Dienstag, 4. Mai 2010

Die Liebe in den Zeiten der Cholera

Wie lange ist es her, seit mir mein Freund, der Schriftsteller, dieses Buch ans Herz gelegt hat? Zwanzig Jahre? Gelesen habe ich es vor vier Jahren mit Inbrunst und einem Gips am Unterschenkel. Ein Achillessehnenriss, zwei Monate Gips, 70 Antithrombosespritzen und anschließend zwei Monate Physiotherapie - dann schon mit hundert Jahre Einsamkeit in der Tasche. Schuld war ein ausgelassener Sprung bei "Help me Rhonda" von den Beach Boys. Zwischen der Liebe in den Zeiten der Cholera und den hundert Jahre Einsamkeit lagen ehrlicherweise ein paar Wallandergeschichten. Den kurz danach entstandenen Film "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" habe ich mir nicht angeschaut und ich hoffe, es wird mir nie zufällig passieren.

Warum fällt mir das ein? Weil ich einen Moment normales Leben lebe, das heißt, Zeit habe, zu erkennen. Nach 17 Arbeitstagen ohne Unterbrechung mit wenigen Stunden Schlaf liegt ein Tag abseits der Routine vor mir, eingeleitet von der Fahrt im Regen mit einem sportlichen BMW, den meine Kinder lieben würden. Ich denke an die Liebe in den Zeiten der Cholera, weil es darum geht, auszuhalten und weil es um die Libido geht, die Kraft, die es uns erlaubt, auszuhalten. In meiner Arbeit bin ich on the edge. Heute morgen stehe ich nach dem zweiten Mal vier Stunden Schlaf vor dem Spiegel und ich möchte heulen. Wozu das alles? Ich rette hier kein Menschenleben. Und ich liebe meine Arbeit nicht und auch keinen Menschen, der damit verbunden ist. Aber etwas Anarchisches schleicht sich ein, ich tue, was ich tun muss und es ist okay. Eine Frau, mit der ich ein paar Tage gearbeitet habe, schreibt: Danke für deine Freundlichkeit und deine Engelsgeduld. Ist das die Geduld von Florentino Ariza, während derer ihm langsam die Zähne ausfallen?

Als ich im geborgten Sport-BMW durch den Regen fahre kommt die Lösung wie so oft aus dem Autoradio. Heute von Tina Turner: I'm your private dancer, I dance all for money, I do what you want me to do.

Der Rallyefahrer ist heute elf Jahre geworden und es ist mir erst um halb neun Uhr abends eingefallen. Gerade noch rechtzeitig. MM hat es geschafft, 1600km entfernt, eine Torte zu backen. MM is a star, er zeigt den Kindern lustige Videos auf youtube und der kleine Sohn singt schon seit längerer Zeit nur noch ins Telefon. Er singt meine Lieblingslieder (Noemi, per tutta la vita zum Beispiel)von Anfang bis Ende und perfekt. Dann sagt er: Ich geb dir Papa.

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