Dienstag, 11. Mai 2010

nach Hause telefonieren

Wenn ich das Mobiltelefon von MM anwähle, dann kann es passieren, dass gleich mein kleiner Sohn dran ist. "Mamma!" sagt er weinerlich mild, "mi manchi tanto!" "Du mir auch, mein Schatz, aber in 9,7,6,5, je nachdem Tagen komme ich. " Dann muss er Tage zählen, was lange dauert, zu lange, also sagt er: "Kann ich dir was vorsingen?" "Klar!" sage ich. Er beginnt, hält inne. "Kannst du am Ende applaudieren?" "Ja, sicher." Dann singt der achtjährige Knabe mit Inbrunst ein Lied, bei dem es um Eifersucht und Einsicht geht. Dazwischen gibt es eine Pause (in der man bitte nicht fälschlich klatschen soll) und dann kommt: esplode il cuore, distante anni luce fuori da me. Diesen Teil hab ich immer schon merkwürdig gefunden, die Vorstellung, dass ein Herz explodiert - das finde ich nicht schön. Aber das Kind singt schön und dann applaudiere ich. Das Telefon wird augenblicklich an einen großen Bruder weitergegeben. Aber der eine kann nicht, der wäscht ein Auto, also der Rallyefahrer (außer Atem): Ciao Mammina!
D: Ciao Amore, was machst du?
R: Ich spiele Samurai!
D: Mit wem?
R: Alleine.
D: Womit?
R: Mit dem Schwert von Zorro, das du mir gekauft hast.
D: denkt: armes Kind, er bräuchte ein Samuraischwert, mit dem Plastikzeug kann er doch kein Samurai sein. Sagt: Aha.

Dattilografa und der Rallyefahrer sprechen über das nicht angekommene Geschenk der Großmutter und die Pasta al forno, die der Papa kocht (in den Ofen schiebt, die hat nämlich Nonna gebracht), in aufzuckender Eifersucht stelle ich mir vor, wie MM ALLEINE Teigmuscheln mit Ricotta und Spinat füllt, unser gemeinsames Sonntagsvergnügen, bei dem wir uns in Gleichklang bringen und uns wie Marathonläufer fühlen, wenn wir zwei riesige Pfannen vollfüllen. Ich glaube, am besten gefällt MM an unserer üppigen Familie, dass man immer viel kochen kann.

Dann kommt der Autowäscher, der sich ein bisschen wie Jesus vorkommt und beide Autos vom Wüstensand befreit hat. Kurz angebunden am Telefon wie immer. Mir schwant Böses. Sicher Pubertätsschübe. Hoffentlich reg ich mich nicht gleich nach meiner Ankunft auf.

Meine vorübergehende Heimkehr steht unmittelbar bevor, das merke ich daran, dass meine Aufmerksamkeit wieder normale Dimensionen annimmt und ich nicht ausschließlich mit dem Überleben beschäftigt bin.
Heute morgen beim Frühstück konnte ich im Hotel dem Gespräch einer Damenrunde lauschen. Sie sprechen italienisch, aber ich glaube nicht alle Damen sind echte Italienerinnen. Eine laute Stimme fragt: Hast du die Menstruation? Meine Teetasse bleibt in der Luft stehen. Wie bitte? Ich meine, ob du noch menstruierst oder ob du Hormontabletten nehmen musst. Mauschel mauschel mauschel, dann wieder die laute Stimme: Aber die machen doch Krebs! Mir sinkt der Mut.
Ich will ja nicht neugierig sein, sagt die mit der lauten Stimme, aber...in diesem Moment kommt der wichtigste Mann meiner Arbeit und stört meine Tätigkeit als Belauscherin. Beim Rausgehen werfe ich einen raschen Blick auf die Damen. Vielleicht besuchen sie ja einen Konversationskurs zu aktuellen Themen. Ich würde nie einen Satz sagen, wie: ich will ja nicht neugierig sein. Ich bin wahnsinnig neugierig und es fällt mir schwer, keine Fragen in belauschte Gespräche einzuwerfen.

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