Mittwoch, 23. Juni 2010

Fratelli d'Italia

Die letzten Wochen waren vom Schulschluss, dem damit einhergehenden Wahnsinn und den anschliessenden Ferien bestimmt. Die Ferien dauern bereits eineinhalb von vierzehn Wochen, wieviel Prozent sind das? Da ich mich nach meiner Rückkehr wie eine Vietnam-Veteranin fühlte, die nichts erschüttern kann, nahm ich alle Attacken der Schule gelassen: Mamma, um halb drei müssen wir wieder in die Schule, den Tanz üben - Mamma, morgen ist übrigens keine Schule - Mamma, am Samstag gehen wir Fussball spielen. Wann? Am Vormittag? Am Nachmittag? - Buh? Keine Ahnung.
Ergreifendes Ende aller Unsicherheiten: 1) Schulaufführung, 2) Jugendspiele.
Während der wie immer quälenden Schulaufführung habe ich einen Kloß im Hals - nächstes Jahr werden meine Kinder in der fünften Klasse, der letzten Volksschulklasse in Italien sein und sie werden ein quälend langes Stück einstudieren, sowie englische Sketches wiedergeben, die kein Mensch versteht.
Bei den Jugendspielen trägt unser Sohn die Fahne der Vereinten Nationen und alle Kinder singen die italienische Hymne. Dabei legen sie die rechte Hand auf die Brust. Damit habe ich nicht gerechnet. Unser fahnentragendes Kind legt die Hand unter das Herz, vielleicht schmerzt seine Milz.
Unsere Lieblingsministerin, la Gelmini, die mit ihrem kleinen Vorschlaghammer alle Bildung zertrümmert, beginnend bei der Primarschule und bei der Universität endend, denkt darüber nach, dass die Kinder vielleicht erst im Oktober wieder mit der Schule beginnen könnten. Das halte ich für eine produktive Idee. Bei vier Monaten Ferien kann sich auch die tapferste Frau keinen Babysitter leisten, und macht endlich ihren Arbeitsplatz frei.
Unsere Kinder verbringen ihre Ferien zur Zeit im Auto und fahren mit uns an unseren jeweiligen Arbeitsplatz (solange wir noch einen haben). Dort werden sie vor den Fernseher gesetzt. Heute haben sie den ersten total hedonistischen Ferientag verbracht: Acquapark: Megarutschen und permanente Animation. Anschließendes Koma. Am Ende dieses für mich überaus langweiligen und daher höchst entspannenden Tages unter der Sonne will ich, dass sie mir eine Rutsche empfehlen und während sich der Rallyefahrer und sein großer Bruder an Enthusiasmus überbieten, meint der kleine Sohn besorgt: ich empfehle dir, keine Rutsche zu nehmen, es ist zu gefährlich, geh lieber den langsamen Fluss entlang. Ist das eine Art Entmündigung? Ich nehme die hellblaue und die gelbe Rutsche und das Schlittern im Wasser erinnert mich an etwas: etwas, das lange her ist, als die Gefahr nicht groß genug sein konnte und die Angst immer nur ganz klein war.

Den gehenden Mann haben wir so oft wie noch nie gesehen, in Ermangelung anderer Unterhaltung finden ihn die Kinder wahnsinnig spannend und stellen Vermutungen über ihn an. Momentan ist er ihrer Meinung nach ein Spion, der UNS verfolgt. Wir waren mit ihm im selben Supermarkt, meine kleinen Spione haben beobachtet, dass er ein Bier gekauft hat (ein längliches, mit einem Stier drauf), ich habe beobachtet, dass er tatsächlich eine Regenhose trägt. Mit dem Regen ist es aber jetzt wieder vorbei. Angesprochen habe ich ihn nicht, das erschien mir angesichts seines Rucksack, meines eigenen Einkaufswagens und meiner Kinderschar zu intim.

Unsere Baustelle ist immer noch eine Baustelle und wenn mir das Herz sinken will, dann schlägt mir mein innerer Coach rasch auf die Schulter und ruft dynamisch: ist doch egal, du schaffst das schon. Ich habe bereits einen Schreibtisch und einen Computer übersiedelt, auf dem meine Kinder spielen, wenn sie nicht helfen müssen, kiloweise Pflaumen zu ernten, oder wenn sie nicht abenteuerliche Ritterspiele veranstalten. Die Abwesenheit des Schreibtischs hier versetzt mich in Hochstimmung. Immerhin ca. 0.3 % unseres Haushalts!

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