Mittwoch, 9. Mai 2012

Jugend und Mode


Wer einen Blog schreibt, hat es gut, denn sie kann all ihre Gefühle, angemessen oder nicht, in die Welt hinausschreien und die Welt schreit weder zurück, dass sie das nicht interessiert, noch, dass die Schreiberin sich eventuell einer Selbsthilfegruppe anschließen soll. Und so kann ich nun öffentlich kundtun, wie sehr mich der Kleidungsstil meiner Kinder ärgert, was daran liegt, dass mich alles ärgert, vor allem die Schule ärgert mich, aber das ist ja nichts Neues. Es ist Montag Morgen und der Tag verspricht nichts Gutes. Am Nachmittag findet eine Geburtstagsfeier für ein Mädchen in der Klasse statt, das mit einigen Probleme zu kämpfen hat und die Frau Prof Klassenvorstand, Koordinatorin der Klasse, wie man das hier nennt, hat bei sich zu Hause ein Fest für das Kind organisiert und alle Kinder sind dort zum Mittagessen eingeladen. Das heißt, dass mein großer Sohn sich schon mal in seine beste Hose wirft, nämlich seine Breakdancehose, die zu meiner Verbitterung am Knie ohnehin sofort dünn geworden ist. Ich habe ihn aber zuvor gefragt, ob seine kurze Hose noch ok ist und er hat dies positiv beantwortet. Ich sehe also die Breakdancehose an seinen Beinen und sage: "Nein, das will ich nicht. Wieso nimmst du die Breakdancehose, um Fußball zu spielen und dich auf der Erde zu wälzen?" Falscher Ansatz, denn die Antwort lautet: "Ich wälze mich nicht auf der Erde." Weitere Reaktion ist eine Mischung aus Enttäuschung und Wut, die angemessen gewesen wäre, wenn ich verkündet hätte, dass es diesen Sommer keine Ferien gibt und man auch im Juli und August in die Schule gehen muss. Die Hose wird jedenfalls getauscht, jetzt sehe ich die Schuhe. Aha, auch die besten Schuhe zum Fußballspielen. Selber Dialog, diesmal ohne Erde und Wälzen. Die Kinder verlassen das Haus, ich nehme den Hund an die Leine, man sieht sich an der Haltestelle des Schulbus. Jetzt ist der Rallyefahrer dran, über dessen Hosen ich schon lange kein Wort mehr verliere. Ich habe auch nie erwähnt, dass ich ihn vor 10 Jahren noch als Mann auf der Suche nach seinem Arsch bezeichnet hätte, aber er ist mein Sohn und ich soll ihn nicht beleidigen. Er hat sich vor ein paar Wochen einen dicken Ring, auf dem das Gebet "Vaterunser" eingraviert ist, an einem Kettchen, das einmal an einer Jeans baumelte, um den Hals gehängt und dieses mittels einer Büroklammer geschlossen. Ich habe nicht mein wahre Meinung über diese Kombination ausgedrückt, sondern nur leise gesagt: "Gute Idee." Aber warum um Gottes Willen hat er heute zwei Paar Socken angezogen? Gestern hat er mich noch gequält, dass er unbedingt kurze Hosen anziehen muss. Bei einem Paar handelt es sich um Kniestrümpfe und diese sind kunstvoll nach unten gerutscht und werden dort von einem zweiten Paar Wollsocken gestützt. Ich bekomme Wallungen bei der Vorstellung, ich hätte so viel Material an den Füßen. Auf mein ersticktes "Warum?", antwortet der Rallyefahrer, das sei, falls ihm kalt werde. Da ich nichts mehr ändern kann, sage ich nur, das wäre ein Fall für eine lange Hose und dann bin ich still. Ich überlege, ob ich die Kniestrümpfe in Zukunft verstecken soll. Doch dann kommt das Kind an die Reihe. Der ohnehin ergonomisch wertlose Rucksack hängt mit ungleichen Riemen schief an den Schultern und zieht mit seinem Gewicht das ganze Kind in Schieflage. Ich sage:"Warte, wir richten mal diese Riemen." Er schreit: "Neinneinnein!" und ich begreife blitzschnell, dass es sich auch hier um eine Mode zu handeln scheint. Gleichzeitig mit meinem Schrei: "Mir reicht's!" biegt der gelbe Schulbus um die Kurve. Meine Kinder sind mich los. Dass ich selbst bei einem Schikurs am ersten Abend mit den Schischuhen ausgegangen bin, weil ich sie so schick fand und dass ich mir dabei die Schienbeine so aufgeschürft habe, dass ich die ganze Woche Schmerzen hatte, fällt mir erst später ein.
Dafür gibt mir das Fest neuen Anlass zu schlechter Laune, denn meine geplante Abholung wird durch einen Anruf des 14-Jährigen vereitelt, der mich um 17 Uhr vor das Haus der Lehrerin zitiert. Und genau zu diesem Zeitpunkt kann ich eigentlich nicht, muss aber dann doch, also Chaos. Und warum? Weil Marilena beschlossen hat, das Fest endet um 17 Uhr, da sie offenbar danach einen Termin hatte. Und meine Kinder bekommen in solchen Situationen die Panik, sie könnten als einzige mit der Prof übrig bleiben. Und warum diese Panik? Weil die Prof ihnen auch beim Mittagessen Fragen stellt. Was eine Gemeinde ist oder wie die Staaten Europas heißen. Außerdem kommt der Prof ein strenger Geruch aus dem Mund. Ich finde, meine Söhne könnten da ein bisschen weniger zimperlich sein, aber auch sie haben das Recht, ihre Mutter anzurufen und mal zu schauen, was geht. Leider bemerke ich immer zu spät, dass Marilena Drahtzieherin dieser dringenden Abholaktionen ist.
Am nächsten Tag kritisiert die Prof die Klasse, weil diese sich nicht an die Regeln gehalten hätte. Es seien Spiele vorbereitet gewesen, aber die Jungs hätten Fußball gespielt. Ich glaube, ich sollte mal die Version meiner Kinder wiedergeben: Es seien Spiele vorbereitet gewesen, aber der Computer, aus dem die Musik für diese Spiele kommen sollte, sei von Marilena für die Konsultation von facebook okkupiert worden. War nicht Fußballspielen vor kurzem noch ok? Für mich ist es das immer noch, allerdings bitte nicht in der Breakdancehose.

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