Sonntag, 16. Mai 2010

out italy

steht auf dem Plastikband auf meinem Koffer. Unglaublicherweise bin ich wieder in den deutschsprachigen Raum zurückgekehrt und meinen Koffer hab ich auch. Lust zu arbeiten habe ich keine.

Selten habe ich Italien so geliebt, wie bei diesem intensiven Kurzbesuch. Selten habe ich so wenig Zeit gehabt, mit MM zu sprechen, wie in diesen Tagen. Er hat die Zeit meiner Anwesenheit genutzt, um selbst zu arbeiten. Ich gestehe, dass ich von drei Mal Kinder abholen zwei Mal zu spät gekommen bin, einmal, weil ich die Zeitabläufe nicht mehr einschätzen konnte und zu spät aus dem rosa Zimmer geeilt bin, einmal weil vergessen hatte, dass die Schule am Samstag um 12:45 endet und nicht um 13 Uhr. Auweia. Da alle Lehrer noch versammelt waren und mich fragten, wie es mir gehe, während meine Kinder enthusiastisch endlich ins Auto springen konnten, fragte ich auch höflich, wie es der Schule gehe. "Wir verteidigen uns", sagte der Mathematiklehrer, Maestro Michele. Das hat mir gefallen. Die Mathematiklehrerin hat mein Sohn, der zukünftige Rallyefahrer, in einer der unzähligen von ihm getätigten Personenbschreibungen mit ebenso violetten Haaren wie Kleidern beschrieben, womit er völlig recht hatte, wie ich feststellen konnte. Eine attraktive Frau, ich neige dazu, sie zu bewundern. Aus der Ferne. Aus der Nähe betrachtet das alles MM und ist am Rande des Amoklaufs. Vater mit Pumpgun in Schule. Motiv: wiederholte Änderung des Stundenplans für den Nachmittagsunterricht ohne Vorankündigung.

Unser Haus, unsere Baustelle hat immer noch einen erotischen Effekt auf mich. Ich stehe vor den riesigen Fensterflächen und alles ist ganz still. Keine Maurer hämmern, man hört nur die Vögel zwitschern, den Fluss rauschen und meinen Atem. Ich höre mich schnaufen, so unglaublich finde ich diese Neuigkeit. Ich bin zutiefst zufrieden darüber, dass ich das alles noch so mag. Im rosa Zimmer ist es fast dampfig heiß und es scheint schon ganz lange her, dass ich dort in der Winterjacke mit der Mütze auf dem Kopf schrieb, der Obermaurer an der Tür klopfte und irgendwelche Auskünfte bezüglich Badewannen wollte.

Mit Stefanos Hilfe ist ein respektabler Gemüsegarten entstanden, ich knipse etwa zehn Kürbisblüten ab und denke, das habe ich doch eben erst getan, mit den letzten, im November, und jetzt sind die ersten Blüten schon wieder da, ist der Winter wirklich vorbei?

Am Donnerstag fahre ich viel mit dem Auto hin und her und meine Nervosität wächst, denn einer fehlt zum Appell - wo ist der gehende Mann? Ich fühle mich verlassen, so als hätte man den halben Ort, den ich so mag, weggesprengt, als würde es nun für immer regnen auf meiner Straße. Es ist klar, dass er nicht ein Jahr lang gehen kann, rede ich mir ein, es wird etwas anderes kommen.
Am Freitag nachmittag, als ich (zu spät) mit dem Kind auf dem Rücksitz von einer Schule zur anderen fahre, sehe ich ihn schon von weitem, wie eine bekannte Fata Morgana: er setzt sich eben an einen Tisch einer Bar am Straßenrand. Nicht der schönste aller Orte, aber es scheint sich um seine Stammkneipe zu handeln, denn dort habe ich ihn schon öfter gesehen. Er ist ganz in schwarz gekleidet und auf eine Art privat, ohne Jacke und ohne Rucksack. Tiefe Zufriedenheit breitet sich in meiner Brust aus, wie eine warme Flüssigkeit. Ich bin beruhigt, die Grundfesten meines Lebens sind vorhanden. Meine Kinder sind gesund und lachen viel, mein Auto funktioniert, unser Haus steht noch und im Garten wachsen etwa hundert Pflanzen Lattugasalat. Der Schnittlauch ist wieder aufgetaucht. Und am Tag meiner Abreise leisten MM und ich uns den Luxus, beim Frühstück miteinander zu sprechen. Seine Arbeit zu kennen, meint MM, sei etwas anderes, als sie zu können. Wer gut arbeite, erneuere die Arbeit ständig. Schön formuliert. Eine halbe Stunde später schreie ich ihn aber bereits an, denn ich schaffe es nicht, ein Dokument auszudrucken, weil mein Computer anders (für die Arbeit, grrr!) eingestellt wurde und MM findet, ich soll das lassen und ich finde, er soll mich nicht schlecht behandeln. Ich habe drei Minuten Zeit zu duschen, weil meine Kinder sich freundlicherweise in der Küche die Zähne putzen. Das alles wird in unserem neuen Haus mit den drei Badezimmern nicht passieren. Auch wenn wir nach einem Kostenstand einsehen müssen, dass wir das begehrteste Element aller Erneuerungen weiterhin entbehren werden: wenn wir im nächsten halben Jahr auch essen wollen, werden wir auf den Holzboden verzichten. Ich sehe mich heldinnenhaft überall Fleckerteppiche auflegen. Es ist mir egal, dann muss ich mich wenigstens nicht vor Housewarmingpartys und Kinderfesten fürchten, bei denen Chips in den nagelneuen Boden eingetreten werden. Und wenn wir uns dann den Holzboden leisten können, machen wir das Holzbodeneinweihungsfest und rutschen alle mit Filzpatschen herum.

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