Donnerstag, 10. Dezember 2009

Im Maurerparadies

Unser Haus hat seinen Maurer gefunden. Als er kam, um seinen Lokalaugenschein abzuhalten, schaute ich aus dem Fenster im rosa Zimmer, weil ich eine Stimme hörte, und sah zwei Männer unten stehen. Ich dachte: Die Zeugen Jehovas kommen sogar bis hierher. Ich kann mir bis heute dieses Assoziation nicht richtig erklären, es muss etwas mit der Stimme zu tun haben, mit dem Insistierenden, dem Milden, dem unsäglich Geduldigen. Er sieht mich und erklärt, dass ihn der Architekt geschickt hat. Geduld habe ich ja wenig, vor allem in den Tagen vor der Fertigstellung meiner Arbeit und ich sage gereizt, mein Mann sei im Garten. Ja, sagt er, das Kind sei ihn schon holen gegangen. Das Kind. Die Art, wie er diese Worte ausspricht, lassen mich zwar immer noch an die Zeugen Jehovas denken, aber irgendwie ist es rührend. Als ich mich dann doch von meiner Arbeit wegreiße, um ihm entgegen zu gehen, sagt er, er könne das Haus auch alleine besichtigen, aber es sei gut, wenn wir hier seien, so könnten wir ihm helfen. Damals, vor fünf oder sechs Wochen, war ich leicht irritiert über dieses Wortwahl, aber heute, etwa vier Wochen, nachdem seine Firma angefangen hat, unser Haus zu verändern, weiß ich, dass unser Haus eigentlich seines ist, bis er sich entschließen wird, es uns wieder zu geben. Das ist gut für unser Haus und allen Menschen, die ein Haus bauen oder renovieren ist ein Maurer wie unserer zu wünschen.
Bei diesem Lokalaugenschein ist mir auch der Bezug zu dem anderen Mann aufgefallen, viel jünger, sein Sohn, wie sich später herausstellte, den er auf seine insistierende Art einband - da gibt es doch dieses Material E 768 nicht wahr Giovanni?.
Sein Kostenvoranschlag war höher als der seines Konkurrenten, aber der Architekt und ich taten alles, jeder auf seine Art, um ihn zu engagieren, denn es war uns beiden wohl klar, dass er eine kongeniale Verbindung im Wahnsinn mit meinem Mann eingehen würde.
Ich habe dabei aber nicht gedacht, was für eine umwerfende Wirkung dieses Engagement für mich haben würde: wenn ich ihn sehe, geht die Sonne auf. Ich habe noch nie in meinem Leben jemanden mit derartiger Liebe arbeiten sehen.
Die Arbeit an unserem Haus ist anspruchsvoll, schwierig und birgt jede Menge unerfreulicher Überraschungen. Rund ums Haus wurde aufgegraben und die Wände wurden isoliert, seit Wochen sind wir ohne Wasser, wir stolpern über Schutt, Schutt, Schutt, wo einst der pittoreske kleine Garten war, steht nur noch der Zitronenbaum trotzig, der einzige, auf den ich bestanden habe, ohne den der kleine Bagger viel leichter hätte arbeiten können, wie mir mehrfach versichert wurde. Und dennoch ist in all dieser Zerstörung etwas Erfreuliches. Das was früher war, was mir so gefallen hat, fehlt mir zu meiner Überraschung nicht, alles was unser Maurer mit seinen Mitarbeitern macht, gefällt mir, vom Verputz bis zu den Wänden, die aufgezogen werden. Alles passt. Ich bin überwältigt. Ich hätte nie gedacht, dass Maurer so insirierende Menschen sind.
Die geheime Passion unseres Maurers sind, glaube ich, Steinwände. Deshalb passt er auch zu meinem Mann, denn dass jemand verputzte Mauern für Geld freilegen lässt, das muss man erst mal verstehen. Aber ihm, dem Maurer, geht es um Außenmauern. Letztens habe ich gesehen, wie er auf einer anderen Baustelle an einer Steinmauer arbeitete, mit absoluter Hingabe. Ein Stein wurde auf einen anderen gesetzt, als wäre er aus Glas, der ein Baby, das man vorsichtig wiclen muss. Ich starre auf seine Hände, wenn ich ihn sehe, und ich möchte ihm egentlich nur die hand geben, das kann eigentlich nicht so schwierig sein und doch ergibt es sich nie, weil er immer schon was anderes in der hand hat, wenn wir uns begegnen. Heute war die Steinmauer fertig und ich habe erfahren, dass er bei uns um die Erlaubnis gebeten hat, den Kostenvoranschlag für eine Steinmauer zu unterbreiten, anstlles eines mit Steinen gefüllte mGitter, das wir zur Absicherung einer Wegs verwenden wollten. Ich gebe zu, dass ich keine Wege für Autos machen will, dass mich Parkplätze nicht interessieren und auch nicht, wo die Nachbarn ihren Wagen wenden sollen, um nicht vor unsere Garage zu fahren. Ich denke, von mir aus sollen sie vor meine Garage fahren, allein die Tatsache eine Garage zu besitzen, finde ich sehr verwirrend. Zu meinem Glück besitze nicht ich sie, sondern die Bank, die uns einen Kredit gegeben hat, aber das weiß ja niemand.
Ich denke daran, was ich zu Mittag und zu Abend koche, um meinen Kindern zu helfen, größer zu werden als ich, und mein Mann denkt an die Zukunft, in der keine Autos vor unserer Garage wenden, in der wir aus großen Glasfronten aufs Meer schauen und in der wir drei Badezimmer haben, was sicher zwei zu wenig sein werden.
In diesen Tagen des Schutts und des Hämmerns und der Pressluftbohrer fällt alles leicht. Weitgehend allein ernte ich 230 kg Oliven mit dem enttäuschenden Resultat von 28 Litern Olivenöl. Was zählt ist, geerntet zu haben. Jeden Tag aufs Neue auf alle erdenklichen Arten ganz allein die Oliven ins Netz befördert zu haben. Auch die Tomaten, die wir erst im August gepflanzt haben, werden jetzt rot, während alle anderen Nachbarn bereits umgegraben und Saubohnen gepflanzt haben. Venite pomodori, piccoli tesori.
Ich selbst möchte durch den Süden ziehen und Oliven ernten, meinen Kindern wünsche ich, Maurer zu werden, meinem Maurer wünsche ich, dass er nie den Kern seiner Lust verliert.
Únd wenn ich von diesen Gedanken beseelt unseren Hügel hinunter fahre und Autos begegne, deren Fahrer mich alle grüßen obwohl ich nicht weiß, wer sie sind, dann freue ich mich besonders über einen Beinahe-Zusammenprall mit einem kleinen Lastwagen mit freundlichen Jungs darin, die stoisch zurückschieben. Und zwar deshalb, weil es hier Jungs gibt, die arbeiten können. Die sich mit dem eigenen Geld kleine Motorräder kaufen und keine Mercedes haben, von denen sie nicht wissen, wie sie bezahlt wurden.

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