Dienstag, 12. Juni 2012

Manifesto # 1

Auch wenn es meine Freundin nicht gerne hört: in einem meiner favourite american blogs steht zu lesen: "want what you have." And yes, I do.
Am 9. Juni, Tag des offiziellen Schulschlusses, weihe ich hochfeierlich die Badesaison ein. Das Meer ist noch ein bisschen kalt, aber es lohnt sich. Ich sage: Was bekomme ich, wenn ich zehn Minuten schwimme? MM sagt: Das tust du nie. Der 14-Jährige sagt: Einen Tag Erholung. Ich sage: Wie geht das? Er sagt: Wir helfen dir. Ich denke: Hilfe. Ich stürze mich ins leicht bewegte Meer. Es geht. Ich schreie wie der russische Tennisstar Sharapova: "AAAHHHH!" Meine Kinder mussten sich gar nicht überwinden, aber MM liegt trocken wie ein Wurm am Strand.
Ich schaue auf die Häuser am Hügel, unseres sieht man nicht, es gibt nur einen Punkt, von dem aus man es sieht, an einem Rand des Hafens. Man sieht alle anderen Häuser und obwohl ich manchmal von Eifersucht verzehrt war, beneide ich sie alle nicht mehr: Die Frau, die in dem Haus mit der allerbesten Aussicht wohnt, hat seit 14 Jahren keinen Zeh mehr ins Meer gestreckt, wie sie mir vor kurzem mitgeteilt hat. Das regt mich sehr zum Nachdenken an.
Dann gibt es da das Haus des Obermaurers, ebenfalls mit genialem Ausblick. Und wo ist er? In den letzten Tagen habe ich ihn zwei Mal nach oben fahren sehen, ich glaube dort, ganz oben, besitzt er ein Stück Land, das er bebaut. Er winkt mit diesem verklärten Lächeln, wenn man genau schaut, kann man noch den Heiligenschein sehen. Seine Frau schaut finster. Wahrscheinlich würde sie auch lieber ins Meer springen, als die Tomaten zu häckeln.
Danach kommt das Haus, in dem die Eltern von einer Freundin von mir leben. Als ich sie dort einmal aufsuche, bin ich geschockt von dem Weitblick über die Küste, den man von dort aus genießt. Ihre Mutter ist zuckerkrank und vor einem halben Jahr wurde ihr das Bein amputiert. "Aber sie hat einen schönen Blick aus dem Fenster", sage ich zu meiner Freundin, die eine Mutter im Rollstuhl hat. "Ja, aber sie schaut nicht aus dem Fenster, sie schaut nur in den Fernseher, " antwortet meine Freundin.
Ein paar Häuser mit geilem Blick stehen leer. Voghera heißt der Ort, wo die meisten Ausgewanderten sind.
Die Kinder versuchen, im Sand einen Salto mortale rückwärts. Ich ziehe meinen Badeanzug aus und einen Bikini an, noch sind wenig Menschen am Strand und solche Aktionen sind nicht mit Muskelkrämpfen verbunden. "Mir fehlen die Felsen!" sage ich zu meinem großen Sohn, einem eigentlichen Schwimmer, so wie das Kind ein eigentlicher Tänzer ist. Der Strand, an dem wir bis jetzt immer waren, ist irgendwie abgesackt, aber wer will sich in Zeiten von Erdbeben schon über ein Stück  verschwundenen Strand beklagen?
Von hier aus sieht man ein schönes altes Haus mit zwei Palmen davor und nicht das hässliche Spital, das dahinter liegt.
Wir fahren nach Hause und dort, wo man vom Strand nicht hingesehen hat, stehen Compa' Mario und Vincenzo mit ihren Schafen und Ziegen. Compa' Mario hat irgendwie eine Art weibliche Brüste, ich denke das Wort Hermaphrodit, wenn ich ihn sehe und meine Kinder grinsen blöd. MM sagt zu Vincenzo, dass wir, nämlich ich und die Kinder, eine riesige Schlange gesehen haben, dort, wo er jetzt ist und Vincenzo sagt: "Jaja, das ist möglich." Eh klar ist das möglich, wir haben das Trumm ja gesehen, sie war so groß und so schwer, dass sie auf ihrem Rückzug über die Felsen fast wieder nach untern gekippt ist.

want what you have, oh yes. Ein verlockendes Meer, ein heiliger Obermaurer, ein paar Schlangen und all das, was die einen nicht sehen wollen und die anderen nicht sehen können.

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