappne ich mich aufs Neue mit Geduld und in unserem Vorzimmer stapeln sich auch schon ein paar Säcke, weil es mir keine Freude macht, diese traurigen Müllberge zu vergrößern.

Von der Staatsstraße biegt man auf eine kleine, steile Straße, um in unseren Ortsteil zu gelangen. Am Eingang in diese Straße stehen drei Mülltonnen, eine für Papier, eine für Glas und Plastik und die dritte für den Restmüll. Zum Thema Mülltrennung in unserer Gemeinde könnte ich viele und erstaunlich skurille, insgesamt aber traurige Dinge schreiben. Die Behälter quellen schon bald über und die Müllsäcke liegen auf der Straße. Nach ein paar Tagen hat man mit dem Auto schon ein wenig Schwierigkeiten, in der Kurve nicht in den Müllberg zu fahren und natürlich sind viele Säcke aufgegangen und wer interessiert ist, kann den Inhalt studieren.

Gestern, als ich nach einem Ausflug in die Stadt, in der die Situation ähnlich ist, nur dass dort Menschen mit klapprigen Transportern vor den Müllbergen stehen bleiben und in unglaublicher Geschwindigkeit und mit großer Geschicklichkeit Metallteile aus dem Müll holen und diese in ihr Auto laden, nach Hause fahre, ist der wabernde Müll weg. Einen Moment freue ich mich, aber dann sehe ich, dass er einfach geschmolzen ist und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Was ich befürchtet habe, ist passiert: Jemand hat den Müll angezündet. Schwarz verkohlte Stummel sind noch zu sehen, es stinkt. Bis zu uns hinauf rieche ich den nassen verbrannten Dreck, das Dioxin, aber vielleicht bilde ich es mir nur ein.

Vielleicht war es derjenige, der dem Bürgermeister vor ein paar Wochen eine Gewehrkugel geschickt hat, mit einer Grußbotschaft in Blockbuchstaben. Vielleicht war es ein wilder Anrainer, der mit seinem Auto den Müll berührte, was ihn mit Abscheu erfüllte.

Ich erkläre MM in grellen Farben wie ich den Bürgermeister anrufen und ihm alles schildern werde. Der Inhalt des Satzes: "Jetzt sind wir aufs Land gezogen und leben weniger gesund als in einer smogreichen Stadt wie Mailand und ihre Mülltrennung, die sollten sie jetzt überdenken, aber subito, sie Scharlatan." formuliere ich mehrmals geistreich um. MM sagt: "Aber das weiß er doch." "Woher soll er das wissen? Ich muss es ihm sagen!" gebe ich, entflammt wie der Müll vor ein paar Stunden, zurück. "Also spätestens die Feuerwehr wird es ihm sagen." Die Feuerwehr. Wir sind nicht allein. Es gibt noch ein paar Institutionen.

Ich finde auch, dass der Bürgermeister dem Alex, der jetzt zu Hause sitzt, und etwas tut, das ich nicht ganz genau wissen möchte, weil es sicherlich öd und ekelhaft ist, den Auftrag geben sollte, den Müll wenigstens ansprechend zu arrangieren und schon mal vorzubereiten, dass er ihn doch hoffentlich einmal wegbringen wird, bevor er sich in kleinen Stücken über unseren gesamten Lebensbereich ausbreitet. Ob Alex sein Gehalt weiter bezahlt bekommt? In einer normalen Welt müsste er das, aber von dieser normalen Welt sind wir momentan ziemlich weit entfernt.

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