Dienstag, 17. Januar 2012

Papa, mi sono fidanzato!

Der Rallyefahrer, der mit 12 Jahren zum Latin Lover mutiert ist, verkündet vor ein paar Tagen beim Abendessen lächelnd. "Papa, ich habe mich verlobt!"
Erst denke ich, wieso er das dem Papa sagt, und nicht mir, der liebenden, immer interessierten Mutter. Dann fällt mir ein, dass der Papa täglich fragt, wie es den Verlobten geht. Bis jetzt war die Antwort grummelig stets:"Ich habe keine Verlobten." MM und der Rallyefahrer tauschen irgendwelche Infos auf Latin Lover Art und ich höre mich sagen: "Weißt du, dass man, um verlobt zu sein, auch miteinander reden muss?" "Sicher!" grinst der Rallyefahrer. Später denke ich, ich bin grausam. Ich hätte auch sagen können: "Das freut mich für dich, liebes Kind. Ich gratuliere dir!"

Immerhin frage ich nach ein paar Tagen nach: "Na, bist du noch verlobt?" Der Rallyefahrer antwortet eifrig: "Komisch, seit ich verlobt bin, sehe ich sie nicht mehr, sie ist wie vom Erdboden verschluckt!"
Außerdem möchte er bitte Flöte üben und ärgert sich über sich selbst, weil er "Montagne verdi" nicht gut spielen kann. Mir ist das zutiefst suspekt. Der einzige Ehrgeiz dieses Kindes im Körper eines Heranwachsenden lag bis vor kurzem ausschließlich darin, ein höheres Niveau in einem Video-Spiel zu erreichen, oder einen tollen Stecken zu haben, um als Van Helsing gegen Heerscharen erfundener Feinde zu kämpfen.

Sein großer Bruder hingegen, der irgendwann vibrierend mitteilte, dass er es kaum erwarten könne, sich zu verlieben, fühlt sich häßlich. "Ich gefalle den Mädchen nicht."

Einmal, als wir nach dem Break Dance aus der Tanzschule kamen, war Elisa, damals des Rallyefahrers Bankkollegin in der Klasse, auf dem Weg in die Tanzschule. Sie und der große Sohn stießen auf dem Gehweg fast zusammen und sie blickte von unten zu ihm hoch. Sie lächelte und senkte gleich den Blick wieder. Meinen Sohn sah ich nur von hinten, aber die elektrisch geladene Luft erreichte mich.

Sehr viel früher in meinem Leben, als ich mein Geld noch nicht für Jazz Pants Hosen für Neunjährige und Stickers für das Unesco-Welterbe Sammelalbum ausgab, sondern für einen wirklichen Therapeuten, sagte dieser, nachdem ich ihm von einer verunglückten Liebesnacht berichtet hatte: "Du hast also mit ihm geredet, anstatt mit ihm zu schlafen?" Er war sichtlich entsetzt. Er war auch bioenergetisch ausgebildet.

Viele Jahre lang habe ich gelaubt, damals einen unverzeihlichen Fehler begangen zu haben. Typisch: Reden und nicht Handeln! (Im konkreten Fall glaube ich allerdings ohnehin, nichts verpasst zu haben.)

Das, was ich allerdings in diesen langen Jahren begriffen habe, ist: Ich bin halt so. Ja, so war das. Ich hätte lieber mit dem bioenergetischen Therapeuten geschlafen, aber das tut man in einer Therapie nicht.

Ich finde, dass Verlobte miteinander reden sollten, aber der Rallyefahrer sieht das vielleicht anders und wenn ich etwas gelernt habe, mit oder ohne Therapeuten, dann das: Das ist ok. (Falls ich es vergessen solltes, wer erinnert mich daran?)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen