Sonntag, 10. September 2017

Nonno Saverio

Meer rauscht. Zikaden reiben ihre Beine. Sommer verschissen. So müde, aber keine Chance auf eine Einlieferung ins Spital und das weiße Nachthemd.

MM steht im Keller. Ich klettere die Treppe hinunter. Er presst die Weintrauben aus. Er sagt: Du kommst mit einem Glas in der Hand, das freut mich. Ich sage, ja, das ist, was man in einem Keller macht.
Gestern hat er die Weintrauben abgeschnitten und ich habe sie mit dem ehemaligen Kind durch eine Weinpresse gejagt. Ich habe sie zerquetscht, aber erst heute wurden sie in dieser pittoresken Weinpresse gepresst.  Es werden über 150 l sein, was mich frohlocken lässt. Es ist ein wunderbarer tiefroter Saft.
Als ich mit dem Weinglas dastehe, weil dieser Keller der einzige Ort ist, an dem wir reden können, weil überall Jugendliche sind, die uns belauschen, über die genau wir aber reden wollen, sagt MM, er müsse an seinen Großvater denken, einen eleganten Mann im Schnürlsamtanzug, der mit zwei Weingläsern vor seinem Keller gesessen sei und alle zum Trinken eingeladen hätte. Sogar der Bus der Linie hätte gehalten und ein Glas mit ihm getrunken. Ich nehme an, nicht der Bus, sondern der Fahrer. Und dennoch hätte er seinen Goßvater nie betrunken gesehen.
Das sind romantische Geschichten von früher.
Ich mag das. Aber gleichzeitig sagt mir Großvater Saverio nichts darüber, was ich jetzt machen soll. Wo die Freundin meines Sohnes von zu Hause weggelaufen ist und im Zimmer des ehemaligen Kindes mit meinem Sohn nächtigt, während das ehemalige Kind im Fernsehzimmer auf einem Sofa schläft.

Das ist auch nicht das Problem. Das Problem ist, dass dieses Mädchen von zu Hause weggelaufen ist und die Eltern sich keine Sorgen machen. MM sagt: sag ihnen, dass sie gut angekommen ist. Aber das sage ich nicht. Denn heute morgen, als ich mit der Mutter mit dem hohen Blutdruck telefoniere, und ihr sage: Bleib ruhig, nichts ist passiert, niemand ist verletzt und niemand hat Entscheidungen getroffen, die nicht mehr rückgängig sind, sagt sie: Doch, mein Mann und ich sind verletzt, uns geht es schlechter als schlecht.

Nein, sie machen sich keine Sorgen um ihre Tochter. Ihre Tochter schläft in den Armen meines Sohnes und das ist ihnen ganz egal. Sie haben, wie sie mir sagen, einen Studienabschluss für ihre Tochter vorgesehen. Sie sagen mir mehrmals, dass sie absolut nichts gegen meinen Sohn haben. Sie sagen das so oft, dass ich sagen muss, das wäre mir auch im Traum nicht eingefallen.

Ich bin auch sehr oft verletzt. Manchmal bin ich unverzeihlich getroffen und es kommt vor, dass ich unversöhnlich bin. Wenn es um Erwachsene geht, ziehe ich Konsequenzen. Wenn es um Jugendliche geht, ziehe ich Konsequenzen, die ich revidiere.

Wenn ich meine, es ist nichts passiert, dann meine ich, niemand ist an einem Drogentod gestorben, niemand hat sich vor einen Zug gestürzt. Es gibt keine Schwangerschaft.

Die Mutter der Freundin meines Sohns fragt mich, ob man sich, für alles, was man getan hat, nicht doch ein bisschen Anerkennung erwarten könne. Ich bin verzagt mit meiner Antwort, ich glaube, ich will ihr nicht die Antwort geben, die ich weiß. Ich sage, vielleicht später einmal.

Ich denke, dass Nonno Saverio das ähnlich gesehen hat. Und ich hoffe, er hätte mir das zweite Glas angeboten, auch wenn ich daran zweifel, denn in Süditalien ist Weintrinken eine Sache für Männer und Familie eine Sache für Frauen.

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