Dienstag, 7. Juni 2011

Referendum

Am 11. Juni hätte der Meilenstein der Geschichte des Theaters südlich der Alpen stattfinden sollen: Die Schulaufführung von "I promessi sposi", in der meine großen Kinder Don Rodrigo und L'Innominato geben. Aber: "Es findet ja das Referendum statt" blafft mich die Direktorin vor ein paar Wochen auf das Datum befragt an. Ich schrecke zurück. Referendum? Habe ich das einberufen? Müssen meine Kinder zu einem Referendum? Nein, die Schule ist Wahllokal ("Sie haben uns den 10., 11. und blabla genommen!" beschwert sich die Direktorin. So eifrige Lehrer gibt es selten.) Am 11. Juni ist offiziell Schulschluss. Meine Kinder werden die Aufführung am 19. haben und an jedem Tag, an dem die Schule weder vorbereitet wird, noch als Wahllokal dient, noch wieder geputzt wird, proben, proben, proben. Außerdem werden sie, da sie in diesem Jahr Null Turnstunden hatten, Jugendspiele abhalten (da dürfen sie dann endlich laufen!). Aber es werden, anlässlich der feierlichen Begehung von 150 Jahren Einheit Italiens, Spiele sein, wie anno dazumal. Sackhüpfen. Für uns heißt das: Jutesäcke besorgen (neben den Theaterkostümen). Erstaunlicherweise gibt es keine Jutesäcke mehr. Aber die weißen, geflochtenen Plastiksäcke, in denen heutzutage Tierfutter transportiert wird, will der Herr Lehrer nicht.
In diesen Tagen muss ich oft an einen Satz von Hans Magnus Enzensberger denken: "Das Gegenteil von gut ist gut gemeint". Ich kann diesen Satz aber nicht ins Italienische übersetzen und daher versteht MM meine Genialität (nämlich die, Enzensberger zu zitieren) nicht.
MM freut sich auf den 12. Juni. Er wird früh aufstehen, frühstücken und anschließend zum Referendum gehen. Er wird einen Trendsetter abgeben. Befragt werden die Menschen, ob die Verwaltung des Wassers in öffentlicher Hand bleiben soll (soll es nämlich nicht, und man muss ein bereits bestehendes Gesetz außer Kraft setzen), ob Italien atomfrei bleiben soll (soll es nämlich nicht) und ob man Politikern Gerichtsprozesse machen darf (was nämlich aus Gründen der Immunität nicht gehen soll). Das Referendum ist also nicht nur eine Möglichkeit der Bürger, Stellung zu beziehen, sondern durchaus dringlich für die, die nicht wünschen, dass Herrn Berlusconis Freunde unser Trinkwasser verwalten und verkaufen, dass Herrn Berlusconis Freunde Atomkraftwerke bauen und Herr Berlusconi selbst sich vor Gericht nicht verteidigen muss. Unumgänglich für eine Bewertung des Referendums ist die Teilnahme von 50% aller Wahlberechtigten plus eine Person, das sogenannte Quorum, das erreicht werden muss. Es wäre zu schön. Sarebbe troppo bello!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen