Mittwoch, 23. Dezember 2009

Rosen und Pyjamas

Als ich noch regelmäßig zu unserem neuen Haus fuhr (als es noch ein Klo gab und keine Maurer meine Arbeit störten), versuchte ich das Leben aller Nachbarn zu beobachten und Schlüsse für mich daraus zu ziehen. Von der Strada statale biege ich auf unsere Hügelstraße ab, nach der Hügelstraße, die durch verschiedene Ortsteile führt, biege ich auf die Straße unseres Ortsteils ab und von dieser Straße in eine noch kleinere Straße, die zu unserem Haus führt. Obwohl man denkt, man sei nun in the middle of nowhere, begegnen einem hier durchaus Autos, die alle schon wissen, an welcher Stelle man wohin zurückschieben muss, damit das andere Auto vorbei kommt, dessen Fahrer dann ernsthaft dankbar hupt.Manchmal begegnet einem auch der uralte Traktor unseres uralten Nachbarn, der fidel rauchend mit seiner gar nicht uralten Frau von seinem Tagwerk nach Hause fährt. Besonders das Haus beim Einbiegen auf diese letzte Straße regt an. Dort scheint eine Frau alleine zu leben und ich beobachte, was sie macht, ohne sie je zu sehen. Am Ende des Sommers trocknen die Feigen auf Gittern vor den Fenstern, da sind noch ein paar Tomaten an den Sträuchern, deren Blätter schon vertrocknet sind und dann sehe ich die Paprikaschoten, die wiederum ein paar Wochen später zum Trocknen aufgehängt sind. Dann wird umgegraben, die Rosen fallen mir auf, die in all ihrer roten sonnigen Pracht doch nicht von den weißen Pyjamas ablenken können, die von der Wäschenleine baumeln. Danach sind Brokkoli und Kohl dran und trotzige Lattuga.
Sicher ist es gut, die Leute nicht zu kennen und sich Illusionen machen zu können über alles und alle und gleichzeitig ist das wenige, das ich weiß, besser als jede Vorstellung. Eine drahtige Nachbarin ist das Idol von MM, weil sie mit einem Traktor im Rückwärtsgang eine enge Straße hochfährt, während hinten ihre Mutter mit dem schwarzen Kopftuch erfreut die Beine baumeln läßt. Der 13-jährige Sohn unseres Nachbarn ist zwar in der dritten Klasse Mittelschule sitzen geblieben, dafür ist er italienischer Meister im Organetto-Spiel, einer Art kleiner Ziehharmonika, mit der man auch den Sohn unseres Obermaurers auf you tube besichtigen kann. Der schöne Mann im Audi, den ich jeden Morgen neben seiner noch schöneren Tochter den Hügel runterfahren sehe, ist der Sekretär der lokalen Gewerkschaft. Worüber ich jetzt nicht nachdenken will. Ein anderer relativ gut aussehender Mann ist der Chefkoch eines Nobelhotels in der Gegend. Zum Glück gibt es auch die weniger schönen, die täglich ihre Ziege ausführen, den zahnlosen Vater der Jungs, die im Sommer ein wenig geholfen haben, unseren Garten von Unrat zu befreien, unsere augenscheinlich normalen Nachbarn, die den Schulbus fahren und reiche Haushalte pflegen (wer weiß, was die noch für verborgene Talente haben), die Damentruppe über uns, die vormittags den kleinen Sohn/Enkel/Neffen anschreit sowie die Mutter unserer Vorbesitzerin, die immer seltener vorbeikommt,wahrscheinlich kann sie unseren Zerstörungswahnsinn nicht mitansehen.
Mehr als zehn Jahre haben wir auf einem anderen Hügel gelebt und haben nur wenige Menschen kennen gelernt. Auf unserem neuen Hügel leben wir noch gar nicht und kennen schon so viele Menschen, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben denke, ich muss allen Weihnachtskeks bringen. Der Sohn des Obermaurers fragt, ob wir wohl am 25. Dezember dort seien, von wegen Weihnachtswünschen. Ich bin sehr überrascht, habe ich ihn doch bisher für einen Androiden gehalten.
Aber wahrscheinlich träumen Androiden nicht nur von elektrischen Schafen sondern auch von a very merry christmas (and what have you done?).

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