Die letzten Wochen waren vom Schulschluss, dem damit einhergehenden Wahnsinn und den anschliessenden Ferien bestimmt. Die Ferien dauern bereits eineinhalb von vierzehn Wochen, wieviel Prozent sind das? Da ich mich nach meiner Rückkehr wie eine Vietnam-Veteranin fühlte, die nichts erschüttern kann, nahm ich alle Attacken der Schule gelassen: Mamma, um halb drei müssen wir wieder in die Schule, den Tanz üben - Mamma, morgen ist übrigens keine Schule - Mamma, am Samstag gehen wir Fussball spielen. Wann? Am Vormittag? Am Nachmittag? - Buh? Keine Ahnung.
Ergreifendes Ende aller Unsicherheiten: 1) Schulaufführung, 2) Jugendspiele.
Während der wie immer quälenden Schulaufführung habe ich einen Kloß im Hals - nächstes Jahr werden meine Kinder in der fünften Klasse, der letzten Volksschulklasse in Italien sein und sie werden ein quälend langes Stück einstudieren, sowie englische Sketches wiedergeben, die kein Mensch versteht.
Bei den Jugendspielen trägt unser Sohn die Fahne der Vereinten Nationen und alle Kinder singen die italienische Hymne. Dabei legen sie die rechte Hand auf die Brust. Damit habe ich nicht gerechnet. Unser fahnentragendes Kind legt die Hand unter das Herz, vielleicht schmerzt seine Milz.
Unsere Lieblingsministerin, la Gelmini, die mit ihrem kleinen Vorschlaghammer alle Bildung zertrümmert, beginnend bei der Primarschule und bei der Universität endend, denkt darüber nach, dass die Kinder vielleicht erst im Oktober wieder mit der Schule beginnen könnten. Das halte ich für eine produktive Idee. Bei vier Monaten Ferien kann sich auch die tapferste Frau keinen Babysitter leisten, und macht endlich ihren Arbeitsplatz frei.
Unsere Kinder verbringen ihre Ferien zur Zeit im Auto und fahren mit uns an unseren jeweiligen Arbeitsplatz (solange wir noch einen haben). Dort werden sie vor den Fernseher gesetzt. Heute haben sie den ersten total hedonistischen Ferientag verbracht: Acquapark: Megarutschen und permanente Animation. Anschließendes Koma. Am Ende dieses für mich überaus langweiligen und daher höchst entspannenden Tages unter der Sonne will ich, dass sie mir eine Rutsche empfehlen und während sich der Rallyefahrer und sein großer Bruder an Enthusiasmus überbieten, meint der kleine Sohn besorgt: ich empfehle dir, keine Rutsche zu nehmen, es ist zu gefährlich, geh lieber den langsamen Fluss entlang. Ist das eine Art Entmündigung? Ich nehme die hellblaue und die gelbe Rutsche und das Schlittern im Wasser erinnert mich an etwas: etwas, das lange her ist, als die Gefahr nicht groß genug sein konnte und die Angst immer nur ganz klein war.
Den gehenden Mann haben wir so oft wie noch nie gesehen, in Ermangelung anderer Unterhaltung finden ihn die Kinder wahnsinnig spannend und stellen Vermutungen über ihn an. Momentan ist er ihrer Meinung nach ein Spion, der UNS verfolgt. Wir waren mit ihm im selben Supermarkt, meine kleinen Spione haben beobachtet, dass er ein Bier gekauft hat (ein längliches, mit einem Stier drauf), ich habe beobachtet, dass er tatsächlich eine Regenhose trägt. Mit dem Regen ist es aber jetzt wieder vorbei. Angesprochen habe ich ihn nicht, das erschien mir angesichts seines Rucksack, meines eigenen Einkaufswagens und meiner Kinderschar zu intim.
Unsere Baustelle ist immer noch eine Baustelle und wenn mir das Herz sinken will, dann schlägt mir mein innerer Coach rasch auf die Schulter und ruft dynamisch: ist doch egal, du schaffst das schon. Ich habe bereits einen Schreibtisch und einen Computer übersiedelt, auf dem meine Kinder spielen, wenn sie nicht helfen müssen, kiloweise Pflaumen zu ernten, oder wenn sie nicht abenteuerliche Ritterspiele veranstalten. Die Abwesenheit des Schreibtischs hier versetzt mich in Hochstimmung. Immerhin ca. 0.3 % unseres Haushalts!
Mittwoch, 23. Juni 2010
Samstag, 5. Juni 2010
trasferimento a casa
Es ist 5 Uhr 37 und es ist vorbei. "Danke für die viele Arbeit und die wenige Freude", sagt der wichtigste Mann meiner Arbeit. Das hat er schön gesagt. Für mich ist es vorbei, Frau Obermaurers Gebiss kann bezahlt werden, uns bleibt nicht viel übrig. Was wird von den vielen "Nie mehr" bleiben, ich weiß es nicht, schon eine Minute nach dem Ende der Arbeit scheint alles halb so schlimm, manches sogar fast schön. Der Flug heim geht morgen nahzu um die gleiche Zeit. Die letzten Tage haben wir im strömenden Regen und im Schlamm verbracht, sind mit einer Chinesenrevolte fertig geworden und mit einigen anderen Widrigkeiten. Tränen habe ich bis zum Schluss keine vergossen, darauf bin ich stolz.
In Italien wartet ein konversationshungriger Student, der mit mir deutsch sprechen will, sowie drei aktivitätshungrige Kinder und ein Mann, der findet, ich solle nicht Konversation mit Studenten betreiben, sondern an unser Haus denken. Ich bin gespannt. Ich würde lieber mein sauer verdientes Geld in den Holzboden stecken, aber ich habe keine Chance. Vor ein paar Wochen erschien mir der Holzboden noch als nebensächlich, und jetzt denke ich: verdammt, muss ich wirklich einen asthmaerzeugenden Billigteppichboden kaufen?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in einem Teil dieser Welt ohne Regenjacke herumlaufen kann und ich sehe auch meinen gehenden Mann bereits in raschelnder Regenhose gehen. Gleichzeitig habe ich von wenigen Stunden Sonne einen Sonnenbrand im Gesicht. Wenn ich nach Hause komme, werden meine Kinder noch schlafen, vielleicht kann ich dann kurz ihr neues Videospiel auf dem Computer ausprobieren.
In Italien wartet ein konversationshungriger Student, der mit mir deutsch sprechen will, sowie drei aktivitätshungrige Kinder und ein Mann, der findet, ich solle nicht Konversation mit Studenten betreiben, sondern an unser Haus denken. Ich bin gespannt. Ich würde lieber mein sauer verdientes Geld in den Holzboden stecken, aber ich habe keine Chance. Vor ein paar Wochen erschien mir der Holzboden noch als nebensächlich, und jetzt denke ich: verdammt, muss ich wirklich einen asthmaerzeugenden Billigteppichboden kaufen?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in einem Teil dieser Welt ohne Regenjacke herumlaufen kann und ich sehe auch meinen gehenden Mann bereits in raschelnder Regenhose gehen. Gleichzeitig habe ich von wenigen Stunden Sonne einen Sonnenbrand im Gesicht. Wenn ich nach Hause komme, werden meine Kinder noch schlafen, vielleicht kann ich dann kurz ihr neues Videospiel auf dem Computer ausprobieren.
Sonntag, 30. Mai 2010
was ich mag
Ich mag den Geruch meiner Wohnung, wenn ich den ganzen Tag die Fenster offen lassen kann.
Ich mag, dass mein Freund der Schriftsteller mir etwas zum Lesen schickt.
Ich mag, dass MM mir schreibt, dass ich allen fehle.
Ich mag mich, wenn ich mich im Spiegel sehe.
Ich bin froh, dass die Wäsche, die sich rot verfärbt hat, sich im Entfärberbad wieder zu Weiß entwickelt.
Ich bin froh, dass es noch einen Sonntag vor dem neuen Arbeitsbeginn gibt. Libertà.
Ich mag es, wenn sich mir bei einem Buch in der Buchhandlung die Haare auf den Unterarmen aufstellen, denn dann weiß ich, dass ich "Paula Spencer" von Roddy Doyle kaufen muss, weil ich schon "Die Frau, die gegen Türen rannte" mochte und weil ich vier Heimaten habe: home is where my heart is, dort wo meine Familie und mein Haus ist, dort, von wo ich komme und wo meine Wohnung ist und dort wo Paula Spencer lebt.
In Roddy Doyles Buch spricht Leanne in den Kühlschrank und ich erinnere mich, dass jemand meinen großen Sohn einmal aufgefordert hat, nicht mit der Seife in seiner Hand, sondern mit mir zu sprechen. Es ist immer gut,wenn jemand die Situation überblickt und es ist nicht immer jemand da, der das tut.
Ich mag, dass mein Freund der Schriftsteller mir etwas zum Lesen schickt.
Ich mag, dass MM mir schreibt, dass ich allen fehle.
Ich mag mich, wenn ich mich im Spiegel sehe.
Ich bin froh, dass die Wäsche, die sich rot verfärbt hat, sich im Entfärberbad wieder zu Weiß entwickelt.
Ich bin froh, dass es noch einen Sonntag vor dem neuen Arbeitsbeginn gibt. Libertà.
Ich mag es, wenn sich mir bei einem Buch in der Buchhandlung die Haare auf den Unterarmen aufstellen, denn dann weiß ich, dass ich "Paula Spencer" von Roddy Doyle kaufen muss, weil ich schon "Die Frau, die gegen Türen rannte" mochte und weil ich vier Heimaten habe: home is where my heart is, dort wo meine Familie und mein Haus ist, dort, von wo ich komme und wo meine Wohnung ist und dort wo Paula Spencer lebt.
In Roddy Doyles Buch spricht Leanne in den Kühlschrank und ich erinnere mich, dass jemand meinen großen Sohn einmal aufgefordert hat, nicht mit der Seife in seiner Hand, sondern mit mir zu sprechen. Es ist immer gut,wenn jemand die Situation überblickt und es ist nicht immer jemand da, der das tut.
Samstag, 29. Mai 2010
Iguacu
Die dattilografische Familie war nicht immer nur in Italien. Einmal waren wir bei den Wasserfällen von Iguacu im Süden Brasiliens im Länderdreieck Brasilien/Paraguay/Argentinien. Als wir dort waren, war ich von der Angst gepeinigt, meine Kinder könnten ins Wasser fallen und in den gigantischen Wassermassen verschwinden. Jede einzelne Sekunde unseres Aufenthalts hatte ich Angst. Wenn wir weit genug vom Wasser waren, befürchtete ich, die Kinder könnten aus dem offenen Stockautobus stürzen, wenn wir in irgendwelchen Schlangen anstanden, war ich davon überzeugt, die Kinder gingen verloren oder würden entführt. Selbst etwas von den größten Wasserfällen der Erde entfernt, in der kleinen Stadt Foz do Iguacu hatte ich keinen Moment Frieden, denn auch hier drohten mannigfaltige Gefahren, Kinder, die sich im Dunkel verlieren, Kinder, die in den Löchern im unregelmäßigen Pflaster straucheln und hinfallen, Kinder, die im schlimmsten Fall in diesen Löchern für immer verschwinden.
MM hat während meiner mehrtägigen Panikattacke tausende wunderbare Photos gemacht, von denen ich auf keinem einzigen zu sehen bin, die Angst scheint mich weggezaubert zu haben. Annulliert, annihiliert, falls es dieses Wort gibt.
Im Rückblick betrachtet, handelt es sich jedoch um einige der schönsten Tage meines Lebens.
Ich denke nicht: ach, hätte ich mich doch nicht so gefürchtet, ich kann im Nachhinein diese Gefühle wegdenken, sie wie in computergesteuerter Postproduktion bereinigen. Ich denke nicht, ich hätte diese Reise mehr genießen sollen, im Hinterherdenken genieße ich sie. Meine Ängste von damals sind reale Ängste und wertvolle Ängste. Heute wache ich in einem nassgeschwitzten Pyjama auf und habe Ängste wegen meiner Arbeit. Komischerweise habe ich keinen nassgeschwitzten Pyjama, weil ich den Rest meines Lebens Schulden wegen dem Haus haben werde. Ich möchte das Haus umarmen mit langen, sehr langen Armen. Ich möchte den Garten umarmen.
Jeden Tag versuche ich, meine Arbeit zu lieben. Jeden Tag passiert etwas, das mir wie ein Knüppel in die Kniekehlen schlägt und all meine kunstfertig gepflegte kleine Liebe springt davon. Weil ich nicht weiß, wie ich ich sein kann.
Ich wünsche mich ins rosa Zimmer zurück, mit schrecklichen Dingen, die ich dort schreiben muss, mit vier Maurern und drei Elektrikern und zwei Installateuren, die mich am Arbeiten hindern wollen. Lärm ist vergleichsweise harmlos gegen den Druck, unter dem wir bei unserer Arbeit stehen und wir sind wohlgemerkt kein Chirurgenteam. Der Druck hat zum Teil mit Ökonomie und zum anderen Teil mit Psychopathologie zu tun und es ist nicht weiter erstaunlich, dass viele in meinem Berufsbereich nach einiger Zeit Masseure werden wollen, Krankenschwestern oder Altenpfleger.
Während ich in Italien jeden Einkauf als Zeit- und Nervenverschwendung empfinde, gebärde ich mich in einer zweistündigen Phase vor Arbeitsbeginn als Impulskäuferin, kaufe die teuersten Schuhe meines Lebens (obwohl doch Frau Obermaurer mein Gehalt bekommen sollte), denke über den Begriff "feel good" nach und will lieber eine Massage als einen Liebhaber. Das bin nicht ich.
Aber heute hat jemand mit mir gemeinsam einen Kampf gefochten, den wir gewonnen haben und der mich nur an ein Sprichwort denken läßt, das sicher nicht zuvorderst in meinem Wortschatz steht: den wahren Freund erkennt man in der Not. Wow!
Hier beginnen die Vögel beeits wieder zu zwitschern und ich preise die Erfindung von Oropax. (Oder heißt es Ohropax?) Ich preise die Tatsache, in meinem eigenen Bett zu schlafen, auch wenn es sozusagen das Zweitbett ist. Ich preise das Wochenende und den morgigen/heutigen Tag, der mir die Aufnahme eines chinesischen Satzes und hopefully ein Treffen mit meinem ehemaligen Freund bescheren wird.
Ich denke, ich bin eine Schnecke, die ihr Haus auf dem Rücken mit sich führt, eine Schnecke, die eigentlich auf einem Hügel hoch über dem Meer lebt und sich in die Ebene verirrt hat.
Und ich denke an den gehenden Mann und ich komme wieder auf die Frage zurück, die mir meine welterfahrenen Freunde gestellt haben: bist du sicher, dass nicht nur du ihn siehst, hahahaha? Natürlich sehe nicht nur ich ihn, aber vielleicht sehe ich ihn deshalb so oft und so fest, weil ein Teil von ihm ich bin, weil wir beide immer auf dieser SS 18 auf und ab gehen und nachts (vermutlich) in einem Zelt schlafen.
MM hat während meiner mehrtägigen Panikattacke tausende wunderbare Photos gemacht, von denen ich auf keinem einzigen zu sehen bin, die Angst scheint mich weggezaubert zu haben. Annulliert, annihiliert, falls es dieses Wort gibt.
Im Rückblick betrachtet, handelt es sich jedoch um einige der schönsten Tage meines Lebens.
Ich denke nicht: ach, hätte ich mich doch nicht so gefürchtet, ich kann im Nachhinein diese Gefühle wegdenken, sie wie in computergesteuerter Postproduktion bereinigen. Ich denke nicht, ich hätte diese Reise mehr genießen sollen, im Hinterherdenken genieße ich sie. Meine Ängste von damals sind reale Ängste und wertvolle Ängste. Heute wache ich in einem nassgeschwitzten Pyjama auf und habe Ängste wegen meiner Arbeit. Komischerweise habe ich keinen nassgeschwitzten Pyjama, weil ich den Rest meines Lebens Schulden wegen dem Haus haben werde. Ich möchte das Haus umarmen mit langen, sehr langen Armen. Ich möchte den Garten umarmen.
Jeden Tag versuche ich, meine Arbeit zu lieben. Jeden Tag passiert etwas, das mir wie ein Knüppel in die Kniekehlen schlägt und all meine kunstfertig gepflegte kleine Liebe springt davon. Weil ich nicht weiß, wie ich ich sein kann.
Ich wünsche mich ins rosa Zimmer zurück, mit schrecklichen Dingen, die ich dort schreiben muss, mit vier Maurern und drei Elektrikern und zwei Installateuren, die mich am Arbeiten hindern wollen. Lärm ist vergleichsweise harmlos gegen den Druck, unter dem wir bei unserer Arbeit stehen und wir sind wohlgemerkt kein Chirurgenteam. Der Druck hat zum Teil mit Ökonomie und zum anderen Teil mit Psychopathologie zu tun und es ist nicht weiter erstaunlich, dass viele in meinem Berufsbereich nach einiger Zeit Masseure werden wollen, Krankenschwestern oder Altenpfleger.
Während ich in Italien jeden Einkauf als Zeit- und Nervenverschwendung empfinde, gebärde ich mich in einer zweistündigen Phase vor Arbeitsbeginn als Impulskäuferin, kaufe die teuersten Schuhe meines Lebens (obwohl doch Frau Obermaurer mein Gehalt bekommen sollte), denke über den Begriff "feel good" nach und will lieber eine Massage als einen Liebhaber. Das bin nicht ich.
Aber heute hat jemand mit mir gemeinsam einen Kampf gefochten, den wir gewonnen haben und der mich nur an ein Sprichwort denken läßt, das sicher nicht zuvorderst in meinem Wortschatz steht: den wahren Freund erkennt man in der Not. Wow!
Hier beginnen die Vögel beeits wieder zu zwitschern und ich preise die Erfindung von Oropax. (Oder heißt es Ohropax?) Ich preise die Tatsache, in meinem eigenen Bett zu schlafen, auch wenn es sozusagen das Zweitbett ist. Ich preise das Wochenende und den morgigen/heutigen Tag, der mir die Aufnahme eines chinesischen Satzes und hopefully ein Treffen mit meinem ehemaligen Freund bescheren wird.
Ich denke, ich bin eine Schnecke, die ihr Haus auf dem Rücken mit sich führt, eine Schnecke, die eigentlich auf einem Hügel hoch über dem Meer lebt und sich in die Ebene verirrt hat.
Und ich denke an den gehenden Mann und ich komme wieder auf die Frage zurück, die mir meine welterfahrenen Freunde gestellt haben: bist du sicher, dass nicht nur du ihn siehst, hahahaha? Natürlich sehe nicht nur ich ihn, aber vielleicht sehe ich ihn deshalb so oft und so fest, weil ein Teil von ihm ich bin, weil wir beide immer auf dieser SS 18 auf und ab gehen und nachts (vermutlich) in einem Zelt schlafen.
Freitag, 28. Mai 2010
was mir fehlt
Mir fehlt mein Blick aufs Meer, verstellt vom Oleander im alten Haus, mir fehlt der Blick aufs Meer, verstellt von einer Eiche im neuen Haus.
Mir fehlen die Kinder, der Kleine, der verständnisvoll antwortet: Ich geb dir meine Brüder, wenn ich sage: ich wollte dich nur kurz grüßen, ich arbeite; der Mittlere, der sagt: Ciao Mamma, ciaociaociao; und der Große, der mit rauchiger Stimme sagt, "Ja, Mamma!", wenn ich sage: in einer Woche komm ich wieder.
Mir fehlt die theatralische Aufregung der Italiener, die mir keine Angst macht, im Gegensatz zu der manchmal beunruhigenden Aufregung der Menschen, mit denen ich meine Muttersprache teile.
Mir fehlt selbstverständlich der Mann, der geht, denn hier gibt es keine gehenden Männer, hier gibt es wenig interessante Männer, eigentlich überhaupt wenig Männer.
Mir fehlt, dass endlich einmal einer sagt: Mach dir keine Sorgen, das machen wir schon. Auch wenn das in Italien heißt: Machen sie sich keine Sorgen, rufen sie in zwei Wochen wieder an.
Mir fehlt MM, der sagt: Ich bitte dich, sag: Signorsi, mach es wie Terence Hill, der sich auch immer als Trottel ausgibt. Es geht vorbei. (Meine Freundin hier fragt, warum ich mich nicht besser abgrenzen kann...)
Mir fehlt mein Familienleben, mein Autoradio, mein rosa Zimmer, in dem ich schreibe, die Bar "Lo scoglio", in deren Nähe es einen echten Felsen im Meer gibt, mir fehlt unsere Babysitterin, die bald in einer Ferienkolonie am Meer arbeiten wird, in die man seine Kinder um acht Uhr morgens bringen kann und um drei wieder abholen, wenn sie nach einem Vormittag am Meer todmüde sind. Denn wie soll man sonst 13 Wochen Ferien hinter sich bringen? Während ich in deutschsprachiger Zone noch kein einziges kurzärmeliges Hemd gebraucht habe, muss MM sich fragen, ob er unseren kleinen Sohn nächste Woche überhaupt noch in die Schule schickt, da in der Woche vor den Ferien (ja, Ferien, Sommerferien), nur noch wenige Kinder (die mit den grauslichen berufstätigen Eltern) in die Schule gehen.
Mir fehlt die Gartenschere mit den blauen Griffen, mir fehlt der Küchenkasten mit der vielen De Cecco Pasta drin, mir fehlt das Basilikum, das MM bereits gepflanzt hat.
Mir fehlt der schwebende Friede im Haus, wenn alle Kinder schlafen.
Mir fehlt die Phantasie. Mir fehlt die Kraft.
Mir fehlt, dass ich auf der Terrasse die Augen zusammenkneifen muss, wenn ich die Wäsche aufhänge, oder eine Sonnenbrille aufsetzen muss. Mir fehlt der Platz mit der spektakulären Aussicht aufs Meer im Ort, in dem ich die Tickets für die Mensa meiner Kinder kaufe, und in dessen Bar ich mich regelmäßig ärgere, dass mein großer Sohn sich immer das teuerste Eis aussucht. Mir fehlt, mich über meinen großen Sohn zu ärgern. Ich hoffe, dass es meinem großen Sohn auch fehlt, sich über mich zu ärgern.
Mir fehlt die Abzweigung von der größeren Nebenstraße auf unsere kleinere Nebenstraße, im Schatten der Olivenbäume. Mir fehlen die Berge hinter dem Kopf. Mir fehlt der bunte Markt am Samstag vormittag in unserem neuen Ort, dort, wo ich eine Buchhandlung eröffnen will, mit meinen Kindern, die sich ernsthaft bereit erklärt haben: Wir helfen dir Mamma, wir ordnen die Bücher ein. MM fragt sich, warum ich nichts mehr verdienen will.
Mir fehlen die Bahnstationen mittags, wenn es heiß ist, und man auf Züge wartet, die schäbig sind, weil wir im Süden wohl nichts anderes verdienen.
Mir fehlt das Bedürfnis, mich mit der italienischen Regierung anlegen zu wollen, statt mit meinen Arbeitskollegen.
Mir fehlen die Kinder, der Kleine, der verständnisvoll antwortet: Ich geb dir meine Brüder, wenn ich sage: ich wollte dich nur kurz grüßen, ich arbeite; der Mittlere, der sagt: Ciao Mamma, ciaociaociao; und der Große, der mit rauchiger Stimme sagt, "Ja, Mamma!", wenn ich sage: in einer Woche komm ich wieder.
Mir fehlt die theatralische Aufregung der Italiener, die mir keine Angst macht, im Gegensatz zu der manchmal beunruhigenden Aufregung der Menschen, mit denen ich meine Muttersprache teile.
Mir fehlt selbstverständlich der Mann, der geht, denn hier gibt es keine gehenden Männer, hier gibt es wenig interessante Männer, eigentlich überhaupt wenig Männer.
Mir fehlt, dass endlich einmal einer sagt: Mach dir keine Sorgen, das machen wir schon. Auch wenn das in Italien heißt: Machen sie sich keine Sorgen, rufen sie in zwei Wochen wieder an.
Mir fehlt MM, der sagt: Ich bitte dich, sag: Signorsi, mach es wie Terence Hill, der sich auch immer als Trottel ausgibt. Es geht vorbei. (Meine Freundin hier fragt, warum ich mich nicht besser abgrenzen kann...)
Mir fehlt mein Familienleben, mein Autoradio, mein rosa Zimmer, in dem ich schreibe, die Bar "Lo scoglio", in deren Nähe es einen echten Felsen im Meer gibt, mir fehlt unsere Babysitterin, die bald in einer Ferienkolonie am Meer arbeiten wird, in die man seine Kinder um acht Uhr morgens bringen kann und um drei wieder abholen, wenn sie nach einem Vormittag am Meer todmüde sind. Denn wie soll man sonst 13 Wochen Ferien hinter sich bringen? Während ich in deutschsprachiger Zone noch kein einziges kurzärmeliges Hemd gebraucht habe, muss MM sich fragen, ob er unseren kleinen Sohn nächste Woche überhaupt noch in die Schule schickt, da in der Woche vor den Ferien (ja, Ferien, Sommerferien), nur noch wenige Kinder (die mit den grauslichen berufstätigen Eltern) in die Schule gehen.
Mir fehlt die Gartenschere mit den blauen Griffen, mir fehlt der Küchenkasten mit der vielen De Cecco Pasta drin, mir fehlt das Basilikum, das MM bereits gepflanzt hat.
Mir fehlt der schwebende Friede im Haus, wenn alle Kinder schlafen.
Mir fehlt die Phantasie. Mir fehlt die Kraft.
Mir fehlt, dass ich auf der Terrasse die Augen zusammenkneifen muss, wenn ich die Wäsche aufhänge, oder eine Sonnenbrille aufsetzen muss. Mir fehlt der Platz mit der spektakulären Aussicht aufs Meer im Ort, in dem ich die Tickets für die Mensa meiner Kinder kaufe, und in dessen Bar ich mich regelmäßig ärgere, dass mein großer Sohn sich immer das teuerste Eis aussucht. Mir fehlt, mich über meinen großen Sohn zu ärgern. Ich hoffe, dass es meinem großen Sohn auch fehlt, sich über mich zu ärgern.
Mir fehlt die Abzweigung von der größeren Nebenstraße auf unsere kleinere Nebenstraße, im Schatten der Olivenbäume. Mir fehlen die Berge hinter dem Kopf. Mir fehlt der bunte Markt am Samstag vormittag in unserem neuen Ort, dort, wo ich eine Buchhandlung eröffnen will, mit meinen Kindern, die sich ernsthaft bereit erklärt haben: Wir helfen dir Mamma, wir ordnen die Bücher ein. MM fragt sich, warum ich nichts mehr verdienen will.
Mir fehlen die Bahnstationen mittags, wenn es heiß ist, und man auf Züge wartet, die schäbig sind, weil wir im Süden wohl nichts anderes verdienen.
Mir fehlt das Bedürfnis, mich mit der italienischen Regierung anlegen zu wollen, statt mit meinen Arbeitskollegen.
Sonntag, 16. Mai 2010
out italy
steht auf dem Plastikband auf meinem Koffer. Unglaublicherweise bin ich wieder in den deutschsprachigen Raum zurückgekehrt und meinen Koffer hab ich auch. Lust zu arbeiten habe ich keine.
Selten habe ich Italien so geliebt, wie bei diesem intensiven Kurzbesuch. Selten habe ich so wenig Zeit gehabt, mit MM zu sprechen, wie in diesen Tagen. Er hat die Zeit meiner Anwesenheit genutzt, um selbst zu arbeiten. Ich gestehe, dass ich von drei Mal Kinder abholen zwei Mal zu spät gekommen bin, einmal, weil ich die Zeitabläufe nicht mehr einschätzen konnte und zu spät aus dem rosa Zimmer geeilt bin, einmal weil vergessen hatte, dass die Schule am Samstag um 12:45 endet und nicht um 13 Uhr. Auweia. Da alle Lehrer noch versammelt waren und mich fragten, wie es mir gehe, während meine Kinder enthusiastisch endlich ins Auto springen konnten, fragte ich auch höflich, wie es der Schule gehe. "Wir verteidigen uns", sagte der Mathematiklehrer, Maestro Michele. Das hat mir gefallen. Die Mathematiklehrerin hat mein Sohn, der zukünftige Rallyefahrer, in einer der unzähligen von ihm getätigten Personenbschreibungen mit ebenso violetten Haaren wie Kleidern beschrieben, womit er völlig recht hatte, wie ich feststellen konnte. Eine attraktive Frau, ich neige dazu, sie zu bewundern. Aus der Ferne. Aus der Nähe betrachtet das alles MM und ist am Rande des Amoklaufs. Vater mit Pumpgun in Schule. Motiv: wiederholte Änderung des Stundenplans für den Nachmittagsunterricht ohne Vorankündigung.
Unser Haus, unsere Baustelle hat immer noch einen erotischen Effekt auf mich. Ich stehe vor den riesigen Fensterflächen und alles ist ganz still. Keine Maurer hämmern, man hört nur die Vögel zwitschern, den Fluss rauschen und meinen Atem. Ich höre mich schnaufen, so unglaublich finde ich diese Neuigkeit. Ich bin zutiefst zufrieden darüber, dass ich das alles noch so mag. Im rosa Zimmer ist es fast dampfig heiß und es scheint schon ganz lange her, dass ich dort in der Winterjacke mit der Mütze auf dem Kopf schrieb, der Obermaurer an der Tür klopfte und irgendwelche Auskünfte bezüglich Badewannen wollte.
Mit Stefanos Hilfe ist ein respektabler Gemüsegarten entstanden, ich knipse etwa zehn Kürbisblüten ab und denke, das habe ich doch eben erst getan, mit den letzten, im November, und jetzt sind die ersten Blüten schon wieder da, ist der Winter wirklich vorbei?
Am Donnerstag fahre ich viel mit dem Auto hin und her und meine Nervosität wächst, denn einer fehlt zum Appell - wo ist der gehende Mann? Ich fühle mich verlassen, so als hätte man den halben Ort, den ich so mag, weggesprengt, als würde es nun für immer regnen auf meiner Straße. Es ist klar, dass er nicht ein Jahr lang gehen kann, rede ich mir ein, es wird etwas anderes kommen.
Am Freitag nachmittag, als ich (zu spät) mit dem Kind auf dem Rücksitz von einer Schule zur anderen fahre, sehe ich ihn schon von weitem, wie eine bekannte Fata Morgana: er setzt sich eben an einen Tisch einer Bar am Straßenrand. Nicht der schönste aller Orte, aber es scheint sich um seine Stammkneipe zu handeln, denn dort habe ich ihn schon öfter gesehen. Er ist ganz in schwarz gekleidet und auf eine Art privat, ohne Jacke und ohne Rucksack. Tiefe Zufriedenheit breitet sich in meiner Brust aus, wie eine warme Flüssigkeit. Ich bin beruhigt, die Grundfesten meines Lebens sind vorhanden. Meine Kinder sind gesund und lachen viel, mein Auto funktioniert, unser Haus steht noch und im Garten wachsen etwa hundert Pflanzen Lattugasalat. Der Schnittlauch ist wieder aufgetaucht. Und am Tag meiner Abreise leisten MM und ich uns den Luxus, beim Frühstück miteinander zu sprechen. Seine Arbeit zu kennen, meint MM, sei etwas anderes, als sie zu können. Wer gut arbeite, erneuere die Arbeit ständig. Schön formuliert. Eine halbe Stunde später schreie ich ihn aber bereits an, denn ich schaffe es nicht, ein Dokument auszudrucken, weil mein Computer anders (für die Arbeit, grrr!) eingestellt wurde und MM findet, ich soll das lassen und ich finde, er soll mich nicht schlecht behandeln. Ich habe drei Minuten Zeit zu duschen, weil meine Kinder sich freundlicherweise in der Küche die Zähne putzen. Das alles wird in unserem neuen Haus mit den drei Badezimmern nicht passieren. Auch wenn wir nach einem Kostenstand einsehen müssen, dass wir das begehrteste Element aller Erneuerungen weiterhin entbehren werden: wenn wir im nächsten halben Jahr auch essen wollen, werden wir auf den Holzboden verzichten. Ich sehe mich heldinnenhaft überall Fleckerteppiche auflegen. Es ist mir egal, dann muss ich mich wenigstens nicht vor Housewarmingpartys und Kinderfesten fürchten, bei denen Chips in den nagelneuen Boden eingetreten werden. Und wenn wir uns dann den Holzboden leisten können, machen wir das Holzbodeneinweihungsfest und rutschen alle mit Filzpatschen herum.
Selten habe ich Italien so geliebt, wie bei diesem intensiven Kurzbesuch. Selten habe ich so wenig Zeit gehabt, mit MM zu sprechen, wie in diesen Tagen. Er hat die Zeit meiner Anwesenheit genutzt, um selbst zu arbeiten. Ich gestehe, dass ich von drei Mal Kinder abholen zwei Mal zu spät gekommen bin, einmal, weil ich die Zeitabläufe nicht mehr einschätzen konnte und zu spät aus dem rosa Zimmer geeilt bin, einmal weil vergessen hatte, dass die Schule am Samstag um 12:45 endet und nicht um 13 Uhr. Auweia. Da alle Lehrer noch versammelt waren und mich fragten, wie es mir gehe, während meine Kinder enthusiastisch endlich ins Auto springen konnten, fragte ich auch höflich, wie es der Schule gehe. "Wir verteidigen uns", sagte der Mathematiklehrer, Maestro Michele. Das hat mir gefallen. Die Mathematiklehrerin hat mein Sohn, der zukünftige Rallyefahrer, in einer der unzähligen von ihm getätigten Personenbschreibungen mit ebenso violetten Haaren wie Kleidern beschrieben, womit er völlig recht hatte, wie ich feststellen konnte. Eine attraktive Frau, ich neige dazu, sie zu bewundern. Aus der Ferne. Aus der Nähe betrachtet das alles MM und ist am Rande des Amoklaufs. Vater mit Pumpgun in Schule. Motiv: wiederholte Änderung des Stundenplans für den Nachmittagsunterricht ohne Vorankündigung.
Unser Haus, unsere Baustelle hat immer noch einen erotischen Effekt auf mich. Ich stehe vor den riesigen Fensterflächen und alles ist ganz still. Keine Maurer hämmern, man hört nur die Vögel zwitschern, den Fluss rauschen und meinen Atem. Ich höre mich schnaufen, so unglaublich finde ich diese Neuigkeit. Ich bin zutiefst zufrieden darüber, dass ich das alles noch so mag. Im rosa Zimmer ist es fast dampfig heiß und es scheint schon ganz lange her, dass ich dort in der Winterjacke mit der Mütze auf dem Kopf schrieb, der Obermaurer an der Tür klopfte und irgendwelche Auskünfte bezüglich Badewannen wollte.
Mit Stefanos Hilfe ist ein respektabler Gemüsegarten entstanden, ich knipse etwa zehn Kürbisblüten ab und denke, das habe ich doch eben erst getan, mit den letzten, im November, und jetzt sind die ersten Blüten schon wieder da, ist der Winter wirklich vorbei?
Am Donnerstag fahre ich viel mit dem Auto hin und her und meine Nervosität wächst, denn einer fehlt zum Appell - wo ist der gehende Mann? Ich fühle mich verlassen, so als hätte man den halben Ort, den ich so mag, weggesprengt, als würde es nun für immer regnen auf meiner Straße. Es ist klar, dass er nicht ein Jahr lang gehen kann, rede ich mir ein, es wird etwas anderes kommen.
Am Freitag nachmittag, als ich (zu spät) mit dem Kind auf dem Rücksitz von einer Schule zur anderen fahre, sehe ich ihn schon von weitem, wie eine bekannte Fata Morgana: er setzt sich eben an einen Tisch einer Bar am Straßenrand. Nicht der schönste aller Orte, aber es scheint sich um seine Stammkneipe zu handeln, denn dort habe ich ihn schon öfter gesehen. Er ist ganz in schwarz gekleidet und auf eine Art privat, ohne Jacke und ohne Rucksack. Tiefe Zufriedenheit breitet sich in meiner Brust aus, wie eine warme Flüssigkeit. Ich bin beruhigt, die Grundfesten meines Lebens sind vorhanden. Meine Kinder sind gesund und lachen viel, mein Auto funktioniert, unser Haus steht noch und im Garten wachsen etwa hundert Pflanzen Lattugasalat. Der Schnittlauch ist wieder aufgetaucht. Und am Tag meiner Abreise leisten MM und ich uns den Luxus, beim Frühstück miteinander zu sprechen. Seine Arbeit zu kennen, meint MM, sei etwas anderes, als sie zu können. Wer gut arbeite, erneuere die Arbeit ständig. Schön formuliert. Eine halbe Stunde später schreie ich ihn aber bereits an, denn ich schaffe es nicht, ein Dokument auszudrucken, weil mein Computer anders (für die Arbeit, grrr!) eingestellt wurde und MM findet, ich soll das lassen und ich finde, er soll mich nicht schlecht behandeln. Ich habe drei Minuten Zeit zu duschen, weil meine Kinder sich freundlicherweise in der Küche die Zähne putzen. Das alles wird in unserem neuen Haus mit den drei Badezimmern nicht passieren. Auch wenn wir nach einem Kostenstand einsehen müssen, dass wir das begehrteste Element aller Erneuerungen weiterhin entbehren werden: wenn wir im nächsten halben Jahr auch essen wollen, werden wir auf den Holzboden verzichten. Ich sehe mich heldinnenhaft überall Fleckerteppiche auflegen. Es ist mir egal, dann muss ich mich wenigstens nicht vor Housewarmingpartys und Kinderfesten fürchten, bei denen Chips in den nagelneuen Boden eingetreten werden. Und wenn wir uns dann den Holzboden leisten können, machen wir das Holzbodeneinweihungsfest und rutschen alle mit Filzpatschen herum.
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Dienstag, 11. Mai 2010
nach Hause telefonieren
Wenn ich das Mobiltelefon von MM anwähle, dann kann es passieren, dass gleich mein kleiner Sohn dran ist. "Mamma!" sagt er weinerlich mild, "mi manchi tanto!" "Du mir auch, mein Schatz, aber in 9,7,6,5, je nachdem Tagen komme ich. " Dann muss er Tage zählen, was lange dauert, zu lange, also sagt er: "Kann ich dir was vorsingen?" "Klar!" sage ich. Er beginnt, hält inne. "Kannst du am Ende applaudieren?" "Ja, sicher." Dann singt der achtjährige Knabe mit Inbrunst ein Lied, bei dem es um Eifersucht und Einsicht geht. Dazwischen gibt es eine Pause (in der man bitte nicht fälschlich klatschen soll) und dann kommt: esplode il cuore, distante anni luce fuori da me. Diesen Teil hab ich immer schon merkwürdig gefunden, die Vorstellung, dass ein Herz explodiert - das finde ich nicht schön. Aber das Kind singt schön und dann applaudiere ich. Das Telefon wird augenblicklich an einen großen Bruder weitergegeben. Aber der eine kann nicht, der wäscht ein Auto, also der Rallyefahrer (außer Atem): Ciao Mammina!
D: Ciao Amore, was machst du?
R: Ich spiele Samurai!
D: Mit wem?
R: Alleine.
D: Womit?
R: Mit dem Schwert von Zorro, das du mir gekauft hast.
D: denkt: armes Kind, er bräuchte ein Samuraischwert, mit dem Plastikzeug kann er doch kein Samurai sein. Sagt: Aha.
Dattilografa und der Rallyefahrer sprechen über das nicht angekommene Geschenk der Großmutter und die Pasta al forno, die der Papa kocht (in den Ofen schiebt, die hat nämlich Nonna gebracht), in aufzuckender Eifersucht stelle ich mir vor, wie MM ALLEINE Teigmuscheln mit Ricotta und Spinat füllt, unser gemeinsames Sonntagsvergnügen, bei dem wir uns in Gleichklang bringen und uns wie Marathonläufer fühlen, wenn wir zwei riesige Pfannen vollfüllen. Ich glaube, am besten gefällt MM an unserer üppigen Familie, dass man immer viel kochen kann.
Dann kommt der Autowäscher, der sich ein bisschen wie Jesus vorkommt und beide Autos vom Wüstensand befreit hat. Kurz angebunden am Telefon wie immer. Mir schwant Böses. Sicher Pubertätsschübe. Hoffentlich reg ich mich nicht gleich nach meiner Ankunft auf.
Meine vorübergehende Heimkehr steht unmittelbar bevor, das merke ich daran, dass meine Aufmerksamkeit wieder normale Dimensionen annimmt und ich nicht ausschließlich mit dem Überleben beschäftigt bin.
Heute morgen beim Frühstück konnte ich im Hotel dem Gespräch einer Damenrunde lauschen. Sie sprechen italienisch, aber ich glaube nicht alle Damen sind echte Italienerinnen. Eine laute Stimme fragt: Hast du die Menstruation? Meine Teetasse bleibt in der Luft stehen. Wie bitte? Ich meine, ob du noch menstruierst oder ob du Hormontabletten nehmen musst. Mauschel mauschel mauschel, dann wieder die laute Stimme: Aber die machen doch Krebs! Mir sinkt der Mut.
Ich will ja nicht neugierig sein, sagt die mit der lauten Stimme, aber...in diesem Moment kommt der wichtigste Mann meiner Arbeit und stört meine Tätigkeit als Belauscherin. Beim Rausgehen werfe ich einen raschen Blick auf die Damen. Vielleicht besuchen sie ja einen Konversationskurs zu aktuellen Themen. Ich würde nie einen Satz sagen, wie: ich will ja nicht neugierig sein. Ich bin wahnsinnig neugierig und es fällt mir schwer, keine Fragen in belauschte Gespräche einzuwerfen.
D: Ciao Amore, was machst du?
R: Ich spiele Samurai!
D: Mit wem?
R: Alleine.
D: Womit?
R: Mit dem Schwert von Zorro, das du mir gekauft hast.
D: denkt: armes Kind, er bräuchte ein Samuraischwert, mit dem Plastikzeug kann er doch kein Samurai sein. Sagt: Aha.
Dattilografa und der Rallyefahrer sprechen über das nicht angekommene Geschenk der Großmutter und die Pasta al forno, die der Papa kocht (in den Ofen schiebt, die hat nämlich Nonna gebracht), in aufzuckender Eifersucht stelle ich mir vor, wie MM ALLEINE Teigmuscheln mit Ricotta und Spinat füllt, unser gemeinsames Sonntagsvergnügen, bei dem wir uns in Gleichklang bringen und uns wie Marathonläufer fühlen, wenn wir zwei riesige Pfannen vollfüllen. Ich glaube, am besten gefällt MM an unserer üppigen Familie, dass man immer viel kochen kann.
Dann kommt der Autowäscher, der sich ein bisschen wie Jesus vorkommt und beide Autos vom Wüstensand befreit hat. Kurz angebunden am Telefon wie immer. Mir schwant Böses. Sicher Pubertätsschübe. Hoffentlich reg ich mich nicht gleich nach meiner Ankunft auf.
Meine vorübergehende Heimkehr steht unmittelbar bevor, das merke ich daran, dass meine Aufmerksamkeit wieder normale Dimensionen annimmt und ich nicht ausschließlich mit dem Überleben beschäftigt bin.
Heute morgen beim Frühstück konnte ich im Hotel dem Gespräch einer Damenrunde lauschen. Sie sprechen italienisch, aber ich glaube nicht alle Damen sind echte Italienerinnen. Eine laute Stimme fragt: Hast du die Menstruation? Meine Teetasse bleibt in der Luft stehen. Wie bitte? Ich meine, ob du noch menstruierst oder ob du Hormontabletten nehmen musst. Mauschel mauschel mauschel, dann wieder die laute Stimme: Aber die machen doch Krebs! Mir sinkt der Mut.
Ich will ja nicht neugierig sein, sagt die mit der lauten Stimme, aber...in diesem Moment kommt der wichtigste Mann meiner Arbeit und stört meine Tätigkeit als Belauscherin. Beim Rausgehen werfe ich einen raschen Blick auf die Damen. Vielleicht besuchen sie ja einen Konversationskurs zu aktuellen Themen. Ich würde nie einen Satz sagen, wie: ich will ja nicht neugierig sein. Ich bin wahnsinnig neugierig und es fällt mir schwer, keine Fragen in belauschte Gespräche einzuwerfen.
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