Freitag, 15. Januar 2010

mit dem krankenhausordner kreise schließen

Am Montag habe ich den Ordner nicht bekommen, denn die Frau in der Direktion kam nicht. Unpraktischerweise hatte ich ein krankes Kind zu Hause, das ich erst in Obsorge der Putzfrau ließ, um ins Krankenhaus zu fahren, und anschließend bei der Babysitterin, die ich nach etwa 50 Anrufen auf die Mobilbox erreichte. Als sie kam, hatte sie verdächtig schwarze Haare, war sie beim Friseur gesessen, während ich vor der Direktionstür im Krankenhaus wartete? Neben mir wartete eine Frau mit gleich großem Kampfgeist. Ihr Sohn hatte einen Fuss gequetscht und man wollte ihm erst in drei Wochen einen Gips machen, oder den Gips in drei Wochen runter machen, ich habe sie nicht genau verstanden, aber mich zu einigen vernichtenden Bemerkungen über Ärzte hinreißen lassen. "Der Arzt schaut dich nicht mal an!" sagte die Frau. "Wenn sie nichts mit Menschen zu tun haben und nur Geld verdienen wollen , dann sollen sie sich doch einen anderen Job suchen." sage ich. Dann redet die Frau nichts mehr mit mir. Wir warten, bis man uns sagt, die Verantwortliche käme in 15, 30 oder 45 Minuten, je nach Auskunftsperson. Für mich in jedem Fall zu lang, denn die Putzfrau muss auch ihr krankes Kind von der Schule abholen und als dann die Babysitterin kommt, ist es halb eins, aber das ist egal, denn die Dame aus der Direktion war ohnehin nie gekommen. Ihrem Sekretär ist das unangenehm und er schreibt sich den Namen unseres Kindes auf, genauso falsch wie die Dame im Archiv, offensichtlich spreche ich ein O tatsächlich wie ein U aus. Seine Fingernägel sind sauberer, aber doch abgearbeitet, wie auch sein Gesichtsausdruck. "Kommen sie morgen wieder." sagt er seufzend und er fragt mich, ob ich aus der Stadt sei, und auf meinen nein meint er, ich könne auch vorher anrufen.
Das tue ich am nächsten Morgen und er sagt: "Sie können kommen." Und so geht alles seinen Weg und ich bin ihm immer noch das Gebet schuldig, das er von mir als Dank erwartete. An einem Finger trägt er einen Ring mit zwölf (?) Dornen, eine Art Rosenkranz, der bei ihm auch tatsächlich immer an einem anderen Finger steckte. Ich wusste nicht, dass Männer Rosenkranz beten, ich dachte eigentlich, das sei ein Privileg von Frauen über siebzig.
Mit dem heiligen Ordner für den ich nichts bezahlt habe, den die Frau im Archiv rausrückte, ohne dass ich sie sehen musste (das ist schon ein Gebet wert), fuhr MM mit dem Kind zum Leberguru. Wir waren auf alles gefasst, beginnend von "wir sehen uns nie wieder" über "Koffer packen und ab ins Spital" zu "wer spendet seine Leber?", nur nicht auf die Aussage: "ist alles ok!". Der Leberguru bat nur, nicht wissen zu müssen, welcher seiner Kollegen die Katastrophenmeldungen von wegen "gleich operieren" und "das Kind soll sich nicht heftig bewegen, sonst könnte die Zyste platzen" in die Welt gesetzt hat. Sollte die Zyste platzen, so sei das erfreulich, aber unwahrscheinlich. Man muss einmal im Jahr die Zyste anschauen und vielleicht irgendwann absaugen. Diese Auskunft hat nicht wenig Geld gekostet, aber zweifellos bezahlt man für good news lieber, oder?

Währenddessen werden in unserem Haus die letzten Runden eingeläutet. Zumindest was die Maurer betrifft, die mit großer Menschenanzahl und unglaublicher Energie seit dem 7. Januar sogenannte Iglus aufstellen, auf die dann die Böden gelegt werden, was eventuelle Feuchtigkeit verhindern soll. Die Gänge sind verputzt, Schläuche unter den Böden sind verlegt, Türrahmen aufgestellt, kleine Notfallsmauern, die sich im Lauf der Arbeit als notwendig herausgestellt haben, aufgezogen, ein kleiner Balkon zu dem vorhandenen hinzugefügt. Diesen schien der Obermaurer zu begießen. Es sah grotesk und gleichzeitig glaubwürdig aus. Ein Mann auf einem Balkon im Rohbau mit einem Kübel, schwapp schwapp, ich hätte schwören können, es war eine Gießkanne, aber es gibt nie Zeit für Feinheiten, denn da ist schon wieder ein kleiner Bagger zu betreuen, gutes neues Jahr, Freude, ebenfalls.

Seitdem sehe ich nur noch spätabends Fotos. Tagsüber messe ich Fieber, treibe das Kind ins Bett, schneide Anziehpuppen aus, versuche Reis Reis Reis als Lieblingsmahlzeit einzuführen, lese "Frau Holle" und "Hänsel und Gretel" vor, streune auf der Suche nach sinnvoller Arbeit, die dem Kind nicht auffällt, durchs Haus und seufze angesichts der Erkenntnis, dass ich eigentlich auf einer Baustelle leben möchte. Doch es geht vorbei. In einer Woche wird unser frenetischer Maurertrupp eine Pizzeria umarbeiten. Zwei Maurer bleiben uns erhalten, versichert uns der Obermaurer, aber die Sternstunden mit sieben Leuten und zwei Mischmaschinen an Bord sind vorbei. Dazu kommen noch die reduzierten Teams von Elektrikern und Installateuren, die Elektriker verlegen ihre Schläuche diskret und an die Arbeit der Maurer angepasst, die Installateure haben unauffällig Abflussrohre eingezogen. Alles nichts gegen die Hulks mit ihren Zementschleudern.

Und eines Tages werden Türen und Fenster kommen, die so groß sein werden, dass ein kleiner Kran kommen muss, was mir ein so großes Stirnrunzeln verursacht, dass der Obermaurer beruhigend sagt, auch ein paar Christen könnten diese Glasscheibe manövrieren. Hier sind Menschen nämlich noch Christen. Mit Nachdenken oder ohne? Und was bete ich also für den Sekretär der Frau aus der Krankenhausdirektion? Die Flügel, die ich für die Barbiepuppe gebastelt habe, fallen mir ein. Ich möchte ein paar Engel verschicken. Die Engel der weisen Voraussicht und der Diplomatie. Die uns nur das Gute sagen lassen und schnell "Pscht" rufen, wenn wir im Begriff sind, uns in einen Wirbel zu reden.

Freitag, 8. Januar 2010

auf der suche nach einem krankenhausordner

Ein Haus zu renovieren ist so, wie einen Film zu produzieren, meint MM, während er den Installateur und die Maurer koordiniert, den Bagger bestellt und den allround-Helfer einsetzt. Daher übernehme ich nach meinem Aufenthalt im Exil, der immerhin dazu gedient hat, Abstand zu gewinnen, einige seiner außerhalb des Hauses liegenden Aufgaben. Eine davon hat sich am Tag des Halloween aufgetan, als unser Kind eine 4 Meter hohe Mauer hinunterstürzte, auf einem Erdweg aufkam und anschließend zwei Tage im Spital verbrachte, wo man feststellte, dass es keine Verletzungen von diesem Sturz davongetragen hatte, dafür aber eine Zyste auf der Leber hat, die ein Viertel der Leber bedeckt und gleich operiert werden sollte. Da wir aber vor Operationen lieber noch einmal tief Luft holen, lebt das Kind seitdem völlig unbehelligt und schmerzfrei wie bisher und wir versuchen, den besten Arzt zu finden, nachdem uns das Spital, in dem die Diagnose gestellt wurde, enttäuscht hat. Heute wollte ich den Ordner mit den Untersuchungsergebnissen (Ultraschall, Röntgen, Bluttest) in unseren Besitz bringen und dachte, das könnte ich in der Direktion des Krankenhauses tun. Dort standen viele Menschen und ich fragte eine Frau, ob sie in der Reihe angstellt sei. Was ich brauche, entgegnet sie und ich antwortete, dass ich einen Ordner abholen wollte. "Das machen die nach 10 Uhr, vorher gibt es nur Bluttests", mischte sich geschäftig eine auf einer Bank sitzende Ordensschwester ein. Ich wollte bereits meinen Tagesablauf umorganisieren, als mir der Gedanke kam, dass diese Ordensschwester möglicherweise aus einer professionellen Deformation heraus Auskünfte gab, für die sie gar nicht kompetent war. Es gab aber auch einen Informationsschalter, an dem ein Mann saß, der zweifellos weniger vertrauenswürdig als die Schwester aussah und mich vom Erdgeschoss in den dritten Stock schickte. Dort fand ich die Abteilung für Orthopädie und begann, gereizt zu werden. Zwei Krankenpfleger schoben ein Bett durch den Gang. "Entschuldigen Sie, ich wurde in den dritten Stock geschickt um einen Ordner abzuholen" sagte ich und nahm an, sie würden verständnislos schauen, aber sie lotsten mich ungerührt nach rechts ganz hinten. Und dort befand sich zu meiner Überraschung das Archiv, vor dessen geöffneter Tür ich ein wenig wartete und schließlich eintrat, worauf eine gepflegte Dame aus einem Badezimmer trat. "Guten Morgen, ich möchte eine Krankengeschichte abholen." - "Haben sie das Ticket bezahlt?" - "Ticket?" frage ich. Natürlich weiß ich, dass Patienten in Italien für jede Leistung eine Art Selbstbehalt, eben ein Ticket zahlen (was heißt Patienten - wir zahlen das, die meisten haben irgendeinen Schmäh, um davon befreit zu sein. Manchmal finde ich Beamte, die mit mir Mitleid haben, weil ich offenbar die einzige bin, die das Ticket bezahlt, und die denken sich dann für mich einen Schmäh aus. Ich finde es auch ok, für Untersuchungen zu zahlen, aber wofür soll ich jetzt noch zahlen, die Untersuchungen sind gemacht und bezahlt, muss ich das Papier zahlen, in dem sie aufbewahrt sind?). "Haben sie einen Antrag gestellt?" wird die Dame ungeduldig. Nein. Ich diktiere den Namen des Kindes, den sie falsch einträgt, dann gibt sie mir das Blatt mit einem Kugelschreiber, der den Geist aufgibt, als ich unterschreibe. Ich muss jetzt ein Ticket bezahlen und dann wieder kommen. Wielange dauert es dann, bis ich den Ordner mitnehmen kann, frage ich. Das kommt darauf an, ob der Ordner bei ihr ist oder noch in der Abteilung, sagt sie und macht einen folgenschweren Fehler für unsere ohnehin etwas ruppige Beziehung. Sie steht auf und geht zu einem Kasten, öffnet ihn, da stehen vier dicke Ordner und in dem vom Oktober sehe ich gleich den Namen (wieder falsch geschrieben, aber diesmal anders) meines Kindes. "Da - das ist er!" sage ich hoffnungsfroh. Sie setzt sich. "Gut!", sagt sie, "dann dauert es zehn Tage." Ich bleibe sehr freundlich. "Wieso?" - "Was, wieso?" - "Wieso nehmen sie nicht diesen Ordner und geben ihn mir?" Sie holt Luft: "Signora!" sagt sie drohend und da schwingt ein wenig von "gleich hol ich jemanden mit der Zwangsjacke!" mit, "Signora, es dauert zehn Tage!". "Warum dauert es zehn Tage, einen Ordner aus einem Kasten zu nehmen", sage ich mit unerschütterlicher Höflichkeit. "Da ist er!" schiebe ich nach. Sie klopft auf zwei Papierstöße, die im Vergleich zu denen auf meinem eigenen Schreibtisch sehr übersichtlich sind. "Warum soll ich ihnen einen Ordner früher geben, als jemandem, der am 4. Januar eingereicht hat!" Hier verpasse ich leider die passende Antwort, die gewesen wäre: "Weil ich ihn brauche", aber irgendwie sehe ich diese Ungerechtigkeit den anderen gegenüber durchaus ein. "Und außerdem ist meine Verantwortliche nicht da, sie muss das unterschreiben. Und sie ist nicht da! Schon seit drei Tagen!" Schwingt da ein wenig der Vorwurf von wegen Sodom und Gomorrha mit? "Wenn meine Vorgesetzte unterschreibt, kann es auch weniger als 10 Tage dauern, sie können anrufen." Eigentlich bedeutet das meinen Sieg, denn ich habe mir erwartet, dass sie, um mir etwas zu Fleiß zu machen, es 14 Tage dauern lässt. "Verstehen Sie?" "Ja", sage ich, "jetzt verstehe ich. Auf Wiedersehen!" "Sie müssen wiederkommen!" ruft sie mir nach, vielleicht ahnt sie schon, dass ich im Begriff bin, auf diesen Krankenhausordner zu verzichten, weil es mir vergleichsweise einfach vorkommt, neue Röntgenbilder anzufertigen. Dann habe ich die gute Idee, den Sekretär des Lebergurus anzurufen, zu dem ich das Kind bringen will, daher eben die Notwendigkeit des Ordners. Ich erkläre ihm die Situation, er sagt mir, ich soll ihm gut zuhören und schickt mich zu einer Frau, deren Namen ich mir merke, weil er einer Region Italiens entspricht, in der ich immer schon Urlaub machen wollte. Aber die Frau mir dem schönen Namen ist in der Direktion. Ist sie die abwesende Vorgesetzte? Ich sage ihrem Sekretär, worum es geht. Heute ist Freitag, der Termin beim Leberguru ist am Dienstag. Achso, naja dann. Er sagt, ich soll am Montag wieder kommen, und auf irgendeine Art werde ich zu meinem Ordner kommen. "Unmenschliche Leute" brummelt er, als ich ihm sage, dass aber doch zehn Tage dauern sollte. Er hat braune Ränder an den Fingernägeln. Vielleicht hat er gestern Unkrauft gejätet. Ich gehe an der Ordensschwester vorbei, die immer noch auf ihre Blutabnahme wartet.
Auf dem Parkplatz winke ich dem zahnlosen selbsternannten Parkplatzwächter zu, dem ich mein letztes Kleingeld, 40 Cent, gegeben hatte und der mir dafür ein Armband mit ca. 14 Mal dem Konterfei von Padre Pio geschenkt hatte. Ich fühle mich wie das leberkranke Kind, wenn es vor seinem Computerspiel sitzt und schwer vor Aufregeung atmet. Nur ein Weg führt zum Krankenhausordner. Werde ich ihn rechtzeitig finden?

Mittwoch, 23. Dezember 2009

Rosen und Pyjamas

Als ich noch regelmäßig zu unserem neuen Haus fuhr (als es noch ein Klo gab und keine Maurer meine Arbeit störten), versuchte ich das Leben aller Nachbarn zu beobachten und Schlüsse für mich daraus zu ziehen. Von der Strada statale biege ich auf unsere Hügelstraße ab, nach der Hügelstraße, die durch verschiedene Ortsteile führt, biege ich auf die Straße unseres Ortsteils ab und von dieser Straße in eine noch kleinere Straße, die zu unserem Haus führt. Obwohl man denkt, man sei nun in the middle of nowhere, begegnen einem hier durchaus Autos, die alle schon wissen, an welcher Stelle man wohin zurückschieben muss, damit das andere Auto vorbei kommt, dessen Fahrer dann ernsthaft dankbar hupt.Manchmal begegnet einem auch der uralte Traktor unseres uralten Nachbarn, der fidel rauchend mit seiner gar nicht uralten Frau von seinem Tagwerk nach Hause fährt. Besonders das Haus beim Einbiegen auf diese letzte Straße regt an. Dort scheint eine Frau alleine zu leben und ich beobachte, was sie macht, ohne sie je zu sehen. Am Ende des Sommers trocknen die Feigen auf Gittern vor den Fenstern, da sind noch ein paar Tomaten an den Sträuchern, deren Blätter schon vertrocknet sind und dann sehe ich die Paprikaschoten, die wiederum ein paar Wochen später zum Trocknen aufgehängt sind. Dann wird umgegraben, die Rosen fallen mir auf, die in all ihrer roten sonnigen Pracht doch nicht von den weißen Pyjamas ablenken können, die von der Wäschenleine baumeln. Danach sind Brokkoli und Kohl dran und trotzige Lattuga.
Sicher ist es gut, die Leute nicht zu kennen und sich Illusionen machen zu können über alles und alle und gleichzeitig ist das wenige, das ich weiß, besser als jede Vorstellung. Eine drahtige Nachbarin ist das Idol von MM, weil sie mit einem Traktor im Rückwärtsgang eine enge Straße hochfährt, während hinten ihre Mutter mit dem schwarzen Kopftuch erfreut die Beine baumeln läßt. Der 13-jährige Sohn unseres Nachbarn ist zwar in der dritten Klasse Mittelschule sitzen geblieben, dafür ist er italienischer Meister im Organetto-Spiel, einer Art kleiner Ziehharmonika, mit der man auch den Sohn unseres Obermaurers auf you tube besichtigen kann. Der schöne Mann im Audi, den ich jeden Morgen neben seiner noch schöneren Tochter den Hügel runterfahren sehe, ist der Sekretär der lokalen Gewerkschaft. Worüber ich jetzt nicht nachdenken will. Ein anderer relativ gut aussehender Mann ist der Chefkoch eines Nobelhotels in der Gegend. Zum Glück gibt es auch die weniger schönen, die täglich ihre Ziege ausführen, den zahnlosen Vater der Jungs, die im Sommer ein wenig geholfen haben, unseren Garten von Unrat zu befreien, unsere augenscheinlich normalen Nachbarn, die den Schulbus fahren und reiche Haushalte pflegen (wer weiß, was die noch für verborgene Talente haben), die Damentruppe über uns, die vormittags den kleinen Sohn/Enkel/Neffen anschreit sowie die Mutter unserer Vorbesitzerin, die immer seltener vorbeikommt,wahrscheinlich kann sie unseren Zerstörungswahnsinn nicht mitansehen.
Mehr als zehn Jahre haben wir auf einem anderen Hügel gelebt und haben nur wenige Menschen kennen gelernt. Auf unserem neuen Hügel leben wir noch gar nicht und kennen schon so viele Menschen, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben denke, ich muss allen Weihnachtskeks bringen. Der Sohn des Obermaurers fragt, ob wir wohl am 25. Dezember dort seien, von wegen Weihnachtswünschen. Ich bin sehr überrascht, habe ich ihn doch bisher für einen Androiden gehalten.
Aber wahrscheinlich träumen Androiden nicht nur von elektrischen Schafen sondern auch von a very merry christmas (and what have you done?).

Freitag, 18. Dezember 2009

I wish I was a carpenter

Im Moment geht es um die Treppe. Ich liebe Treppen. Da ich immer in der Stadt gelebt habe, habe ich nie eine Treppe im Haus gehabt. Jetzt haben wir eine Holztreppe von einem Appartement zum anderen, aber wie mein kleiner Sohn richtig durchschaut hat, gilt das nicht so recht: "In unserem neuen Haus werden wir eine richtige Treppe haben."
Seit heute weiß ich, dass Treppen auf das selbe Niveau gebracht werden, sonst stolpert man. Diese Arbeit kostet ziemlich viel Geld. Wieso ist diese Treppe nicht von vornherein auf dem selben Niveau? Wieso gibt es keine Frauen als Maurerinnen? Ich werde eines Tages leichtfüßig über diese 36 Stufen springen, von denen jede für 30 Euro auf das selbe Niveau gebracht wurde, ich werde auf dem verharren, was auf italienisch pianerottolo heißt, der deutschen Name fällt mir nicht mehr ein, der kostet wahrscheinlich 100 Euro mit seinem Zementniveau. Ich werde leichtfüßig mit Gepäck auf und ab hüpfen und nicht mehr daran denken, dass ich jetzt nicht weiß, wie wir all diese Details bezahlen sollen.
In ein paar Monaten wird sich der Obermaurer einer Herzoperation unterziehen. Im April oder im Mai. Wird er uns dann unser Haus zurückgegeben haben? Er selbst wird nicht auf den Stufen sitzen und sie geduldig auf das gleiche Niveau bringen, obwohl ihm diese Arbeit entsprechen würde. Er macht nur die wichtigen Arbeiten. Er hat die Schiebetüren für die Bäder eingesetzt und ich glaube er konnte es kaum erwarten, das zu tun.
Kann man leidenschaftlich und nicht herzkrank sein?
Im Badezimmer mit den unsäglichen türkisgrünen Stücken steht nur noch das Klo. Dieses letzte Versatzstück meiner Anwesenheit wird nächste Woche wohl auch weggerissen, um Platz für das Neue zu machen. In der Übergangszeit ist kein Platz für mich, was mich sehr quält. Aber ich habe ohnehin schon beschlossen, diese Übergangszeit mit den Kindern an einem anderen Ort zu verbringen. Ich befürchte nur, dass nach meinem Exil noch lange kein anderes Klo vorhanden sein wird.

Die Kinder sagen, wir werden das schönste Haus der Welt haben. Ich frage MM, was wir tun werden, wenn das Haus fertig ist. Im Scherz sagt er, dann hauen wir ab, denn dann müssten wir alle bezahlen. Das ist aber keine gültige Antwort. Ich denke an die Housewarming Party, zu der dann alle Arbeiter in Zivilkleidung und alle Nachbarn kommen und alle haben ein Glas Sekt in der Hand. Geht das in Süditalien? Zerkratzen sie dann den Holzboden? Ich stelle mir verschwitzte Kinder vor, die über die Treppe stürmen, die zum Glück auf gleichem Niveau ist, so dass ihr Gehirn gleichmäßig funktioniert und sie nicht stürzen. Ich stelle mir vor, dass ich mit den Maurern zum Abschied plaudere und bei dieser Vorstellung drücke ich auf ff, denn so wird das nicht sein, ich werde mit ihren Frauen plaudern und ich werde mein türkisgrünes, völlig ungeputztes Klo vermissen und die Tage, in denen wir über den Schutt stiegen und die Tage, in denen meine Kinder sagten: Mama, in diesem Haus erlaubst du uns alles! Die Tage, an denen die Nachbarn uns Brot und Frittata, Wein und Gemüse brachten. Die Tage, an denen wir draußen grillten, weil es kein drinnen mehr gab und wir so taten, als würde der Sommer nie zu Ende gehen. Die Tage, an denen sich immer ein Blick zum Dach lohnte, wer weiß, wer oben stand.
Ich glaube, wir werden sehr einsam sein, wenn das Haus fertig ist und die Housewarming Party vorüber.
Aber dann werden wir Wäsche waschen und unsere Herzen operieren und endlich alle Krimis lesen. Und wenn wir Glück haben, ist es Frühling und wir bauen wieder Tomaten an. Venite pomodori, piccoli tesori. Und dann gehen wir arbeiten und verdienen Geld, damit die Maurer wieder kommen können, denn das rosa Zimmer wird immer noch rosa und ohne neuen Boden sein und aus dem Schweinestall kann man dann ein Büro machen und das Dach wird begrünt werden. Und vom Dach werden unsere Fahnen wehen, die italienische, die österreichische, die brasilianische und die vom Regenbogen. Oder zumindest wird sich ein Windrad drehen. In Herzform. Geht das?

Io che cammino

Den gehenden Mann haben wir einige Male gesehen. Ein paar Mal früh morgens in Warteposition, auf dem Boden hockend, rauchend, ein anderes Mal gehend, aber einen völlig zerstörten Eindruck machend. Trinkt er oder macht er was anderes, nachts in seinem Zelt, das ich ihm angedichtet habe? Dann geht er wieder, die Finger unter die Rucksackgurten eingeklemmt, den Blick vor sich hingerichtet und ich bin beruhigt.

Schlechtwetter. Eben war noch ein Sonnenstrahl von Sizilien her zu sehen und plötzlich hängt vor dem Fenster ein dichter Vorhang. Ich schreibe im rosa Zimmer, einem von zwei Zimmern, die maurerfreie Zone sind. Sechs Männer hämmern, betreiben eine Mischmaschine, bohren, setzen Ziegel aufeinander und ich weiß nicht, was sonst noch alles, ich will mein Zimmer nicht verlassen. Das Innere des Hauses nimmt Formen an, zwei Badezimmer entstanden durch das Aufziehen von Wänden, und warten auf das Eintreffen des Installateurs. MM wartet auf das Eintreffen des Kostenvoranschlags des Elektrikers, nachdem der ursprüngliche Elektriker mit einer Kostenforderung ohne Kostenvoranschlag brillierte.

Es gibt Tage, da möchte ich auf dem Schutt tanzen vor Freude, an anderen will ich gar nichts, außer dass es Abend wird und ich meinen Krimi lesen kann. Während MM dieses Projekt betreut und mir allabendlich seine Ideen und Bedenken mitteilt, sollte ich eigentlich nicht hier sein, sondern unser altes Haus für den Umzug bereit machen. Dazu kann ich mich aber irgendwie nicht aufschwingen und wie eine Droge zieht mich unsere Baustelle an und ich bin erst froh, wenn ich den Hügel hochfahre, vorbei an der mittlerweile riesigen Steinmauer, der Konkurrenzbaustelle, und vor unserem Rohbau zu stehen komme, der eines Tages verputzt sein wird und dann wird alles vorbei sein.

Es ist kalt. Es ist nicht der richtige Moment zu schreiben. Das einzig Schlimme aber ist, dass es kein Wasser gibt. Es gibt noch ein Bad, das unser Obermaurer diskreter Weise mir zu Ehren noch nicht zertrümmert hat, aber ich muss mit einem kleinen Kübel Wasser nachleeren, im Moment Regenwasser, dem einzigen, das noch vorhanden ist. Wenn ich mit dem kleinen Kübel hantiere, einem Sandspielzeug meines kleinen Sohns, habe ich das Gefühl, all diese Männer hätten mir beim Pinkeln zugeschaut.

Das Verhältnis zu unserem Obermaurer ist nicht mehr so harmonisch wie noch vor einer Woche, was daran liegt, dass zusätzlich entstandene Kosten auf kleinen aus einem Block gerissenen Zettelchen zusammengerechnet und präsentiert wurden. Zwischen Hämmern und Bohren höre ich nun die Stimmen des Obermaurers, des Architekten, der zur Klärung herbeigezogen wurde. Ich wüsste gerne, an welchem Punkt sie sind, aber ich weiß, dass ich ihre Kommunikation ungeheuer hemme. Und ich muss mich auch aus manchem raushalten, weil ich mich verändern muss. Ob das in meinem Alter geht, ob das überhaupt geht. Ich darf mich nicht mehr aufregen sagt MM. Ein Bekannter hat einen Herzinfarkt oder so was ähnliches erlitten, und weil er an einem hohen Cholesterinspiegel leidet und Diabetes hat, haben ihm die Ärzte geraten, sich unter keinen Umständen aufzuregen. Wie er das machen soll, haben sie ihm sicher nicht gesagt.Da ich auch einen zu hohen Cholesterinspiegel habe, darf ich mich also nicht mehr aufregen verordnet mein Mann. Da ich ohnehin nie fern sehe, dürfte ich eigentlich auch keine Nachrichten mehr hören, denn meine Wut beginnt um sechs Uhr morgens, wenn ich höre, dass der italienische Premierminister sagt, die Liebe wird über denn Hass siegen.

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Weihnachten naht

Heute war meine Aufgabe, Weihnachtsgeschenke einzukaufen, also Spielzeug für die Kinder. Ich war fest entschlossen, zwei Kinder waren auf Schulausflug, um Krippen zu bewundern, das dritte in der Schule, ich hatte also eigentlich Unmengen Zeit, die verflossen zwischen Barbiepuppen, kleinen Figuren, von denen ich gerade mal den Namen kenne, aber keine Ahnung habe, was sie bedeuten, zwischen Zeug Zeug Zeug, mit dem Kinder nicht spielen können, sondern nur einen Moment lang auflachen. Ich aber brauche Spielzeug, ich will ruhige Weihnachtferien, ich will, dass meine Kinder studenlang unansprechbar, weil im Spiel versunken sind. Diese Spielzeuge habe ich nicht gefunden. Ich habe eine sehr teure Barbiepuppe gekauft, an die eine kleine Küche mit zahlreichen Tassen und Tellern gebunden ist (eine richtige Puppenküche oder ein Puppenhaus habe ich nämlich nicht gefunden, abgesehen von mannshohen Aufbauten oder jeder Menge Putzzeug - ich kann mich nicht erinnern, dass ich als Kind mit Miniaturausführungen putzen wollte, ich wollte auch nicht selbst in einer Plastikküche kochen, ich wollte, dass das meine Puppen taten!). Ich habe nicht das richtige fersnteuerbare Auto gefunden, da ich begonnen habe, Fernbedienungen genauer anzuschauen und mich zu fragen, ob ich will, dass ein Auto für 15 Euro einen Tag lang lebt, oder eines für 35 drei. Ich habe keine fersnteuerbaren Flugzeuge gekauft, weil ich mir vorgestellt habe, wie sie in den Dornen unterhalb unseres Hauses verschwinden, ich habe kein Skateboard gekauft, weil ich nicht den richtigen Skateboardplatz weiß, ebenso keine Roller, weil ich weiß, dass es auf einem Hügel nicht von dauerhafter Freude sein wird, auf einem Roller zu fahren. Was bleibt ist Lego (hab ich für die Befana gekauft), Zeichenmaterialien und Bücher. Aber es fehlt der Kern, das Wow, danke Babbo Natale. Babbo Natale sollte im übrigen Freude haben, die Barbiepuppe Corinne der drei Musketiere zu kaufen, aber Babbo Natale hat sichvöllig unemanzipiert gegen ein Schwert und für die Küche entschieden. Er hätte auch für Barbie als Karrierefrau, als Fernsehköchin, optiern können, aber da das Kind kein Fernsehen sieht, versteht es diese Feinheiten nicht.
Auf der Suche nach diesem Kern bin ich schließlich dehydriert, muss dringend aufs Klo und habe nicht mal die Geduld in einem Self-Service Restaurant ein Stück Pizza zu kaufen.
Durst ist das einzige, was MM zu stillen vermag, den ich nach dieser Schwerarbeit treffe, aber zum Glück ist noch ein kleiner Zeitpolster vorhanden und wir fahren unseren Hügel hoch, damit ich auf UNSER Klo gehen kann, dem ohne Fließwasser, dem mit den vielen Fußspuren am Boden, dem lang ungeputzten, aber dem unseren. Auf dem Weg hoch treffen wir die Maurer bei der anderen Baustelle in ihre Steinmauer vertieft. Ich glaube, es handelt sich um einen zenbuddhistischen Zaubertrick, Mandalas ausmalen ist was für Leute, die keine Steinmauern bauen dürfen. Unser Maurer begrüßt uns mit seinem umwerfend ergreifenden Lächeln und auf die Aussage von MM, dass der Installateur erst ab dem 20. Dezember Zeit hat, sagt er, da muss man doch Panettone essen und keine Wasserleitungen verlegen. Da wünsche ich mir, ich wäre ein Maurer in Süditalien und am 20. Dezember gehe ich heim und meine Frau stellt mir einen Panettone hin. Den hat sie ganz alleine im überfüllten Supermarkt eingekauft, während ich meine Hände über Steine gleiten lasse. Am 24. oder 25. bekommen meine Kinder tolle Geschenke, die meine Frau unter Einwirkung nervenzerfetzender Weihnachtsmusik eingekauft hat. Stunden um Stunden gibt sie das Geld meiner Kunden aus und ich setze einen Ziegel auf den anderen.
Schluss, ich will eigentlich kein Panettonedrama schreiben, ich will nicht mal einen essen, ich werde auch meinen Einkaufsoverkill verarbeiten, der nur daher kommt, dass ich nicht gewohnt bin, in Geschäften zu stöbern, dass ich alles ungeordnet und unüberischtlich finde. Eigentlich ist das Erfreuliche an diesem Tag, dass ich mich zu Hause fühle auf diesem Hügel mit seinen Steinmauern und den Menschen, die sie machen, ich tripple über die Bretter, die sich die Maurer hingelegt haben, ich schaue aufs Meer bis in den Süden, wo meine Buben auf einem Hauptplatz ein Eis verzehren, bevor sie die letzte Krippe des Tages besichtigen und eigentlich ist es doch so, dass Weihnachten nur einmal im Jahr ist, aber Steinmauern kann man immer bauen.

Im Maurerparadies

Unser Haus hat seinen Maurer gefunden. Als er kam, um seinen Lokalaugenschein abzuhalten, schaute ich aus dem Fenster im rosa Zimmer, weil ich eine Stimme hörte, und sah zwei Männer unten stehen. Ich dachte: Die Zeugen Jehovas kommen sogar bis hierher. Ich kann mir bis heute dieses Assoziation nicht richtig erklären, es muss etwas mit der Stimme zu tun haben, mit dem Insistierenden, dem Milden, dem unsäglich Geduldigen. Er sieht mich und erklärt, dass ihn der Architekt geschickt hat. Geduld habe ich ja wenig, vor allem in den Tagen vor der Fertigstellung meiner Arbeit und ich sage gereizt, mein Mann sei im Garten. Ja, sagt er, das Kind sei ihn schon holen gegangen. Das Kind. Die Art, wie er diese Worte ausspricht, lassen mich zwar immer noch an die Zeugen Jehovas denken, aber irgendwie ist es rührend. Als ich mich dann doch von meiner Arbeit wegreiße, um ihm entgegen zu gehen, sagt er, er könne das Haus auch alleine besichtigen, aber es sei gut, wenn wir hier seien, so könnten wir ihm helfen. Damals, vor fünf oder sechs Wochen, war ich leicht irritiert über dieses Wortwahl, aber heute, etwa vier Wochen, nachdem seine Firma angefangen hat, unser Haus zu verändern, weiß ich, dass unser Haus eigentlich seines ist, bis er sich entschließen wird, es uns wieder zu geben. Das ist gut für unser Haus und allen Menschen, die ein Haus bauen oder renovieren ist ein Maurer wie unserer zu wünschen.
Bei diesem Lokalaugenschein ist mir auch der Bezug zu dem anderen Mann aufgefallen, viel jünger, sein Sohn, wie sich später herausstellte, den er auf seine insistierende Art einband - da gibt es doch dieses Material E 768 nicht wahr Giovanni?.
Sein Kostenvoranschlag war höher als der seines Konkurrenten, aber der Architekt und ich taten alles, jeder auf seine Art, um ihn zu engagieren, denn es war uns beiden wohl klar, dass er eine kongeniale Verbindung im Wahnsinn mit meinem Mann eingehen würde.
Ich habe dabei aber nicht gedacht, was für eine umwerfende Wirkung dieses Engagement für mich haben würde: wenn ich ihn sehe, geht die Sonne auf. Ich habe noch nie in meinem Leben jemanden mit derartiger Liebe arbeiten sehen.
Die Arbeit an unserem Haus ist anspruchsvoll, schwierig und birgt jede Menge unerfreulicher Überraschungen. Rund ums Haus wurde aufgegraben und die Wände wurden isoliert, seit Wochen sind wir ohne Wasser, wir stolpern über Schutt, Schutt, Schutt, wo einst der pittoreske kleine Garten war, steht nur noch der Zitronenbaum trotzig, der einzige, auf den ich bestanden habe, ohne den der kleine Bagger viel leichter hätte arbeiten können, wie mir mehrfach versichert wurde. Und dennoch ist in all dieser Zerstörung etwas Erfreuliches. Das was früher war, was mir so gefallen hat, fehlt mir zu meiner Überraschung nicht, alles was unser Maurer mit seinen Mitarbeitern macht, gefällt mir, vom Verputz bis zu den Wänden, die aufgezogen werden. Alles passt. Ich bin überwältigt. Ich hätte nie gedacht, dass Maurer so insirierende Menschen sind.
Die geheime Passion unseres Maurers sind, glaube ich, Steinwände. Deshalb passt er auch zu meinem Mann, denn dass jemand verputzte Mauern für Geld freilegen lässt, das muss man erst mal verstehen. Aber ihm, dem Maurer, geht es um Außenmauern. Letztens habe ich gesehen, wie er auf einer anderen Baustelle an einer Steinmauer arbeitete, mit absoluter Hingabe. Ein Stein wurde auf einen anderen gesetzt, als wäre er aus Glas, der ein Baby, das man vorsichtig wiclen muss. Ich starre auf seine Hände, wenn ich ihn sehe, und ich möchte ihm egentlich nur die hand geben, das kann eigentlich nicht so schwierig sein und doch ergibt es sich nie, weil er immer schon was anderes in der hand hat, wenn wir uns begegnen. Heute war die Steinmauer fertig und ich habe erfahren, dass er bei uns um die Erlaubnis gebeten hat, den Kostenvoranschlag für eine Steinmauer zu unterbreiten, anstlles eines mit Steinen gefüllte mGitter, das wir zur Absicherung einer Wegs verwenden wollten. Ich gebe zu, dass ich keine Wege für Autos machen will, dass mich Parkplätze nicht interessieren und auch nicht, wo die Nachbarn ihren Wagen wenden sollen, um nicht vor unsere Garage zu fahren. Ich denke, von mir aus sollen sie vor meine Garage fahren, allein die Tatsache eine Garage zu besitzen, finde ich sehr verwirrend. Zu meinem Glück besitze nicht ich sie, sondern die Bank, die uns einen Kredit gegeben hat, aber das weiß ja niemand.
Ich denke daran, was ich zu Mittag und zu Abend koche, um meinen Kindern zu helfen, größer zu werden als ich, und mein Mann denkt an die Zukunft, in der keine Autos vor unserer Garage wenden, in der wir aus großen Glasfronten aufs Meer schauen und in der wir drei Badezimmer haben, was sicher zwei zu wenig sein werden.
In diesen Tagen des Schutts und des Hämmerns und der Pressluftbohrer fällt alles leicht. Weitgehend allein ernte ich 230 kg Oliven mit dem enttäuschenden Resultat von 28 Litern Olivenöl. Was zählt ist, geerntet zu haben. Jeden Tag aufs Neue auf alle erdenklichen Arten ganz allein die Oliven ins Netz befördert zu haben. Auch die Tomaten, die wir erst im August gepflanzt haben, werden jetzt rot, während alle anderen Nachbarn bereits umgegraben und Saubohnen gepflanzt haben. Venite pomodori, piccoli tesori.
Ich selbst möchte durch den Süden ziehen und Oliven ernten, meinen Kindern wünsche ich, Maurer zu werden, meinem Maurer wünsche ich, dass er nie den Kern seiner Lust verliert.
Únd wenn ich von diesen Gedanken beseelt unseren Hügel hinunter fahre und Autos begegne, deren Fahrer mich alle grüßen obwohl ich nicht weiß, wer sie sind, dann freue ich mich besonders über einen Beinahe-Zusammenprall mit einem kleinen Lastwagen mit freundlichen Jungs darin, die stoisch zurückschieben. Und zwar deshalb, weil es hier Jungs gibt, die arbeiten können. Die sich mit dem eigenen Geld kleine Motorräder kaufen und keine Mercedes haben, von denen sie nicht wissen, wie sie bezahlt wurden.