Mittwoch, 2. Januar 2013

2013 mit Bert Brecht

In den letzten Wochen und dann nur mehr Tagen hab ich wieder einmal die Welt nicht verstanden. Nicht nur, dass man alles unter Dach und Fach für ein Weihnachtsfest haben soll, soll man auch einen ruhigen Advent verbringen. Schon mal eine Quadratur des Kreises, wenn man bedenkt, dass alle in diesen letzten Tagen vor Weihnachten noch ihre lang vorbereiteten (und auch nicht im Sommer begonnenen) künstlerisch wertvollen Aufführungen machen und im geringsten Fall einfach in der Schule singen (damit das Gesù Bambino geboren werden kann, wie die Italienischlehrerin des Kindes es leicht geschwächt ausdrückte). Die Charles Dickens Aufführung der großen Kinder war ein wirklicher ungeschmeichelter Erfolg und der Erfolg der Kinder als Sänger und Darsteller und vor allem als Mädchenhelden ganz real. Meine Beanspruchung davor auch. Dazu sagt man Stress, heutzutage.
Das wirklich Unerbittliche aber ist, dass man, ist Weihnachten einmal vorbei, nicht einmal Luft holen kann und schon muss man Blei gießen, um das nächste Jahr positiv zu interpretieren. Den Programmpunkt mit dem Blei haben wir diesmal ausgelassen und den mit dem Sekt auch. Wir haben schlaftrunken ein Feuerwerk aus dem Zug aus gesehen, in der angeblich sehr hübschen Stadt Villach, im österreichischen Bundesland Kärnten. Ich betone das, weil meine Kinder nach dem Weihnachtsferien eine Prüfung in Geografie zum Thema Österreich ablegen müssen und ich betone nun alles, was mit Österreich zu tun hat.
Der Betrug an diesem Jahresende und nicht nur diesem ist, dass unter dem lauten Plopp der Sektkorken und dem beruhigenden Geglitzer der Christbaumkugeln untergeht, dass in meinem Postkasten alle Jahresabrechnungen liegen, die ausgeglichen werden sollen und kaum jemand will mir dabei einen Überschuss auszahlen und nächste Woche alle Mitgliedsbeiträge beglichen werden sollen, die sich auf das neue Jahr beziehen. Diese beiden Monate sind mit Abstand die teuersten im ganzen Jahr. Heute Nacht habe ich schon sehr kindisch davon geträumt, dass Beamte des italienischen Fernsehens Rai hier in unserer ländlichen Gegend Fernsehkonsumenten suchten, die noch nicht den Mitgliedsbeitrag bezahlten. Peinlicherweise habe ich ihnen im Traum gleich gesagt, dass ich zahle, wahrscheinlich wollte ich verhindern, dass sie in mein ungeputztes Haus kommen.
Und in dieser kurzen Zeit, die mir im Monat Dezember zum Denken geblieben ist, habe ich es weder geschafft, das letzte Jahr Revue passieren zu lassen und meine Schlüsse daraus zu ziehen, noch das neue Jahr zu planen und wenn schon nicht gute Vorsätze zu machen, dann doch immerhin mir das eine oder andere Ziel zu setzen. Derer gäbe es ja viele, man müsste sie nur in den richtigen Rahmen stellen.

Ein Ziel ist jedoch gewiss und dazu braucht es kein neues Jahr: ich will mehr schlafen, denn ich krieche, wie man bei mir zu Hause, also in dem Viertel, in dem ich aufgewachsen bin, sagt: am Zahnfleisch daher. Meine Mutter verwendet solche Ausdrücke nicht, dabei sind sie sehr bildlich. Ich bin also sehr müde und manchmal weiß ich nicht mehr was ich gerade tun wollte. Das heißt glaub ich auch Stress.
Und diesen Vorsatz versuche ich jetzt gleich zu realisieren, solange die Schule es mir noch ermöglicht und sofort sprießen kleine grüne Blättchen dort, wo nichts mehr hängt, oder Eiszapfen baumeln. Mein erstes grünes Blättchen sind drei Worte, die mir beim Aufstehen (endlich ausgeschlafen, zum ersten Mal seit einigen Jahren) in den Sinn kommen und sie stammen von Bert Brecht: Tanzen, Singen, Freundlich Sein. Ich weiß, sie stammen aus dem Gedicht "Vergnügungen" und zeigen eine weiche Seite vom Brecht. Ich behaupte das jetzt jedenfalls. Oder hat er Lesen, Singen, Freundlich Sein geschrieben? Nein, ich schau das jetzt nicht nach, nein. Für mich sind es jetzt die drei. Immense Herausforderungen, denn getanzt wird mit dem Körper der Dattilografa ja nicht mehr, wie sie beschlossen hat (und dann zur Über-90-jährigen Party eingeladen wurde oder zum Zumba - NEIN!), aber vielleicht findet sich noch eine Alternative zur überwuzelten Möchtegern-Discoqueen. Im übrigen bleibt mir immer noch die Tarantella. Zum Thema Singen fällt mir auch was ein, aber jetzt muss ich die Kinder wecken und dabei versuchen freundlich zu sein. Und wenn sie beim Frühstück sitzen, schau ich nach, ob der Brecht wirklich getanzt hat.

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