Freitag, 15. Januar 2010

mit dem krankenhausordner kreise schließen

Am Montag habe ich den Ordner nicht bekommen, denn die Frau in der Direktion kam nicht. Unpraktischerweise hatte ich ein krankes Kind zu Hause, das ich erst in Obsorge der Putzfrau ließ, um ins Krankenhaus zu fahren, und anschließend bei der Babysitterin, die ich nach etwa 50 Anrufen auf die Mobilbox erreichte. Als sie kam, hatte sie verdächtig schwarze Haare, war sie beim Friseur gesessen, während ich vor der Direktionstür im Krankenhaus wartete? Neben mir wartete eine Frau mit gleich großem Kampfgeist. Ihr Sohn hatte einen Fuss gequetscht und man wollte ihm erst in drei Wochen einen Gips machen, oder den Gips in drei Wochen runter machen, ich habe sie nicht genau verstanden, aber mich zu einigen vernichtenden Bemerkungen über Ärzte hinreißen lassen. "Der Arzt schaut dich nicht mal an!" sagte die Frau. "Wenn sie nichts mit Menschen zu tun haben und nur Geld verdienen wollen , dann sollen sie sich doch einen anderen Job suchen." sage ich. Dann redet die Frau nichts mehr mit mir. Wir warten, bis man uns sagt, die Verantwortliche käme in 15, 30 oder 45 Minuten, je nach Auskunftsperson. Für mich in jedem Fall zu lang, denn die Putzfrau muss auch ihr krankes Kind von der Schule abholen und als dann die Babysitterin kommt, ist es halb eins, aber das ist egal, denn die Dame aus der Direktion war ohnehin nie gekommen. Ihrem Sekretär ist das unangenehm und er schreibt sich den Namen unseres Kindes auf, genauso falsch wie die Dame im Archiv, offensichtlich spreche ich ein O tatsächlich wie ein U aus. Seine Fingernägel sind sauberer, aber doch abgearbeitet, wie auch sein Gesichtsausdruck. "Kommen sie morgen wieder." sagt er seufzend und er fragt mich, ob ich aus der Stadt sei, und auf meinen nein meint er, ich könne auch vorher anrufen.
Das tue ich am nächsten Morgen und er sagt: "Sie können kommen." Und so geht alles seinen Weg und ich bin ihm immer noch das Gebet schuldig, das er von mir als Dank erwartete. An einem Finger trägt er einen Ring mit zwölf (?) Dornen, eine Art Rosenkranz, der bei ihm auch tatsächlich immer an einem anderen Finger steckte. Ich wusste nicht, dass Männer Rosenkranz beten, ich dachte eigentlich, das sei ein Privileg von Frauen über siebzig.
Mit dem heiligen Ordner für den ich nichts bezahlt habe, den die Frau im Archiv rausrückte, ohne dass ich sie sehen musste (das ist schon ein Gebet wert), fuhr MM mit dem Kind zum Leberguru. Wir waren auf alles gefasst, beginnend von "wir sehen uns nie wieder" über "Koffer packen und ab ins Spital" zu "wer spendet seine Leber?", nur nicht auf die Aussage: "ist alles ok!". Der Leberguru bat nur, nicht wissen zu müssen, welcher seiner Kollegen die Katastrophenmeldungen von wegen "gleich operieren" und "das Kind soll sich nicht heftig bewegen, sonst könnte die Zyste platzen" in die Welt gesetzt hat. Sollte die Zyste platzen, so sei das erfreulich, aber unwahrscheinlich. Man muss einmal im Jahr die Zyste anschauen und vielleicht irgendwann absaugen. Diese Auskunft hat nicht wenig Geld gekostet, aber zweifellos bezahlt man für good news lieber, oder?

Währenddessen werden in unserem Haus die letzten Runden eingeläutet. Zumindest was die Maurer betrifft, die mit großer Menschenanzahl und unglaublicher Energie seit dem 7. Januar sogenannte Iglus aufstellen, auf die dann die Böden gelegt werden, was eventuelle Feuchtigkeit verhindern soll. Die Gänge sind verputzt, Schläuche unter den Böden sind verlegt, Türrahmen aufgestellt, kleine Notfallsmauern, die sich im Lauf der Arbeit als notwendig herausgestellt haben, aufgezogen, ein kleiner Balkon zu dem vorhandenen hinzugefügt. Diesen schien der Obermaurer zu begießen. Es sah grotesk und gleichzeitig glaubwürdig aus. Ein Mann auf einem Balkon im Rohbau mit einem Kübel, schwapp schwapp, ich hätte schwören können, es war eine Gießkanne, aber es gibt nie Zeit für Feinheiten, denn da ist schon wieder ein kleiner Bagger zu betreuen, gutes neues Jahr, Freude, ebenfalls.

Seitdem sehe ich nur noch spätabends Fotos. Tagsüber messe ich Fieber, treibe das Kind ins Bett, schneide Anziehpuppen aus, versuche Reis Reis Reis als Lieblingsmahlzeit einzuführen, lese "Frau Holle" und "Hänsel und Gretel" vor, streune auf der Suche nach sinnvoller Arbeit, die dem Kind nicht auffällt, durchs Haus und seufze angesichts der Erkenntnis, dass ich eigentlich auf einer Baustelle leben möchte. Doch es geht vorbei. In einer Woche wird unser frenetischer Maurertrupp eine Pizzeria umarbeiten. Zwei Maurer bleiben uns erhalten, versichert uns der Obermaurer, aber die Sternstunden mit sieben Leuten und zwei Mischmaschinen an Bord sind vorbei. Dazu kommen noch die reduzierten Teams von Elektrikern und Installateuren, die Elektriker verlegen ihre Schläuche diskret und an die Arbeit der Maurer angepasst, die Installateure haben unauffällig Abflussrohre eingezogen. Alles nichts gegen die Hulks mit ihren Zementschleudern.

Und eines Tages werden Türen und Fenster kommen, die so groß sein werden, dass ein kleiner Kran kommen muss, was mir ein so großes Stirnrunzeln verursacht, dass der Obermaurer beruhigend sagt, auch ein paar Christen könnten diese Glasscheibe manövrieren. Hier sind Menschen nämlich noch Christen. Mit Nachdenken oder ohne? Und was bete ich also für den Sekretär der Frau aus der Krankenhausdirektion? Die Flügel, die ich für die Barbiepuppe gebastelt habe, fallen mir ein. Ich möchte ein paar Engel verschicken. Die Engel der weisen Voraussicht und der Diplomatie. Die uns nur das Gute sagen lassen und schnell "Pscht" rufen, wenn wir im Begriff sind, uns in einen Wirbel zu reden.

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