Donnerstag, 12. Mai 2011

una casa americana

Letzte Woche fand das Geburstagsfest des Rallyefahrers statt. Da seine Schule 45 Minuten von unserem Haus entfernt liegt, war die Abmachung folgendermaßen: das Auto hat sieben Plätze, er wird 12 und darf vorne sitzen. (Alle Italienier und Italienerinnen finden mich zutiefst suspekt, wenn ich darüber spreche, dass Kinder ab 12 Jahren im Auto vorne sitzen dürfen. Ich denke, sie glauben, dass ich einer Sekte angehöre.) Er informiert fünf Schulfreunde, ich rufe deren Mütter an, hole gemeinsam mit ihm die Jungs am Geburstag ab und bringe sie abends wieder nach Hause. Big Deal for me: keine Mütter. "Das kann ich von Ihnen nicht erwarten, dass Sie Ihr Kind so weit fahren", sage ich geheuchelt demütig am Telefon zu den Eltern. Alle sind froh, nur Frau Begünstigt macht mir fast einen Strich durch die Rechnung: "Kein Problem!" kräht sie, "ich bringe dir alle!" "Nononononono!" sage ich bestimmt.

Als wir auf unser Haus zufahren, sagt einer zum Rallyefahrer: "Ist dein Haus schön?" " Das weiß ich nicht, das musst du entscheiden", sagt der Rallyfahrer mit seiner minimalistischen Lebensphilosophie. Die Jungs purzeln aus dem Auto und rasen auf das Haus zu. Der erste Sturz. Sie umarmen erst den großen Bruder des Rallyefahrers, der den Hausherrn gibt. Dann rennen sie ins Haus. Schreie der Zustimmung. "WOW!" "Es ist riesig" "Es ist wie amerikanisch!". Dann die Bücher. "Schau mal die vielen Bücher!", Ehrfurcht (Grauen?). "Ich glaube, das ist eine Bibliothek!"

Danach mehrere Stunden im Laufschritt, der große Bruder hat die Carrera-Autobahn aufgebaut, sie hat großen Erfolg, der dann von den fernsteuerbaren Jeeps und den Fahrrädern getoppt wird. Nur der große Bruder und sein Freund gebärden sich als die Nerds der Situation.

Alle holen mit Geheul das Kind vom Schulbus ab, der Nerd im Trainingsanzug (Täuschung, es geht nicht ums Trainieren, sondern nur um möglischst geringen Zeitverlust beim Aufsklogehen) droht im Alter von 10 Jahren an einem Herzinfarkt zu sterben. Ja, bei uns geht es bergauf! Die anderen Jungs lassen sich im Schweinsgalopp die Steigung wieder runter.

Spannend wird es erst, als das Kind (mein Kind) Stöpsel Begünstigt stößt, als dieser trotz mehrmaliger Warnung den fernsteuerbaren Jeep durch eine Regenlacke fahren läßt. Stöpsel Begünstigt fliegt also ebenfalls in den Gatsch. Das hätte ich mir nie vom Kind gedacht und in seinem gemeingefährlichem Tun muss es nun neben mir in der Küche sitzen. Ich bereite meditativ Obstsalat zu. Schon lange war mir nicht so langweilig. Irgendwann fragt das Kind, ob es immer noch mein Schatten sein muss und ich befreie es. Es läuft beglückt weg und spielt ekstatisch mit Stöpsel Begünstigt. Ich glaube, ich verstehe nichts von Männerfreundschaften.

Auch dieser Tag geht zu Ende und unter konvulsivischen Hustenanfällen bringe ich die Kinder wieder nach Hause. Ein Kind schläft während der Fahrt und ich bekomme plötzlich Angst. Ich fordere ein anderes Kind auf, das schlafende Kind zu schütteln. Er atmet noch. Zum Glück kommt mein Verhalten den Kindern nicht komisch vor, sie wissen noch nicht, was Neurosen sind.
Ein Kind, das ich abgebe, sagt aufgeregt zu seiner Mutter: "Mamma, es war wunderschön, sie haben ein Haus alla americana!"
Ich schaue ihn liebevoll an. Ich glaube , ich muss mehr fernsehen, um zu verstehen, was er damit meint.

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