Freitag, 7. März 2014

CSI Calabria, Folge 2: Hühner

Seit ein paar Tagen legen die Hennen keine Eier, eines oder maximal zwei. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich bereit, jedes erdenkliche Loblied auf die Hennen zu singen. Ja wirklich, oft hatte ich das uralte Lied: "Ich wollt ich wär ein Huhn" im Kopf, wenn ich ihnen ihren geschroteten Mais zum Fressen brachte. Oder die Salatabfälle. Oder die Kürbisschalen. "Meine Braven, ihr seid ja so brav!" rief ich ihnen zu, wenn ich die Eier aus dem zum Legen vorgesehen Teil des Hühnerhauses holte. MM und ich rühmten uns unserer psychologisch einwandfreien Hühnerbetreuung, die uns jeden Tag 5-6 Eier bescherte. "Unsere Hennen sind wirklich clever." sagte ich zu ihm und er meinte: "Ich glaube, das alle Tiere, wie ihre Besitzer sind." Stolz auf unsere Hühner, die nicht so blöd sind, wie die meiner Nachbarin und nur phasenweise Eier legen. Unsere Hennen haben Auslauf, sie werden geliebt, sie werden gepflegt. Sie werden sogar gestreichelt. Und nun das. Keine Eier mehr. Sollten unsere Hennen einfach so sein, wie alle anderen? "Al risposo"? In einer Phase des Ausruhens.

Meine Schwiegermutter hat eine Henne, die weiß ist. Sie hat auch einen Hahn. Über den grausamen Hahn hören wir immer schreckliche Geschichten und über die dumme weiße Henne auch. Die Henne fliegt immer weg und legt keine Eier. Mein Schwager hat ihr bereits die Flügel gestutzt, aber auch das hilft nichts. Sie scheint, wenn ich den Erzählung richtig folge, über eine Einzäunung zu fliegen, weil sie ihre Eier dann an unverdächtigen Orten ablegt. Also legt sie doch Eier. Ich glaube ja ein bisschen, dass all dieses Gejammer um die nicht eierlegenden Hennen dafür sorgen soll, dass ich großzügig und mitfühlend meine Eiervorräte teile. Was wirklich nicht besonders aufopfernd ist, denn wir haben viele Eier. Aber nun schrumpft unser Vorrat auf etwa 40 Eier und ich bekomme Angst, ich muss Eier kaufen, bei den Nachbarinnen einen Vorschuss verlangen, oder in jedem Fall sparen. Dabei esse ich eigentlich kaum Eier, um meine Gesundheit nicht zu sehr auf die Probe zu stellen, drei heranwachsende Knaben können allerdings große Mengen an Frittata verzehren. Und MM hat sich den Luxus gegönnt, eine Sachertorte nach einem der zahlreichen Originalrezepte zu backen und hat dafür 12 Eier verwendet. Die Torte war sehr gut, konnte aber nur in homöopathischen Dosen genossen werden. Meine Schwiegermutter spricht immer davon, dass sie das Huhn umbringen wird, tut es aber doch nie.

Und jetzt? Brauchen wir auch einen Hahn? Was ist passiert, warum werden von einem Tag auf den anderen keine Eier gelegt? Es gab keinen Wetterwechsel, das Wetter ist auch eher als mild zu bezeichnen. Da haben die Hühner schon mehr gefroren und dennoch Eier gelegt. Das Futter wurde nicht gewechselt, im Gegenteil, das Kind hat den Hühnern stundenlang Klee zugesteckt und sich daran ergötzt, wie schnell sie diesen verschlingen. Hat sie das verstört, die Hühner? Wollen sie keinen Klee? Wollen sie mehr Klee? Hat das Kind anschließend heimlich die Hühner gequält? Eine blonde Henne betreibt mobbing gegen eine schwarze Henne, eindeutig, das würde erklären, warum die schwarze Henne keine Eier legt? Aber die blonde? MM fragt mich, ob ich den Hennen Wasser gebe. Ich glaube, er verdächtigt mich, Tierquälerei zu betreiben, so wie das Kind verdächtige. MM geht an den Strand um weiße, längliche Steine zu suchen, die schönsten Exemplare legt er ihnen auf den Nistplatz. Nichts. Ein Steinei, wird verächtlich weggeschoben, das andere angeschissen. Wer oder was könnte den harmonischen Alltag unserer Hennen so stören? Sie sind psychologisch verstört, das ist klar, denn unsere wunderbaren Tiere sind nicht wie die anderen, sie sind sensibel, aber nicht in einer Ruhepause. "Wozu braucht ihr eine Ruhepause?" frage ich sie, während sie vergnügt im Hühnerhof herumstolpern. Ich bin enttäuscht, ich gebe es zu. Sie sind wie alle anderen. Ich kann meine Schwiegermutter verstehen. Diese Hennen taugen nichts.

Betrübt fügen wir uns in unser Schicksal. Auch wir haben Hennen, die keine Eier legen. Am Morgen, als das Wetter schön ist, grüße ich meine Nachbarin und wie immer beglückwünschen wir uns wegen dem schönen Wetter. Eigentlich will ich ihr zurufen: Es muss jetzt immer schön bleiben, denn meine armen Hühner haben aufgehört, Eier zu legen, aber ich halte mich zurück. Sie geht gerade selbst ihr Hühnerhaus öffnen, und ich möchte nicht, dass sie mir sagt, ihre Hühner würden aber sehr viele Eier legen und sich womöglich verpflichtet fühlte, mir Eier zu geben.

Am Nachmittag putze ich das Hühnerhaus. Wie immer mache ich einen Rundgang in Gummstiefeln durch den Hühnerauslauf. "Hast du überall geschaut?" fragen MM und ich uns jeden Tag. "Jaja, nichts." Auf dem Grau der Erde liegen ein paar braune dornige Äste, die MM um den Hühnerauslauf abgeschnitten hat, sie sind trocken, grün ist es nur außerhalb der Umzäunung für die Hühner. Da sehe ich plötzlich unter diesen Ästen Eier liegen, perfekt harmonierend mit den graubraunen Farbtönen ihrer Umgebung. Etwas mit Schlamm besudelt, denn schließlich liegen diese Eier hier nicht seit einer Stunde. Es sind unglaublich viele Eier, die da ordentlich zusammenliegen. Eines liegt auf dem Weg.  Ich hebe es rasch auf, bevor ich es zertrete und schaue mich um, es ist als hätte es diese Eier vom Himmel geregnet, was schwer möglich ist. Ich habe Arbeitshandschuhe an und kann meine Hände in den schmalen Hohlraum zwischen den dornigen Ästen und der Erde schieben und hole 28 Eier darunter hervor, die ich in die Schüssel lege, in der der Gemüseabfall war, den ich den Hennen gebracht habe. Meine Laune hebt sich in Lichtgeschwindigkeit. "Ihr seid brave Hennen!" rufe ich ihnen zu und sie kämpfen vergnügt mit den Zichorienblättern, die ich ihnen auf den Boden geworfen habe. Was sie dazu bewogen hat, ihr Nest auszusiedeln, wissen wir nicht, aber ich nehme an, dass sie eigenwillig sind, wie alle Lebewesen und manchmal Abwechslung suchen. Wer weiß, was sie als nächstes vorhaben.

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