Ein interessanter Nebeneffekt der Baustelle sind die anthropologischen und soziologischen Studien, die MM dort betreibt, ich bin leider zu wenig dort, um viel dazu beizutragen, aber lang genug, um Unruhe zu stiften. "Si tacuisses, filosofus mansisses" (Hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben) ist einer der beiden lateinischen Sprüche, an die ich mich noch erinnere, der zweite heißt:"Nihil, nisi bene" (Nichts, außer das Gute). Den zweiten wende ich häufig an, den ersten vergesse ich dauernd. Dass ich also zum Obermaurer gesagt habe, dass die Steinwand schöner ist, als ich sie mir vorgestellt habe, wurde als: sie sah besser als auf den Fotos aus, weitergegeben, worauf MM zu OM sagte: "Na dann habe ich doch gute Arbeit geleistet, denn ich musste viele Zeichnungen anfertigen, um meine Frau zu überzeugen, dass freiliegende Steinwände toll sind." Der OM sagt zu MM: "Ach so? Ich dachte, die Signora hätte die Steinwände gewollt."
La Dattilografa versteht diesen Dialog nicht, aber sie hält ihn fest.
Was ich verstehe: MM lobt die Maurer nicht, sie wollen das von mir. Ich verstehe sie und lobe sie, meiner Meinung nach viel zu wenig.
Ich frage MM, wieso er sie nicht lobt. Er sagt, das sei so in seiner Kultur. Man darf einem Kalabresen nichts Gutes sagen, weil er sich augenblicklich so viel einbilden würde, dass er sich nicht mehr anstrengen würde. Siehe Putzfrau.
Tja, was soll man da tun? Jetzt habe ich mindestens fünf Tage hintereinander nicht ans Auswandern gedacht und nun das! Kanada!!!!
Vielleicht bin ich ja auch von den Kindern deformiert und will dauernd sagen: Bravo! Das hast du gut gemacht, weiter so! Alles falsch im kleinen Einmaleins? Macht nichts, das nächste Mal geht's besser.
Aber so bin ich gar nicht. Ich stehe da, als hätte ich der Putzfrau gesagt, sie sei eine unverzichtbare Perle, wäre dem Obermaurer um den Hals gefallen und hätte dem Tankwart "Danke danke danke fürs Selbertanken zu überhöhten Preisen" entgegengerufen und womöglich auch meine Schwägerin umarmt.
In meinem Selbstverständnis bin ich eine unfreundliche Misanthropin, aber offenbar ist sogar das relativ.
"Was hätte ich denn sagen sollen?", frage ich MM. Seine Antwort läßt vermuten, er hätte den Verstand verloren: "Du sagst einfach, du könntest es nicht beurteilen, man könne es erst sehen, wenn das Ganze fertig sei."
Ich sehe mich vor einer wunderbaren Steinwand stehen und sagen, dass ich nicht beurteilen kann, wie diese Steinwand aussieht. Ich sage: "Wissen Sie, diese Steinwand - ich weiß einfach nicht. Fragen Sie lieber meinen Mann."
Es gibt zwei Möglichkeiten: ich nehme mir einen Rechtswanwalt und klage MM wegen seelischer Grausamkeit oder ich nehme einen Kalenderspruch von Jesper Juul als Mantra mit in den Tag:
"Männer und Frauen haben eine so unterschiedliche Ausdrucksweise, dass es fast einem Wunder gleicht, dass sie einander wirklich verstehen."
An manchen Tagen tritt dieses Wunder nicht ein.
Aber ist es denn die Ausdrucksweise? Wenn ich sage: "Schön, gefällt mir", sagt MM dann:"Hmhm, mal sehen"? Ja, aber wegen der strategischen Kriegsführung. Die ist aus seiner Sicht auch ok, womöglich reißt ihm der OM wirklich die kleinen Zettel mit der Kostenaufschlüsselung aus der Hand und schreibt gleich eine Null dazu, weil der Signora die Wand gefallen hat.
Trotz dieser schwerwiegenden Uneinigkeiten suchen wir heute die Fliesen für die Badezimmer und für die Treppe (50 qm Klinkerboden!) aus und die Frau, die uns berät, ist wie eine Wahrsagerin, wie eine Therapeutin, die uns auf das Richtige zugehen läßt. Sie sagt: "Wenn ich es richtig verstanden habe, wollen sie wenige Materialien, um den Charakter des Hauses zu betonen." Sie führt uns weg vom ziegelroten Klinkerboden zu einem grauen, der eher was mit den Steinen zu tun hat und dem Haus sicher Leichtigkeit und Eleganz verleihen wird. Ich fühle mich auch schon leichter. Ihr ist es auch zu verdanken, dass ich MM verzeihe, dass er meinen kreativen Vorschlag, im Badezimmer einen orangefarbenen Streifen anzubringen, abgeschmettert hat. "Wenige Materialien" ist das Stichwort.
Erst wollte ich beleidigt NIE MEHR ein Wort zu den Maurern sagen, einen Gruß murmelnd vorbeigehen (eine Burqa könnte mir dabei helfen), aber mittlerweile verstehe ich, dass es wie so oft um "Il giuoco delle parti" (Dt.: wer das Spiel verstanden hat) geht. "Pirandello!" ruft MM manchmal mit dem Blick "Hast du es immer noch nicht verstanden?"
Samstag, 20. Februar 2010
Freitag, 19. Februar 2010
La signora prende un'aperitivo
Eine Welle nicht gleich sichtbaren Erfolgs hat mich auf den Hauptplatz der Stadt geführt, wo ich nun im ersten Stock eines wunderbaren Cafès sitze und auf den zähflüssigen Mittagsverkehr schaue. Ich frage die Kellnerin, ob ich hier oben essen muss, oder ob ich auch nur einen Aperitif einnehmen kann und ob es stört, wenn ich meinen Computer auspacke. Sie gibt mir eine Antwort, die eine höflichere Formulierung von "Bitte machen Sie was Sie wollen, nichts ist mir gleichgültiger als das" ist, aber sie ist sehr nett und setzt mich neben die Steckdose. Manchmal liebe ich die italienische Wurschtigkeit.
Erster Erfolg: nachdem ich bereits frühmorgens an der Schwelle zu einem Wutanfall stehe (Immer ich, immer ich, immer ich habe keine Zeit zum Zähneputzen und schnappe mir parallel zu der im Dauereinsatz stehenden elektrischen Zahnbürste ein Vorgängermodell dessen Bürste kaum in den Mund passt, so groß ist sie) sagt ein Kind, als ich meinen Computer (schon wieder 7.15 statt 7.10) in den Kofferraum werfe: "Wie bist du schön!". Es wird benebelt von der Parfümwolke sein, in die ich mich zähneknirschend gehüllt habe, oder ist es, weil ich heute zum ersten Mal seit drei Monaten keinen Rollkragenpullover anhabe? Heute morgen wurden wir von 21 Grad überrascht, und bereits die zweite aus dem Kasten gerissene Bluse passt zur Hose. Ich bin also sehr milde gestimmt. Das Kind wird sicherlich einmal in die Politik gehen.
Zweiter Erfolg mit Hindernissen: ich komme auf unserer Baustelle an und muss das Auto rückwärts auf einer steilen Auffahrt parken. Der Motor stirbt dreimal ab, die Reifen drehen im Schlamm durch, beim Aussteigen muss ich fast aus dem Auto springen, so hoch steht es, ich hasse MM, der sich sowas blödes hat einfallen lassen, ich bin überzeugt, dass mir mindestens 8 Maurer zugeschaut haben, die sich in ihren völlig ungerechtfertigten Vorurteilen bestätigt fühlen, ich gehe also mit rotem Kopf durch "il fango", den Schlamm, der sich in diesen Tagen gebildet hat, springe über die großen roten Schläuche und rede mir ein, dass ich das mit dem Parken sehr gut hingekriegt habe. Vor der (grünen) Tür zum rosa Zimmer stehen der Obermaurer und Maurer Adriano, der in die Kunst der Steinwandrenovierung eingeführt wird. Der Obermaurer begrüßt mich mit veritabler Begeisterung:"Ooh, Signora!"Das ist aber noch nicht der Erfolg. Auch die wirklich wunderbare Steinwand rund um unsere Schlafzimmertür ist es noch nicht. Ich sage es ihm, sie ist schöner, als ich es mir vorgestellt habe. Ich sage: "Können Sie sich jetzt verwirklichen?" Er sagt: "Wie bitte?" Ich sage: "Ist es nicht schöner, solche Mauern zu machen, als Ziegelwände?" Jetzt versteht er mich, aber wahrscheinlich hat er Angst, er müsste nun mir was zahlen, wie Tom Sawyer, der sich beschenken ließ, um den anderen Jungs die Erlaubnis zu geben, den Zaun der Tante zu streichen. Natürlich macht ihm das mehr Spaß und am meisten hasst er Rigipswände, aber die Leute wollen halt schnell bauen und die wenigsten Maurer könnten überhaupt noch Steinwände machen. Alles was ich mir über diese Steinwände denke, fällt mir nicht mehr ein und ich sage also: "Na dann gute Arbeit noch." Er sagt: "Ihnen auch, Sie sind ja auch zum Arbeiten hier."
You made my day!!
"Oh ja", sage ich. Aber dass er das weiß?! Dass ein Mann wahrnimmt, dass eine Frau, die Stunden allein in einem Zimmer verbringt, arbeitet?!
Und jetzt hier im Cafè Renzelli mit einem Olivenkern im Mund, vor mir ein halb gegessener Aperitiv mit kleinem Bätterteiggebäck, Oliven, Salzmandeln und Chips. In einer halben Stunde muss ich zu arbeiten beginnen, hoffentlich vergesse ich nicht, hier wieder wegzugehen.
Gestern kam MM nachmittags heim und legte sich sofort aufs Sofa, das Kind, dankbar vor seinen mathematischen Problemen fliehend, zog ihm die Schuhe aus, da schlief er bereits. MM hatte auch mit seinem kleinen Hammer namens "Bicozza" Verputz von den Wänden geschlagen. Als er wieder aufwachte, erzählte er, dass jetzt das Haus zu erkennen wäre. Auch der Obermaurer und der Architekt würden es schön finden. MM scherzte, er könne es ihnen ja verkaufen. Der Architekt meinte, es gäbe viele alte Häuser zu renovieren. Ich sage, na dann können sie ja loslegen, der Architekt und der Obermaurer, nachdem wir den Prototyp geschaffen haben. Oder gefiele das den Leuten nicht? MM glaubt, dass es allen Männern gefallen würde, aber den Ehefrauen nicht. Ich bin beunruhigt.
Aber es stimmt gar nicht, dass es so viele alte Häuser zu renovieren gibt. Alte Häuser gibt es zwar genug, aber sie werden nicht verkauft. Weil für die 7-8 Erben einzeln wenig rausschaut. Die lassen dann lieber das Dach einstürzen. Oder sie haben eben viel zu hohe Preise und warten auf den legendären Engländer, der genug Geld hat. Alte Häuser im Familienbesitz hingegen bleiben stehen und daneben wird dann der Neubau aufgezogen. Das wurde zum Sinnbild der kalabresischen Architektur. Das andere Sinnbild sind die unverputzten Häuser, was ich jetzt gut verstehen kann, seit ich weiß, was das Verputzen kostet. Wir allerdings haben bereits die Farbe des Verputzes ausgesucht. Und das Gerüst steht ja auch schon, ein weiterer gigantischer Kostenfaktor. Deshalb wird die Seite zum Nachbarn hin unverputzt bleiben. Das ist ein wenig unverschämt, aber so kennt er das Haus jetzt seit mehr als 17 Jahren, denn solange sind die Vorbesitzer schon weggezogen. MM war allerdings so freundlich oder so besonnen, die Maurer wieder Regenabflüsse abreißen zu lassen, die diese frech in den Garten des Nachbarn gerichtet haben.
Unser Haus besteht aus drei Teilen. Dem Kern, der mehr als hundert Jahre alt ist und in Form eines "Torrione" gebaut ist, das heißt, die Wände sind unten breit und verjüngen sich nach oben. Das sind vier Räume: was unverdächtig als Esszimmer gedacht sein könnte, wird unser Medienraum (Computer und Fernseher), dann die Küche, oben das Schlafzimmer und ein Zimmer, das auf italienisch Studio heißt, ein Arbeitszimmer. Seitlich wurde ein Haus angebaut, das sicherlich auch sechzig Jahre alt ist. Für uns heißt es "Das Haus der Schwester". Das können wir derzeit nicht renovieren, sonst hätten wir dort eine schöne Küche gemacht. So wird es der Eingang (mit der alten Holztür und dem großen Schlüssel, wie bei der Uroma) und oben ist das rosa Zimmer, das mein Arbeitszimmer wird, solange der Schweinestall unrenoviert bleibt. Dann haben die Vorbesitzer, um die Verwinkelung zur Perfektion zu treiben, einen Neubau hingestellt, der die berühmte Treppe beinhaltet, oben ein Zimmer und ein Bad vorsah, woraus wir ein Zimmer und zwei Bäder gemacht haben und unten eine überdachte Terrasse, was unser "Salon" mit den großen Fensterfronten und einem Badezimmer wird. Anschließend kommen "il forno", ein kleines Häuschen mit einem riesigen Holzofen für Pizza und Brot und "il magazzino", ein langgezogener Raum mit einem Fenster ohne Glas, nur mit Holz. Unterhalb gibt es noch "la cantina", den Keller, der aber nicht unter der Erde ist, und in dem ich schon lange nicht mehr war. Dort haben die Vorbesitzer netterweise ungefähr 100 l sauren Wein gelassen. Vielleicht sollte ich mich in der Essigproduktion versuchen. Am Beginn des Obstgartens steht noch ein Schweinestall, aber nicht meiner, meiner ist neben dem Haus. Im unteren Schweinestall wollten die Künstler in der Familie einmal ein Atelier machen. Außerdem gibt es noch eine Garage und daneben einen überdachten Platz, an dem die Freiluftdusche stehen wird. Wo früher eine Treppe zu "la cantina" hinunter führte, gibt es jetzt eine Terrasse. Die 50 qm Terrasse oben ist eigentlich das Dach des Neubaus. Über dem rosa Zimmer gibt es auch ein Flachdach, wo im Moment "la passerella", der Übergang, den die Maurer geschaffen haben, endet. Über dem alten Teil gibt es einen Dachboden mit einem Dach mit alten Dachschindeln. Ich denke, dass in den nächsten Jahren das größte Kind dort einziehen könnte. Hauptsache, es macht mir keiner den Schweinestall abspenstig! Eigentlich wollten wir ein begrüntes Dach, aber das hat uns der Architekt verboten, denn das Dach ist nicht stabil genug, um das große Gewicht auszuhalten. Der Neubau muss nämlich viel mehr renoviert werden als der alte Teil und als der Obermaurer den Boden der überdachten Terrasse aufstemmen musste, die jetzt unser Salon wird, hätte er angeblich fast geflucht. Geflucht wird nämlich nicht auf seinen Baustellen. Aber der Zement war so unverwüstlich, wie man es sich von den tragenden Säulen gewünscht hätte.
Nicht zu fluchen macht orginell: zwischen zusammengebissenen Zähnen hätte er gesagt, er müsse demnächst einen Kredit aufnehmen, um die Leute zu zahlen, die diesen Zement aufrissen. Vielleicht auch ein neues Lebensmotto: statt "porca puttana!" und "per la miseria!" zu rufen, schieben wir jetzt ein bonmot nach dem andern raus. Ich schlage das den Kindern vor, ich habe ohnehin schon drei Worte, die mit C beginnen, auf die schwarze Liste gesetzt.
Erster Erfolg: nachdem ich bereits frühmorgens an der Schwelle zu einem Wutanfall stehe (Immer ich, immer ich, immer ich habe keine Zeit zum Zähneputzen und schnappe mir parallel zu der im Dauereinsatz stehenden elektrischen Zahnbürste ein Vorgängermodell dessen Bürste kaum in den Mund passt, so groß ist sie) sagt ein Kind, als ich meinen Computer (schon wieder 7.15 statt 7.10) in den Kofferraum werfe: "Wie bist du schön!". Es wird benebelt von der Parfümwolke sein, in die ich mich zähneknirschend gehüllt habe, oder ist es, weil ich heute zum ersten Mal seit drei Monaten keinen Rollkragenpullover anhabe? Heute morgen wurden wir von 21 Grad überrascht, und bereits die zweite aus dem Kasten gerissene Bluse passt zur Hose. Ich bin also sehr milde gestimmt. Das Kind wird sicherlich einmal in die Politik gehen.
Zweiter Erfolg mit Hindernissen: ich komme auf unserer Baustelle an und muss das Auto rückwärts auf einer steilen Auffahrt parken. Der Motor stirbt dreimal ab, die Reifen drehen im Schlamm durch, beim Aussteigen muss ich fast aus dem Auto springen, so hoch steht es, ich hasse MM, der sich sowas blödes hat einfallen lassen, ich bin überzeugt, dass mir mindestens 8 Maurer zugeschaut haben, die sich in ihren völlig ungerechtfertigten Vorurteilen bestätigt fühlen, ich gehe also mit rotem Kopf durch "il fango", den Schlamm, der sich in diesen Tagen gebildet hat, springe über die großen roten Schläuche und rede mir ein, dass ich das mit dem Parken sehr gut hingekriegt habe. Vor der (grünen) Tür zum rosa Zimmer stehen der Obermaurer und Maurer Adriano, der in die Kunst der Steinwandrenovierung eingeführt wird. Der Obermaurer begrüßt mich mit veritabler Begeisterung:"Ooh, Signora!"Das ist aber noch nicht der Erfolg. Auch die wirklich wunderbare Steinwand rund um unsere Schlafzimmertür ist es noch nicht. Ich sage es ihm, sie ist schöner, als ich es mir vorgestellt habe. Ich sage: "Können Sie sich jetzt verwirklichen?" Er sagt: "Wie bitte?" Ich sage: "Ist es nicht schöner, solche Mauern zu machen, als Ziegelwände?" Jetzt versteht er mich, aber wahrscheinlich hat er Angst, er müsste nun mir was zahlen, wie Tom Sawyer, der sich beschenken ließ, um den anderen Jungs die Erlaubnis zu geben, den Zaun der Tante zu streichen. Natürlich macht ihm das mehr Spaß und am meisten hasst er Rigipswände, aber die Leute wollen halt schnell bauen und die wenigsten Maurer könnten überhaupt noch Steinwände machen. Alles was ich mir über diese Steinwände denke, fällt mir nicht mehr ein und ich sage also: "Na dann gute Arbeit noch." Er sagt: "Ihnen auch, Sie sind ja auch zum Arbeiten hier."
You made my day!!
"Oh ja", sage ich. Aber dass er das weiß?! Dass ein Mann wahrnimmt, dass eine Frau, die Stunden allein in einem Zimmer verbringt, arbeitet?!
Und jetzt hier im Cafè Renzelli mit einem Olivenkern im Mund, vor mir ein halb gegessener Aperitiv mit kleinem Bätterteiggebäck, Oliven, Salzmandeln und Chips. In einer halben Stunde muss ich zu arbeiten beginnen, hoffentlich vergesse ich nicht, hier wieder wegzugehen.
Gestern kam MM nachmittags heim und legte sich sofort aufs Sofa, das Kind, dankbar vor seinen mathematischen Problemen fliehend, zog ihm die Schuhe aus, da schlief er bereits. MM hatte auch mit seinem kleinen Hammer namens "Bicozza" Verputz von den Wänden geschlagen. Als er wieder aufwachte, erzählte er, dass jetzt das Haus zu erkennen wäre. Auch der Obermaurer und der Architekt würden es schön finden. MM scherzte, er könne es ihnen ja verkaufen. Der Architekt meinte, es gäbe viele alte Häuser zu renovieren. Ich sage, na dann können sie ja loslegen, der Architekt und der Obermaurer, nachdem wir den Prototyp geschaffen haben. Oder gefiele das den Leuten nicht? MM glaubt, dass es allen Männern gefallen würde, aber den Ehefrauen nicht. Ich bin beunruhigt.
Aber es stimmt gar nicht, dass es so viele alte Häuser zu renovieren gibt. Alte Häuser gibt es zwar genug, aber sie werden nicht verkauft. Weil für die 7-8 Erben einzeln wenig rausschaut. Die lassen dann lieber das Dach einstürzen. Oder sie haben eben viel zu hohe Preise und warten auf den legendären Engländer, der genug Geld hat. Alte Häuser im Familienbesitz hingegen bleiben stehen und daneben wird dann der Neubau aufgezogen. Das wurde zum Sinnbild der kalabresischen Architektur. Das andere Sinnbild sind die unverputzten Häuser, was ich jetzt gut verstehen kann, seit ich weiß, was das Verputzen kostet. Wir allerdings haben bereits die Farbe des Verputzes ausgesucht. Und das Gerüst steht ja auch schon, ein weiterer gigantischer Kostenfaktor. Deshalb wird die Seite zum Nachbarn hin unverputzt bleiben. Das ist ein wenig unverschämt, aber so kennt er das Haus jetzt seit mehr als 17 Jahren, denn solange sind die Vorbesitzer schon weggezogen. MM war allerdings so freundlich oder so besonnen, die Maurer wieder Regenabflüsse abreißen zu lassen, die diese frech in den Garten des Nachbarn gerichtet haben.
Unser Haus besteht aus drei Teilen. Dem Kern, der mehr als hundert Jahre alt ist und in Form eines "Torrione" gebaut ist, das heißt, die Wände sind unten breit und verjüngen sich nach oben. Das sind vier Räume: was unverdächtig als Esszimmer gedacht sein könnte, wird unser Medienraum (Computer und Fernseher), dann die Küche, oben das Schlafzimmer und ein Zimmer, das auf italienisch Studio heißt, ein Arbeitszimmer. Seitlich wurde ein Haus angebaut, das sicherlich auch sechzig Jahre alt ist. Für uns heißt es "Das Haus der Schwester". Das können wir derzeit nicht renovieren, sonst hätten wir dort eine schöne Küche gemacht. So wird es der Eingang (mit der alten Holztür und dem großen Schlüssel, wie bei der Uroma) und oben ist das rosa Zimmer, das mein Arbeitszimmer wird, solange der Schweinestall unrenoviert bleibt. Dann haben die Vorbesitzer, um die Verwinkelung zur Perfektion zu treiben, einen Neubau hingestellt, der die berühmte Treppe beinhaltet, oben ein Zimmer und ein Bad vorsah, woraus wir ein Zimmer und zwei Bäder gemacht haben und unten eine überdachte Terrasse, was unser "Salon" mit den großen Fensterfronten und einem Badezimmer wird. Anschließend kommen "il forno", ein kleines Häuschen mit einem riesigen Holzofen für Pizza und Brot und "il magazzino", ein langgezogener Raum mit einem Fenster ohne Glas, nur mit Holz. Unterhalb gibt es noch "la cantina", den Keller, der aber nicht unter der Erde ist, und in dem ich schon lange nicht mehr war. Dort haben die Vorbesitzer netterweise ungefähr 100 l sauren Wein gelassen. Vielleicht sollte ich mich in der Essigproduktion versuchen. Am Beginn des Obstgartens steht noch ein Schweinestall, aber nicht meiner, meiner ist neben dem Haus. Im unteren Schweinestall wollten die Künstler in der Familie einmal ein Atelier machen. Außerdem gibt es noch eine Garage und daneben einen überdachten Platz, an dem die Freiluftdusche stehen wird. Wo früher eine Treppe zu "la cantina" hinunter führte, gibt es jetzt eine Terrasse. Die 50 qm Terrasse oben ist eigentlich das Dach des Neubaus. Über dem rosa Zimmer gibt es auch ein Flachdach, wo im Moment "la passerella", der Übergang, den die Maurer geschaffen haben, endet. Über dem alten Teil gibt es einen Dachboden mit einem Dach mit alten Dachschindeln. Ich denke, dass in den nächsten Jahren das größte Kind dort einziehen könnte. Hauptsache, es macht mir keiner den Schweinestall abspenstig! Eigentlich wollten wir ein begrüntes Dach, aber das hat uns der Architekt verboten, denn das Dach ist nicht stabil genug, um das große Gewicht auszuhalten. Der Neubau muss nämlich viel mehr renoviert werden als der alte Teil und als der Obermaurer den Boden der überdachten Terrasse aufstemmen musste, die jetzt unser Salon wird, hätte er angeblich fast geflucht. Geflucht wird nämlich nicht auf seinen Baustellen. Aber der Zement war so unverwüstlich, wie man es sich von den tragenden Säulen gewünscht hätte.
Nicht zu fluchen macht orginell: zwischen zusammengebissenen Zähnen hätte er gesagt, er müsse demnächst einen Kredit aufnehmen, um die Leute zu zahlen, die diesen Zement aufrissen. Vielleicht auch ein neues Lebensmotto: statt "porca puttana!" und "per la miseria!" zu rufen, schieben wir jetzt ein bonmot nach dem andern raus. Ich schlage das den Kindern vor, ich habe ohnehin schon drei Worte, die mit C beginnen, auf die schwarze Liste gesetzt.
Dienstag, 16. Februar 2010
Hurra!
Auf MMs Computer, der vor mir steht, sehe ich ein Foto von unserer Terrasse. Die kleinen "Iglus" sind schon zu einem Drittel verlegt, die Eisenstangen sind eingesetzt, ich sehe im Hintergrund das Meer, im Mittelgrund die Palme vor dem grünen Hügel auf der anderen Seite des Flusses, im Vordergrund einen gelben Maurerkübel. Rechts vor dem Meer steht die große Eiche, UNSERE Eiche. Die Terrasse (eigentlich das Dach unseres Hauses, denn es wird noch eine Terrasse vor dem Haus geben, misst 50 qm. MM sagt, der Obermaurer hätte sich soweit vorgewagt, zu sagen, wir hätten die schönste Terrasse des ganzen Ortsteils. Der ganze Ortsteil? Wieviel Häuser mögen das sein? Das ist zu wenig! Ich gehe nachfragen. Nein, die schönste Terrasse dieses Teils des Hügels, also jetzt geht es schon um 200 Häuser. Trotzdem zu wenig. Aber immerhin, das ist seine Welt, diese Terrassen kennt der Maurer, insofern ist dieses Urteil glaubwürdig. Er hat auch noch ein anderes Urteil abgegeben und zwar, dass er glaubt, zu Ostern nichts mehr am Haus zu tun zu haben. Ostern. Das hab ich doch gesagt: zuerst war Weihnachten als Umzug angedacht, das wars nicht, dann eben Ostern. Gut, wenn die Maurer weg sind, dann heißt das immer noch: Fenster, Fußböden, Türen. Es heißt nicht: Fliesen, denn die legen komischerweise auch die Maurer. Irgendwann dazwischen müssen die Elektroleitungen eingezogen werden, die Schläuche wurden bereits verlegt und der Installateur muss fertig machen. Die Heizkörper kaufen wir erst nach dem Sommer und ich hoffe wir werden nicht einer der vielen kalabresischen Haushalte, in denen die Anschlüsse für die Heizkörper jahrelang verwaist aus der Wand rausstehen.
Dass ich ein noch nicht ganz fixes Jobangebot für die Monate April bis Juni habe, führt meine Hände irgendwie automatisch zum Kopf, wo ich mir das Haar ausreißen möchte. Wird meine Familie allein übersiedeln? Werde ich dann ankommen und einen drei Tage dauernden Schrei ausstoßen? Wird in meinem Bett IM NEUEN SCHLAFZIMMER ein Teddybär schlafen? Im neuen Schlafzimmer wurde heute eine Steinwand gebaut, die mich vor Freude ganz verliebt macht. Vielleicht dauert aber doch alles länger und wir werden im Juni mit weniger hohen Schulden Kisten schleppen. Wer weiß.
Der Obermaurer hat angeboten, den hinteren Teil des Hauses vom Verputz freizulegen, auf dass die Steinwand herauskommt, und das jetzt zu machen, auch wenn wir es erst später bezahlen würden. Denn wenn sie das später machen würden, hätten wir erst recht wieder Dreck im Haus. "Leider," sagt er mit beschämtem Blick, "wir Maurer machen Schmutz". "Aber das macht doch nichts!" möchte ich rufen. Hätte er nur nie so unvorsichtige Statements vor dem Kind abgegeben, das später im Auto zu mir sagt: "Weißt du, die Maurer sind tüchtig. Aber es sind SCHMUTZFINKEN!" Und er wird es den Maurern reindrücken, dessen bin ich mir sicher.
Andere aufregende Fotos zeigen den Bagger der Gemeinde, der den Erdrutsch beseitigt. Ein drohender Erdrutsch in unserem neuen Ort war auch der Grund für die Straßensperre der Staatsstraße, auf der ohnehin schon alle LKWs fahren, weil die Autobahn gesperrt ist. All dieser Verkehr zwängte sich durch die engen Gassen der Marina des Orts. Laut MM kam man in 10min 10m weiter.
Eine Szene, die ich gerne miterlebt hätte, ist die Abfahrt der Maurer in ihrem praktischen Fiat Fiorino, der leider nicht mehr fährt, wenn die Tankuhr Reserve anzeigt. Der Sohn beschuldigte den Vater, nicht getankt zu haben, der Vater war wieder mal "distratto", zerstreut, wie es eben echte Genies sind, die es auch unter Maurern gibt. Angeblich sind sie den ganzen Weg zu sich nach Hause im Retourgang gefahren, denn dann steht das Auto so, dass Diesel in den Motor strömt. Ich werde die Strecke abmessen, aber es handelt sich um etwa einen Kilometer auf einer engen kurvigen Straße. Kompliment.
MM sagt, er hätte an mich gedacht, als er das gesehen hätte, und dass ich das Auto angezündet hätte. Immer wenn MM an mich denkt, kommt dabei ein schreckliches Bild von mir heraus. In der Vorstellung von mir selbst würde ich diesen Fiorino einfach immer schön tanken, in Wirklichkeit bin ich aber wahrscheinlich auch jemand, der gern auf Reserve fährt.
Letztens hat er an mich gedacht, als er erfuhr, dass unsere Nachbarin ein Mittagessen für 27 Personen zubereitet hat. Aber das ist ein eigenes Thema.
Seit ein paar Stunden weht Scirocco, der warme Wind aus Afrika, wenn man aus dem Haus geht, weht einem heiße Kuft wie aus einem Fön ins Gesicht. Die Scheiben des Autos sind mit Wüstensand verschmiert. Hoffentlich trocknet der Schaden, den der Dauerregen angerichtet hat. Und so ein Glück, dass Aschermittwoch sein wird und wir nicht mehr feiern müssen.
Dass ich ein noch nicht ganz fixes Jobangebot für die Monate April bis Juni habe, führt meine Hände irgendwie automatisch zum Kopf, wo ich mir das Haar ausreißen möchte. Wird meine Familie allein übersiedeln? Werde ich dann ankommen und einen drei Tage dauernden Schrei ausstoßen? Wird in meinem Bett IM NEUEN SCHLAFZIMMER ein Teddybär schlafen? Im neuen Schlafzimmer wurde heute eine Steinwand gebaut, die mich vor Freude ganz verliebt macht. Vielleicht dauert aber doch alles länger und wir werden im Juni mit weniger hohen Schulden Kisten schleppen. Wer weiß.
Der Obermaurer hat angeboten, den hinteren Teil des Hauses vom Verputz freizulegen, auf dass die Steinwand herauskommt, und das jetzt zu machen, auch wenn wir es erst später bezahlen würden. Denn wenn sie das später machen würden, hätten wir erst recht wieder Dreck im Haus. "Leider," sagt er mit beschämtem Blick, "wir Maurer machen Schmutz". "Aber das macht doch nichts!" möchte ich rufen. Hätte er nur nie so unvorsichtige Statements vor dem Kind abgegeben, das später im Auto zu mir sagt: "Weißt du, die Maurer sind tüchtig. Aber es sind SCHMUTZFINKEN!" Und er wird es den Maurern reindrücken, dessen bin ich mir sicher.
Andere aufregende Fotos zeigen den Bagger der Gemeinde, der den Erdrutsch beseitigt. Ein drohender Erdrutsch in unserem neuen Ort war auch der Grund für die Straßensperre der Staatsstraße, auf der ohnehin schon alle LKWs fahren, weil die Autobahn gesperrt ist. All dieser Verkehr zwängte sich durch die engen Gassen der Marina des Orts. Laut MM kam man in 10min 10m weiter.
Eine Szene, die ich gerne miterlebt hätte, ist die Abfahrt der Maurer in ihrem praktischen Fiat Fiorino, der leider nicht mehr fährt, wenn die Tankuhr Reserve anzeigt. Der Sohn beschuldigte den Vater, nicht getankt zu haben, der Vater war wieder mal "distratto", zerstreut, wie es eben echte Genies sind, die es auch unter Maurern gibt. Angeblich sind sie den ganzen Weg zu sich nach Hause im Retourgang gefahren, denn dann steht das Auto so, dass Diesel in den Motor strömt. Ich werde die Strecke abmessen, aber es handelt sich um etwa einen Kilometer auf einer engen kurvigen Straße. Kompliment.
MM sagt, er hätte an mich gedacht, als er das gesehen hätte, und dass ich das Auto angezündet hätte. Immer wenn MM an mich denkt, kommt dabei ein schreckliches Bild von mir heraus. In der Vorstellung von mir selbst würde ich diesen Fiorino einfach immer schön tanken, in Wirklichkeit bin ich aber wahrscheinlich auch jemand, der gern auf Reserve fährt.
Letztens hat er an mich gedacht, als er erfuhr, dass unsere Nachbarin ein Mittagessen für 27 Personen zubereitet hat. Aber das ist ein eigenes Thema.
Seit ein paar Stunden weht Scirocco, der warme Wind aus Afrika, wenn man aus dem Haus geht, weht einem heiße Kuft wie aus einem Fön ins Gesicht. Die Scheiben des Autos sind mit Wüstensand verschmiert. Hoffentlich trocknet der Schaden, den der Dauerregen angerichtet hat. Und so ein Glück, dass Aschermittwoch sein wird und wir nicht mehr feiern müssen.
Montag, 15. Februar 2010
non tutto il male viene per nuocere
Habe ich gestern noch gedacht, zum Glück ist heute Montag? Was genau hat mich veranlasst zu denken, ein Montag wäre super?
Als der Wecker läutet, beende ich eben einen Traum, in dem ich versuche eine Schnellbahn zu erreichen, von der über Lautsprecher angekündigt wird, dass sie zum Abfahren bereits ist. Die Kinder (und der Hund?) laufen schnell eine Treppe hoch, ich sehe nur das Geländer, an dem ich mich mit beiden Händen festhalte und mich mühsam hochziehe, meine Beine sind bleischwer und ich komme nicht voran. Ich denke, dass mein Handy in einem Rucksack ist, den die Kinder tragen, ich kann ihnen also nicht einmal sagen, dass sie an der nächsten Station aussteigen und warten sollen. Ich glaube, am Ende des Traums ziehen sie mich die Treppe hoch. Ich interpretiere den Traum mit Müdigkeit.
Um 7.15 statt um 7.10 renne ich aus dem Haus und springe ins Auto, in dem die Kinder schon sitzen. Ich bin die einzige, die sich die Zähne nicht putzen konnte, ich habe kein Unterhemd unter dem Pullover und ich denke, wurst, ich hab eh mit niemandem zu tun. Zuerst scheint das zuzutreffen, denn nicht einmal der Schulbus steht mehr an der üblichen Stelle, obwohl wir dort nur drei Minuten zu spät ankommen. Ich fahre die Kinder in den Ort, in dem sie umsteigen müssen, gleichzeitig kommt der leere Schulbus an. "Ich dachte, es kommt heute niemand!", sagt der Schulbusfahrer. Faschingsmontag. Morgen ist frei. Die Kinderlein sitzen vor dem Fernseher zu Hause. Außer die mit der Mutter mit den ungeputzten Zähnen. Ich sehe die Schulwartin auf die Schule zugehen und wir nähern und auch an. Die Kinder dürfen schon um 7.35 statt um 8.00 in die Schule und das dritte Kind und ich geben Gas. Auf halbem Weg blinkt uns ein Autobuschauffeur an und deutet, langsamer zu fahren. Aha, ein Unfall. MM, der schon lange vor uns den Zug in die Stadt genommen hat, glaubt nicht wie ich an Rucksäcke voller Schutzengel, aber er würde sagen:"Non tutto il male viene per nuocere". (Nicht alles Schlechte kommt, um Schaden anzurichten.) Wären wir 15 Minuten früher dran gewesen, wäre das nun zerdepschte Auto vielleicht auf uns gechleudert.
Vor der Schule nähe ich im Auto schnell noch zwei Knöpfe auf die Schulschürze. Das Kind findet mich super und küsst mich nass auf die Nase. Es kennt eben keine Mutter, die das vor drei Tagen unauffällig und selbstverständlich gemacht hätte. Da heute der Geburtstag des Kindes ist, schleppen wir auch eine Einkaufstüte voll Aranciata und Salatini in die Schule, ich begegne also auch der Lehrerin, von der ich mich weit entfernt halte, wegen den ungeputzten Zähnen
Aus verschiedenen Gründen beschließe ich, den Vormittag im rosa Zimmer zu verbringen, einer der Gründe ist die Sonne, die auf unseren Ort schien, den ich schon aus 25 km Entfernung sehe, weil das Meer eine Bucht macht. Im Sonnenschein arbeitet Stefano mit der Spitzhacke am Wassergraben, ich kann ihm die Motorsäge aushändigen, auf dem Dach stehen drei Maurer zwischen weißen Säcken, die wie überdimensionierte Mozzarellapackungen aussehen, und winken. Ich arbeite, begleitet vom Hämmern und von unverständlichen Dialogen, darf mich kurz vor der Abreise noch nützlich machen und die Winkel für die Dachrinnen finden. Leider drücken sich die Maurer sehr seltsam aus, so dass ich nicht recht weiß, wonach ich in MMs kleinem Lager suchen soll. Ich kenne das Wort Dachrinne, aber das haben sie nicht gesagt, vielleicht haben sie geglaubt ich kenne es nicht und wollten sich einfacher ausdrücken? Am Ende suche ich etwas namens "stotz", das "testa di moro" ist. "Stotz" ist aber meiner Meinung nach ein Sicherungskasten und testa di moro könnte dunkelbraun sein, der Kopf des Mohren, Julius Meinl halt. Der Obermaurer, Gentleman wie immer, sagt: "Wir wollen Sie aber nicht länger aufhalten, Signora." Wahrscheinlich denkt er, jetzt ist sie schon drei Stunden da, ohne aufs Klo gegangen zu sein, bald geschieht ein Unglück. Aber da die Maurer dem Regen, der das Haus verwüstet, den Kampf angesagt haben, bin ich froh, dass ich auch etwas beitragen kann. Ich biete die Winkel an und der Obermaurer tut so, als hätte ich das Ei des Kolumbus gefunden. Mir gefällt die Maurerphilosophie, die erst in den Griff bekommen müssen, was sonst ihre Arbeit kaputt macht. Das kann man eigentlich auf jeden Lebensbereich anwenden.
Das erste, was die Kinder nach der Schule erzählen, ist, dass Giulia sich heute in die Hosen gemacht hat. Ich kenne das, diese neunjährigen Mädchen, die sich in die Hosen machen und anschließend mit dem touchscreen Handy ihre Mütter anrufen, damit sie ihnen neue Hosen bringen. Giulia ist offenbar anders und hat sich zu Unrecht angemacht, denn das Klo war zu lange besetzt, und die Mutter wegen den frischen Hosen wurde von der Maestra angerufen.
Da sieht man wieder, wie wichtig Klos sind. Da soll der Sohn des Maurers nicht sagen:"Professo', jetzt haben sie aber genug Badezimmer!"
Um halb vier Uhr putze ich mir endlich genussvoll die Zähne. Nach dem Nachhausekommen hasse ich kräftig die Putzfrau, die das schmutzige Geschirr zum sauberen in die Geschirrspülmaschine geordnet hat, so dass alle geputztenTeller mit Kakao bekleckert sind, vergieße zwei wütende Tränen zum Thema Sozialversicherung und Steuerberatung in Österreich. Würde lieber das von mir verlangte Geld den Maurern SCHENKEN, als dem österreichischen System zu geben.
Spät kommt MM mit dem Geburtstagskind, das auf einer Faschingsparty abgetanzt hat, oder was auch immer, und erzählt von einem Erdrutsch, den er live über unserem Haus miterlebt hat. Obwohl alle entsetzt zurückgesprungen seien und "Attenzione" geschrien hätten, wäre ich da gerne dabei gewesen. Die heruntergedonnerte Erde hat angeblich das Geräusch einer Lawine gemacht, aber da ich glaube, dass MM nie eine Lawine erlebt hat, ich aber schon, stellt er es sich wahrscheinlich so vor. Wie auch immer, unterstützt vom Nachbarn wird beschlossen, die Erde gleich in unser Haus einzubauen. Es wurde ohnehin schon von Maurerseite Erde gesucht, die in die Steinwände gemeinsam mit Zement eingearbeitet wird. Und da haben wir schon zum zweiten Mal die Bestätigung, dass nicht alles Schlechte kommt, um Schaden anzurichten. Wozu allerdinges meine Sozialversicherungsachzahlung für das Jahr 2007 gut ist, weiß ich noch nicht.
Als der Wecker läutet, beende ich eben einen Traum, in dem ich versuche eine Schnellbahn zu erreichen, von der über Lautsprecher angekündigt wird, dass sie zum Abfahren bereits ist. Die Kinder (und der Hund?) laufen schnell eine Treppe hoch, ich sehe nur das Geländer, an dem ich mich mit beiden Händen festhalte und mich mühsam hochziehe, meine Beine sind bleischwer und ich komme nicht voran. Ich denke, dass mein Handy in einem Rucksack ist, den die Kinder tragen, ich kann ihnen also nicht einmal sagen, dass sie an der nächsten Station aussteigen und warten sollen. Ich glaube, am Ende des Traums ziehen sie mich die Treppe hoch. Ich interpretiere den Traum mit Müdigkeit.
Um 7.15 statt um 7.10 renne ich aus dem Haus und springe ins Auto, in dem die Kinder schon sitzen. Ich bin die einzige, die sich die Zähne nicht putzen konnte, ich habe kein Unterhemd unter dem Pullover und ich denke, wurst, ich hab eh mit niemandem zu tun. Zuerst scheint das zuzutreffen, denn nicht einmal der Schulbus steht mehr an der üblichen Stelle, obwohl wir dort nur drei Minuten zu spät ankommen. Ich fahre die Kinder in den Ort, in dem sie umsteigen müssen, gleichzeitig kommt der leere Schulbus an. "Ich dachte, es kommt heute niemand!", sagt der Schulbusfahrer. Faschingsmontag. Morgen ist frei. Die Kinderlein sitzen vor dem Fernseher zu Hause. Außer die mit der Mutter mit den ungeputzten Zähnen. Ich sehe die Schulwartin auf die Schule zugehen und wir nähern und auch an. Die Kinder dürfen schon um 7.35 statt um 8.00 in die Schule und das dritte Kind und ich geben Gas. Auf halbem Weg blinkt uns ein Autobuschauffeur an und deutet, langsamer zu fahren. Aha, ein Unfall. MM, der schon lange vor uns den Zug in die Stadt genommen hat, glaubt nicht wie ich an Rucksäcke voller Schutzengel, aber er würde sagen:"Non tutto il male viene per nuocere". (Nicht alles Schlechte kommt, um Schaden anzurichten.) Wären wir 15 Minuten früher dran gewesen, wäre das nun zerdepschte Auto vielleicht auf uns gechleudert.
Vor der Schule nähe ich im Auto schnell noch zwei Knöpfe auf die Schulschürze. Das Kind findet mich super und küsst mich nass auf die Nase. Es kennt eben keine Mutter, die das vor drei Tagen unauffällig und selbstverständlich gemacht hätte. Da heute der Geburtstag des Kindes ist, schleppen wir auch eine Einkaufstüte voll Aranciata und Salatini in die Schule, ich begegne also auch der Lehrerin, von der ich mich weit entfernt halte, wegen den ungeputzten Zähnen
Aus verschiedenen Gründen beschließe ich, den Vormittag im rosa Zimmer zu verbringen, einer der Gründe ist die Sonne, die auf unseren Ort schien, den ich schon aus 25 km Entfernung sehe, weil das Meer eine Bucht macht. Im Sonnenschein arbeitet Stefano mit der Spitzhacke am Wassergraben, ich kann ihm die Motorsäge aushändigen, auf dem Dach stehen drei Maurer zwischen weißen Säcken, die wie überdimensionierte Mozzarellapackungen aussehen, und winken. Ich arbeite, begleitet vom Hämmern und von unverständlichen Dialogen, darf mich kurz vor der Abreise noch nützlich machen und die Winkel für die Dachrinnen finden. Leider drücken sich die Maurer sehr seltsam aus, so dass ich nicht recht weiß, wonach ich in MMs kleinem Lager suchen soll. Ich kenne das Wort Dachrinne, aber das haben sie nicht gesagt, vielleicht haben sie geglaubt ich kenne es nicht und wollten sich einfacher ausdrücken? Am Ende suche ich etwas namens "stotz", das "testa di moro" ist. "Stotz" ist aber meiner Meinung nach ein Sicherungskasten und testa di moro könnte dunkelbraun sein, der Kopf des Mohren, Julius Meinl halt. Der Obermaurer, Gentleman wie immer, sagt: "Wir wollen Sie aber nicht länger aufhalten, Signora." Wahrscheinlich denkt er, jetzt ist sie schon drei Stunden da, ohne aufs Klo gegangen zu sein, bald geschieht ein Unglück. Aber da die Maurer dem Regen, der das Haus verwüstet, den Kampf angesagt haben, bin ich froh, dass ich auch etwas beitragen kann. Ich biete die Winkel an und der Obermaurer tut so, als hätte ich das Ei des Kolumbus gefunden. Mir gefällt die Maurerphilosophie, die erst in den Griff bekommen müssen, was sonst ihre Arbeit kaputt macht. Das kann man eigentlich auf jeden Lebensbereich anwenden.
Das erste, was die Kinder nach der Schule erzählen, ist, dass Giulia sich heute in die Hosen gemacht hat. Ich kenne das, diese neunjährigen Mädchen, die sich in die Hosen machen und anschließend mit dem touchscreen Handy ihre Mütter anrufen, damit sie ihnen neue Hosen bringen. Giulia ist offenbar anders und hat sich zu Unrecht angemacht, denn das Klo war zu lange besetzt, und die Mutter wegen den frischen Hosen wurde von der Maestra angerufen.
Da sieht man wieder, wie wichtig Klos sind. Da soll der Sohn des Maurers nicht sagen:"Professo', jetzt haben sie aber genug Badezimmer!"
Um halb vier Uhr putze ich mir endlich genussvoll die Zähne. Nach dem Nachhausekommen hasse ich kräftig die Putzfrau, die das schmutzige Geschirr zum sauberen in die Geschirrspülmaschine geordnet hat, so dass alle geputztenTeller mit Kakao bekleckert sind, vergieße zwei wütende Tränen zum Thema Sozialversicherung und Steuerberatung in Österreich. Würde lieber das von mir verlangte Geld den Maurern SCHENKEN, als dem österreichischen System zu geben.
Spät kommt MM mit dem Geburtstagskind, das auf einer Faschingsparty abgetanzt hat, oder was auch immer, und erzählt von einem Erdrutsch, den er live über unserem Haus miterlebt hat. Obwohl alle entsetzt zurückgesprungen seien und "Attenzione" geschrien hätten, wäre ich da gerne dabei gewesen. Die heruntergedonnerte Erde hat angeblich das Geräusch einer Lawine gemacht, aber da ich glaube, dass MM nie eine Lawine erlebt hat, ich aber schon, stellt er es sich wahrscheinlich so vor. Wie auch immer, unterstützt vom Nachbarn wird beschlossen, die Erde gleich in unser Haus einzubauen. Es wurde ohnehin schon von Maurerseite Erde gesucht, die in die Steinwände gemeinsam mit Zement eingearbeitet wird. Und da haben wir schon zum zweiten Mal die Bestätigung, dass nicht alles Schlechte kommt, um Schaden anzurichten. Wozu allerdinges meine Sozialversicherungsachzahlung für das Jahr 2007 gut ist, weiß ich noch nicht.
Sonntag, 14. Februar 2010
Feste, die ins Wasser fallen
Ich habs ja gewusst, dass sie nicht kommen werden. Aber sie waren so entschlossen gestern noch, die Gäste. Und deshalb war auch heute ein Tag vorgesehen, an dem der Wecker um halb sechs Uhr klingelt. Mindestens fünfundvierzig Minuten stelle ich mich noch tot und höre im Radio, wie Bertolaso sich den Anschuldigungen gegenüber verteidigt, und dass Frau Francesca ihm keine sexuellen Leistungen entgegenbrachte, sondern seine Halswirbelsäule massierte. Auch wenn dem nicht so wäre: ich bin weder an ihm noch an Francesca interessiert und ich glaube, dass die Italiener einfach voyeuristisch veranlagt sind. Ab halb acht beginnen wir eine Tour de Force was kulinarische Vorbereitung betrifft, die Kinder sind aufgeregt und deshalb unerträglich. Alle zehn Minuten werden sie zurecht gewiesen und/oder zum Arbeiten eingeteilt. Im Laufschritt kochen wir ein Festessen und putzen die Wohnung, alles Dinge, die man normalerweise eine Woche vorher beginnt. Um drei Uhr läutet das Telefon und wir erfahren, dass es auf der anderen Seite des Berges seit einer Stunde schneit und sie lieber ein anderes Mal kommen wollen. Ich bin hysterisch. Die Kinder haben eben Geschenke bekommen und sind daher abgelenkt, ziehen sich aber dennoch beleidigt zurück. Eine der guten Eigenschaften MMs ist, dass er auch verlieren kann. Er holt den Spumante aus dem Kühlschrank und zitiert eine alte Werbung: "Wenn ihre Mannschaft gewinnt, feiern Sie mit Stock 84, wenn ihre Mannschaft verliert, trösten Sie sich mit Stock 84." Das nenn ich Lebensphilosophie.
Unsere Nichte muss nur einen Erdrutsch und nicht den Schnee überwinden, um zu uns zu kommen und wir verwüsten die Wohnung zu sechst mit Konfetti und Chipsbröseln und ausgeschüttetem Coca Cola, als wären wir zu sechzigst. Die Sachertorte, die MM aus 12 Eiern (da freut sich das Cholesterin) gemacht hat, ist ausgezeichnet, die Mandarinen-Gelatine wabbelt wie die aus dem Zeichentrickfilm, in dem es Hamburger regnet und in dem der Held für seine Angebete in einer Riesengelatine erzeugt, in die die beiden eintreten und sich dann näher kommen wollen.
Zum Glück ist morgen Montag. Das Kind schläft mit seinem Spielzeug im Bett. Seine Puppensammlung hat sich erheblich vergrößert. "Donnerwetter, was für eine große Familie!"
Seine Brüder sagen, sie würden sich schämen, wenn sie mit Puppen spielen würden. Ich sage: "Wo steht das geschrieben, dass Buben nicht mit Puppen spielen dürfen?" Daraufhin schreiben sie es auf einen Zettel. Ich sage: "Und eure Freundin, die mit Autos spielt, muss sich die auch schämen?". Da schmeissen sie den Zettel in den Mistkübel.
Unsere Nichte muss nur einen Erdrutsch und nicht den Schnee überwinden, um zu uns zu kommen und wir verwüsten die Wohnung zu sechst mit Konfetti und Chipsbröseln und ausgeschüttetem Coca Cola, als wären wir zu sechzigst. Die Sachertorte, die MM aus 12 Eiern (da freut sich das Cholesterin) gemacht hat, ist ausgezeichnet, die Mandarinen-Gelatine wabbelt wie die aus dem Zeichentrickfilm, in dem es Hamburger regnet und in dem der Held für seine Angebete in einer Riesengelatine erzeugt, in die die beiden eintreten und sich dann näher kommen wollen.
Zum Glück ist morgen Montag. Das Kind schläft mit seinem Spielzeug im Bett. Seine Puppensammlung hat sich erheblich vergrößert. "Donnerwetter, was für eine große Familie!"
Seine Brüder sagen, sie würden sich schämen, wenn sie mit Puppen spielen würden. Ich sage: "Wo steht das geschrieben, dass Buben nicht mit Puppen spielen dürfen?" Daraufhin schreiben sie es auf einen Zettel. Ich sage: "Und eure Freundin, die mit Autos spielt, muss sich die auch schämen?". Da schmeissen sie den Zettel in den Mistkübel.
Samstag, 13. Februar 2010
Sternstunden auf der Baustelle
Als wir heute morgen mit unserer grünen Spraydose auf der Baustelle anrücken, um die Heizkörper mit R wie Radiator oder Riscaldamento zu bezeichnen, stellen wir zu unserem Erstaunen fest, dass die Maurer ja doch gestern da waren. Fensterhalterungen wurden gesetzt, unbekannte Sandberge häufen sich, in den neu aufgezogenen Wänden befinden sich ordentliche Öffnungen, in die Glasziegel kommen werden, ich sehe zum ersten Mal die Tür, die vom mittelalten Teil in den ganz alten Teil führen wird, und mir wird ein wenig bang, hoffentlich haben sie sich das mit der Statik auch wirklich überlegt. Auf der eigentlich noch nicht vorhandenen Decke im Kinderzimmer ist es nass, auf dem Balkon steht der Regen. Aber der Grundtenor ist erbaulich und wir haben endlich Zeit, anläßlich der Heizkörper über einiges zu reden. Das Kind, das samstags schulfrei hat, macht währenddessen Modeschau auf den Brettern, die eigentlich für die Scheibtruhen vorgesehen sind. Es regnet und es ist grauenhaft kalt.
Als wir bereit sind, wieder zu gehen, eventuell noch auf den Markt, aber auf jeden Fall, um aufladbare Batterien für die in unserem Haushalt vielfach vorhandenen fernsteuerbaren Autos zu kaufen, taucht plötzlich he himself auf, der Obermaurer, der Sand von einer anderen Baustelle gebracht hat, weil der Sand bei uns zu nass geworden ist. Und so können wir auch mit ihm über einiges reden und vor allem: ich bin dabei. In Wirklichkeit ist das Paradies ja warm und mit üppigen Pflanzen versehen und mit diesen Menschen, die sich ihrer Nacktheit nicht schämen und wahrscheinlich schwirren zufriedene Insekten darin herum. Mein Paradies ist grau wie die grobverputzten Wände und es zieht ein eisiger Luftstrom durch. Wir stehen vor einem zukünftigen Fenster und setzen den Rahmen des Fensterglases an, von dem wir heute morgen ein Probestück mitgenommen haben. Das Kind will dem Obermaurer erzählen, dass in der Nacht sein Vorderzahn ausgefallen ist, aber es unterbricht niemanden. "Ich bin nämlich ein intelligentes Kind, ich warte." sagt das Kind. Ich bin erstaunt, diese Intelligenz wendet es mir gegenüber nur selten an. Kaum geht MM etwas holen, flieht auch das Kind, statt Konversation zu betreiben. Ich habe also Gelegenheit, eine lang gehegte Frage zu stellen: "Arbeiten Sie nie mit Handschuhen?", ich starre auf seine großen Hände. Die Antwort hätte ich mir auch selber geben können, nein, nur wenn er den LKW ablädt, es würde ihm sonst das Gefühl fehlen. Aber die Hände seien natürlich immer rau und die Konsequenzen würde er dann beim Schreiben merken. Beim Schreiben? Ich weiß schon, es geht um Kostenvoranschläge und Abrechnungen, aber die Vorstellung, dass er abends mit seinen vom Zement ausgetrockneten Händen Tagebücher, Briefe oder Memoiren schreibt, gefällt mir auch.
Das Kind stellt nun doch seine Zahnlücke vor und der Obermaurer sagt, dass jetzt die "Zahnmaus" kommen wird, die den Zahn gegen 2 Euro austauscht. Da das Kind zwar an den Weihnachtsmann und die Befana glaubt, aber davon überzeugt ist, dass ich das Geld unter den Kopfpolster lege, ist erst nach dieser kompetenten Auskunft bereit, mit den Worten:"Jetzt glaub ich's!" mir mit seinen 30 kg von einem Bretterstoß aus in den Arm zu springen, das aber dafür zehnmal.
Wir gehen von einem Badezimmer zum anderen und legen fest, wie hoch welche Fliesen verlegt werden und ich versuche, mich zu konzentrieren und schaffe es, das Kind mit dem Hinweis, dass im rosa Zimmer ein Block und ein Stift sei, von uns abzulenken. Was die Dusche betrifft, wollte ich immer schon einfach einen gefliesten Boden statt einer Duschtasse und das werden wir jetzt auch haben, es heißt: doccia artigianale. Dusche nach handwerklicher Methode, ha, oder Handwerkerdusche? MM wirft ein, dass der Installateur nicht ganz überzeugt sei, ob das Ding auch dicht werde, aber der Obermaurer bindet uns immer mit Geschichten aus seinem Umfeld ein, das lernt er wahrscheinlich bei Marktstrategen. So hat er zum Beispiel einen kleinen Wasserfleck auf einer Sesselleiste in seinem Bad, das er vor zwanzig Jahren gemacht hätte, an den er sich, wie soll er sagen - gewöhnt hätte (fällt MM nach angemessenem Schweigen und intensivem Gedenken an winzige Wasserflecken ein), und er hätte auch eine Duschtasse, also das Abdichten würde er deswegen auch bei Duschtassen machen und nicht nur bei den handwerklichen Duschen.
Das Kind präsentiert die erste Zeichnung: MM und ich sind mit Faschingsmasken verkleidet und zwischen uns steht etwas Essbares, ein Riesenkeks, und wir sehen auch aus, als hätten wir eben ein halbes Hochzeitsbuffet in die dicken Wangen gestopft. Um Zweifeln zuvorzukommen, stehen unsere Vornamen über unseren Köpfen. Sehr schön, weiter so.
Wir schreiten zum zweiten Bad. Die Höhe der Fliesen. Wieso sie nicht niedriger sein kann, so wie sie der Obermaurer vorschlägt. Das sage ich so nicht, sondern gebe mich entspannt: das kann ruhig niedriger sein. Ich sehe mich einen Quadratmeter Fliesen sparen. MM gibt alles: es handle sich um ein bühnenbildnerisches Element, so dass die Fliesen bis zu diesem und keinem anderen Vorsprung reichen müssten. Der Obermaurer und ich schweigen erschrocken. Über so hintergründige Dinge haben wir nicht nachgedacht. Einen Moment lang halte ich MM für erholungsbedürftig. Aber ich kenne ihn auch. Solche Antworten gibt er, wenn er nicht diskutieren will und meinen Subtext verstanden hat. Wenn ich insistiere, beginnt er womöglich Pasolini zu zitieren. Man wird ein anderes Mal darüber sprechen, wenn nötig.
Im dritten Bad prescht der Obermaurer mit seiner lang gehegten Frage vor: "Signora, wie finden Sie eigentlich unsere Arbeit?" Ich schneide verlegene Grimassen und stoße ein heiseres "Unglaublich" hervor. Was soll ich sagen? Ich liebe euch, ich liebe euch alle! Oder: Eh super. "Wir haben einiges getan," gibt sich der Obermaurer selbst eine bescheidene Antwort für die letzten drei Monate Herzblut und Wahnsinn.
Das Kind präsentiert die nächste Zeichnung, Mama und Papa, die sich küssen. Mir wird es langsam peinlich.
Wir stehen in der Küche, in der, wie im ganzen Haus, Steinwände Steinwände bleiben werden und andere Wände verputzt werden. Aber damit Steinwände Steinwände bleiben können, müssen zwei Maurer etwas machen, das ich mir noch nicht recht vorstellen kann, und das auch im Kostenvoranschlag noch nicht steht. Der Obermaurer sagt: "Da fällt mir auf, dass sich hier eigentlich eine recht schöner Teil Wand befindet." Er hat recht, ein perfektes Stück Mauer wie aus der Zeitschrift "Restaurieren im Countryhousestil" präsentiert sich dort, wo ich später einmal Geschirr waschen werde.
Auf der nächsten Kinderzeichnung gibt Papa Mama einen Strauß Rosen, "das ist bevor ihr heiratet." Ich möchte gehen. Eigentlich möchte ich hier bleiben. Aber wer weiß, was als nächstes kommt.
Also schönen Sonntag, ebenfalls.
Als wir wegfahren, steht er auf dem Dach, er plaudert mit unserem Nachbarn, dem Vater von Stefano, der ebenfalls Maurer ist. Er steht auf dem Dach, als wäre es seines, das ist gut so. Der Regen, der auf dem Balkon steht, geht ihm auf die Nerven, als ob es sein Haus wäre, sagt er. Und das größte Kompliment hat er unserem Haus vor ein paar Wochen gemacht, als er gesagt hat, wenn er von diesem Haus gewusst hätte, dann hätte er es seinem Sohn gekauft. Ein Auto würde er ihm nicht kaufen, aber dieses Haus schon.
Auf der Fahrt nach unten zeichnet das Kind die Maus neben dem schlafenden Kind, in einer Pfote hält sie den Zahn, in der anderen eine zwei-Euro-Münze.
Als wir bereit sind, wieder zu gehen, eventuell noch auf den Markt, aber auf jeden Fall, um aufladbare Batterien für die in unserem Haushalt vielfach vorhandenen fernsteuerbaren Autos zu kaufen, taucht plötzlich he himself auf, der Obermaurer, der Sand von einer anderen Baustelle gebracht hat, weil der Sand bei uns zu nass geworden ist. Und so können wir auch mit ihm über einiges reden und vor allem: ich bin dabei. In Wirklichkeit ist das Paradies ja warm und mit üppigen Pflanzen versehen und mit diesen Menschen, die sich ihrer Nacktheit nicht schämen und wahrscheinlich schwirren zufriedene Insekten darin herum. Mein Paradies ist grau wie die grobverputzten Wände und es zieht ein eisiger Luftstrom durch. Wir stehen vor einem zukünftigen Fenster und setzen den Rahmen des Fensterglases an, von dem wir heute morgen ein Probestück mitgenommen haben. Das Kind will dem Obermaurer erzählen, dass in der Nacht sein Vorderzahn ausgefallen ist, aber es unterbricht niemanden. "Ich bin nämlich ein intelligentes Kind, ich warte." sagt das Kind. Ich bin erstaunt, diese Intelligenz wendet es mir gegenüber nur selten an. Kaum geht MM etwas holen, flieht auch das Kind, statt Konversation zu betreiben. Ich habe also Gelegenheit, eine lang gehegte Frage zu stellen: "Arbeiten Sie nie mit Handschuhen?", ich starre auf seine großen Hände. Die Antwort hätte ich mir auch selber geben können, nein, nur wenn er den LKW ablädt, es würde ihm sonst das Gefühl fehlen. Aber die Hände seien natürlich immer rau und die Konsequenzen würde er dann beim Schreiben merken. Beim Schreiben? Ich weiß schon, es geht um Kostenvoranschläge und Abrechnungen, aber die Vorstellung, dass er abends mit seinen vom Zement ausgetrockneten Händen Tagebücher, Briefe oder Memoiren schreibt, gefällt mir auch.
Das Kind stellt nun doch seine Zahnlücke vor und der Obermaurer sagt, dass jetzt die "Zahnmaus" kommen wird, die den Zahn gegen 2 Euro austauscht. Da das Kind zwar an den Weihnachtsmann und die Befana glaubt, aber davon überzeugt ist, dass ich das Geld unter den Kopfpolster lege, ist erst nach dieser kompetenten Auskunft bereit, mit den Worten:"Jetzt glaub ich's!" mir mit seinen 30 kg von einem Bretterstoß aus in den Arm zu springen, das aber dafür zehnmal.
Wir gehen von einem Badezimmer zum anderen und legen fest, wie hoch welche Fliesen verlegt werden und ich versuche, mich zu konzentrieren und schaffe es, das Kind mit dem Hinweis, dass im rosa Zimmer ein Block und ein Stift sei, von uns abzulenken. Was die Dusche betrifft, wollte ich immer schon einfach einen gefliesten Boden statt einer Duschtasse und das werden wir jetzt auch haben, es heißt: doccia artigianale. Dusche nach handwerklicher Methode, ha, oder Handwerkerdusche? MM wirft ein, dass der Installateur nicht ganz überzeugt sei, ob das Ding auch dicht werde, aber der Obermaurer bindet uns immer mit Geschichten aus seinem Umfeld ein, das lernt er wahrscheinlich bei Marktstrategen. So hat er zum Beispiel einen kleinen Wasserfleck auf einer Sesselleiste in seinem Bad, das er vor zwanzig Jahren gemacht hätte, an den er sich, wie soll er sagen - gewöhnt hätte (fällt MM nach angemessenem Schweigen und intensivem Gedenken an winzige Wasserflecken ein), und er hätte auch eine Duschtasse, also das Abdichten würde er deswegen auch bei Duschtassen machen und nicht nur bei den handwerklichen Duschen.
Das Kind präsentiert die erste Zeichnung: MM und ich sind mit Faschingsmasken verkleidet und zwischen uns steht etwas Essbares, ein Riesenkeks, und wir sehen auch aus, als hätten wir eben ein halbes Hochzeitsbuffet in die dicken Wangen gestopft. Um Zweifeln zuvorzukommen, stehen unsere Vornamen über unseren Köpfen. Sehr schön, weiter so.
Wir schreiten zum zweiten Bad. Die Höhe der Fliesen. Wieso sie nicht niedriger sein kann, so wie sie der Obermaurer vorschlägt. Das sage ich so nicht, sondern gebe mich entspannt: das kann ruhig niedriger sein. Ich sehe mich einen Quadratmeter Fliesen sparen. MM gibt alles: es handle sich um ein bühnenbildnerisches Element, so dass die Fliesen bis zu diesem und keinem anderen Vorsprung reichen müssten. Der Obermaurer und ich schweigen erschrocken. Über so hintergründige Dinge haben wir nicht nachgedacht. Einen Moment lang halte ich MM für erholungsbedürftig. Aber ich kenne ihn auch. Solche Antworten gibt er, wenn er nicht diskutieren will und meinen Subtext verstanden hat. Wenn ich insistiere, beginnt er womöglich Pasolini zu zitieren. Man wird ein anderes Mal darüber sprechen, wenn nötig.
Im dritten Bad prescht der Obermaurer mit seiner lang gehegten Frage vor: "Signora, wie finden Sie eigentlich unsere Arbeit?" Ich schneide verlegene Grimassen und stoße ein heiseres "Unglaublich" hervor. Was soll ich sagen? Ich liebe euch, ich liebe euch alle! Oder: Eh super. "Wir haben einiges getan," gibt sich der Obermaurer selbst eine bescheidene Antwort für die letzten drei Monate Herzblut und Wahnsinn.
Das Kind präsentiert die nächste Zeichnung, Mama und Papa, die sich küssen. Mir wird es langsam peinlich.
Wir stehen in der Küche, in der, wie im ganzen Haus, Steinwände Steinwände bleiben werden und andere Wände verputzt werden. Aber damit Steinwände Steinwände bleiben können, müssen zwei Maurer etwas machen, das ich mir noch nicht recht vorstellen kann, und das auch im Kostenvoranschlag noch nicht steht. Der Obermaurer sagt: "Da fällt mir auf, dass sich hier eigentlich eine recht schöner Teil Wand befindet." Er hat recht, ein perfektes Stück Mauer wie aus der Zeitschrift "Restaurieren im Countryhousestil" präsentiert sich dort, wo ich später einmal Geschirr waschen werde.
Auf der nächsten Kinderzeichnung gibt Papa Mama einen Strauß Rosen, "das ist bevor ihr heiratet." Ich möchte gehen. Eigentlich möchte ich hier bleiben. Aber wer weiß, was als nächstes kommt.
Also schönen Sonntag, ebenfalls.
Als wir wegfahren, steht er auf dem Dach, er plaudert mit unserem Nachbarn, dem Vater von Stefano, der ebenfalls Maurer ist. Er steht auf dem Dach, als wäre es seines, das ist gut so. Der Regen, der auf dem Balkon steht, geht ihm auf die Nerven, als ob es sein Haus wäre, sagt er. Und das größte Kompliment hat er unserem Haus vor ein paar Wochen gemacht, als er gesagt hat, wenn er von diesem Haus gewusst hätte, dann hätte er es seinem Sohn gekauft. Ein Auto würde er ihm nicht kaufen, aber dieses Haus schon.
Auf der Fahrt nach unten zeichnet das Kind die Maus neben dem schlafenden Kind, in einer Pfote hält sie den Zahn, in der anderen eine zwei-Euro-Münze.
Freitag, 12. Februar 2010
Aussitzen
Angesichts der Wetterlage geht es darum, zu überleben und auf bessere Zeiten zu hoffen. Italien ist im Schnee, wir im Regen, der Schnee über unseren Köpfen. Es ist eiskalt und meine Kinder fragen sich, was passiert, wenn das Meer einfriert. Ein Gewitter folgt dem anderen. Der Hund ist einem Nervenzusammenbruch nahe. Manche Kinder kommen nicht mehr in die Schule, weil Erdrutsche das Passieren des Schulbusses unmöglich machen, die Äolischen Inseln sind nicht mehr erreichbar, das Meer brüllt seit Tagen zu uns herauf. Heute morgen ein tiefblauer Himmel und ein grau-türkisgrünes Meer, beleuchtet von einem genialen Beleuchter. A pro pos: der Kameramann von Avatar, Mauro Fiore, stammt aus einem kleinen Ort im Gebirge in der Nähe. Er ist mit seiner Familie aber bereits weggegangen, als er sieben war. Glückwunsch.
Unser armes fenster- und türenloses neues Haus ist verwaist. Schon gestern kamen die Maurer nicht (aber die unverwüstlichen Installateure, die immer einen Zeitpunkt wählen, an dem sonst niemand dort ist), und heute schon gar nicht. Den Obermaurer sehe ich auf der Straße, als ich das Kind von der Schule abholen will. In zivil. Ich fasse es nicht. Er sieht aus wie er selbst, nur koloriert. Der Mann hat Stil. Alles ist gleich: die Jeans sind dunkel und nicht verwaschen, der Pullover ist schwarz und nicht grau, das Hemd ist weiß und nicht beige. Die Jacke ist dunkelblau und nicht blassviolett. Letztens vertraute er mir zerstreut an, dass er sein Gilet verloren hätte. Und dass er in der Jacke nicht arbeiten könne, aber nur im Pullover sei es zu kalt. "Es wird sich wieder finden." sage ich genauso zerstreut. "Was?" "Das Gilet." Er antwortet, sicher etwas denkwürdiges, aber ich kann nur zustimmend grinsen, denn leider verstehe ich ihn nicht, weil mir erschrocken klar wird, dass ich mit ihm rede, wie mit den Kindern, die auch immer alles verlieren und verlegen. So wie ich zum Kind sage: "Wenn ich zu deinen Schulkollegen nach Hause komme, dann kann ich dort einen Koffer voll deiner Kugelschreiber, Geodreiecke, Bunstifte, Filzstifte, Scheren, Spitzer, Lineale und Klebstoffe volladen", höre ich mich zu meinem Idol sagen: "Jetzt gehen wir mal überall dorthin, wo du deine Zementschleudern hingestellt hast und irgendwo wird es schon hängen, dein Gilet."
Morgen werden wir mit einem Spray die Position der Heizkörper bezeichnen, denn am Montag kommen wieder die Installateure, die wollen das wissen. Samstags gibt es immer einen Markt für Lebensmittel und für alles andere von Pflanzen bis Bekleidung im Ort, das hat uns anfangs gut gefallen, dann legte sich ein Schleier der Depression über alles, angesichts vermeintlicher Giftschiffe vor unseren Küsten, die Fischer, die ihre Ware von den dreirädrigen Fahrzeugen oder dem Koffer ihrer Autos aus verkauften, verschwanden. Jetzt ist es wieder netter, wie ich letzten Samstag auf unserem Blitzbesuch festgestellt habe. In nur fünf Minuten begegneten uns Schulkollege Natale mit seinen vier Geschwistern und dem fünften im Bauch der Mutter namens Candida, unterstützt von Oma Delfina, einer sympathischen Frau in meinem Alter. Im Hintergrund winkte der Architekt, dann flanierte auch die Religionslehrerin vorbei, die uns aber nicht sah, was das Kind quälte und mich freute. In diesen Tagen hat sie den Kindrn von der Madonna von "Sudes" erzählt, was ich als Lourdes interpretiere, nachdem ich erfahre, dass mein Kind mit heiligem Wasser von dort beträufelt wurde. Und das, weil ich ihn durch Abmeldung vom Religionsunterricht nicht ausgrenzen wollte. Nach zwei Jahren entschiedener Ablehnung von Kinderseite aus gegen den Besuch des Katechismus am Samstag nachmittag, ist derselbe nun durch eine Faschingsfeier zum ersten Mal attraktiv geworden. Fasching gibt es nämlich sonst wenig: der Umzug in unserem Dorf wurde abgesagt, weil der Sohn der Schneiderin, die die Kostüme für die Kinder machte (Pinocchio, Shrek) bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen ist, im Dorf über uns gibt es den Fasching nicht, weil sich im Sommer ein junger Mann aus Depression aufgehängt hat, in der Schule nicht, weil die Schwester der Englischlehrerin gestorben ist. Dabei habe ich heuer frühzeitig Schminkstifte gekauft und ich dilettiere also privat beim Schminken zum Clown und Katze und Pirat und MM schminkt kunstvolle Avatargesichter. Das ist gemütlich. So bringen wir (hoffentlich) diese anspruchsvollen Tage über die Runden. Am Valentinstag schminken wir uns Herzerln auf die Wangen und tun so als wär nix, weil die Gäste für das Geburtstagsfest wegen des Schnees in den Bergen nicht kommen, weil hier ja alle nur Sommerreifen haben, dafür aber ein Paar Schneeketten im Auto. Wir auch. Ob sie wer anlegen kann außer mir? Am Montag ist Schule mit Aufführungen oder ohne Fasching und am Faschingsdienstag ist frei und wir gehen ins Kino und schauen uns Avatar mit der Brille an. Also leider werden SIE Avatar sehen und ich werde mit dem kleinsten Kind, das keine 160 Minuten im Kino aushalten kann, einen Zeichentrickfilm sehen, was mich nicht stört, denn nach meinem ersten 3D Erlebnis im Kino (Piovono Polpette - es regnet Hamburger oder wie kann das heißen?) bin ich ohnehin noch rekonvaleszent.
Und dann ist auch der Fasching vorbei und bitte das Winterwetter.
Auf meinen langen Autofahrten höre ich oft ein zum Thema passendes tröstliches Lied, indem es darum geht, dass eben alles vorbeigeht und was dieser Winter bringen wird - wieder einen zerbrechlichen Frühling.
Passerà anche oggi passerà
come fosse una lacrima che scivola...
e dove andrà
forse tra i segni di un sorriso che amaro è,
ma passerà..
Questo inverno cosa porterà
un'altra primavera fragile
Unser armes fenster- und türenloses neues Haus ist verwaist. Schon gestern kamen die Maurer nicht (aber die unverwüstlichen Installateure, die immer einen Zeitpunkt wählen, an dem sonst niemand dort ist), und heute schon gar nicht. Den Obermaurer sehe ich auf der Straße, als ich das Kind von der Schule abholen will. In zivil. Ich fasse es nicht. Er sieht aus wie er selbst, nur koloriert. Der Mann hat Stil. Alles ist gleich: die Jeans sind dunkel und nicht verwaschen, der Pullover ist schwarz und nicht grau, das Hemd ist weiß und nicht beige. Die Jacke ist dunkelblau und nicht blassviolett. Letztens vertraute er mir zerstreut an, dass er sein Gilet verloren hätte. Und dass er in der Jacke nicht arbeiten könne, aber nur im Pullover sei es zu kalt. "Es wird sich wieder finden." sage ich genauso zerstreut. "Was?" "Das Gilet." Er antwortet, sicher etwas denkwürdiges, aber ich kann nur zustimmend grinsen, denn leider verstehe ich ihn nicht, weil mir erschrocken klar wird, dass ich mit ihm rede, wie mit den Kindern, die auch immer alles verlieren und verlegen. So wie ich zum Kind sage: "Wenn ich zu deinen Schulkollegen nach Hause komme, dann kann ich dort einen Koffer voll deiner Kugelschreiber, Geodreiecke, Bunstifte, Filzstifte, Scheren, Spitzer, Lineale und Klebstoffe volladen", höre ich mich zu meinem Idol sagen: "Jetzt gehen wir mal überall dorthin, wo du deine Zementschleudern hingestellt hast und irgendwo wird es schon hängen, dein Gilet."
Morgen werden wir mit einem Spray die Position der Heizkörper bezeichnen, denn am Montag kommen wieder die Installateure, die wollen das wissen. Samstags gibt es immer einen Markt für Lebensmittel und für alles andere von Pflanzen bis Bekleidung im Ort, das hat uns anfangs gut gefallen, dann legte sich ein Schleier der Depression über alles, angesichts vermeintlicher Giftschiffe vor unseren Küsten, die Fischer, die ihre Ware von den dreirädrigen Fahrzeugen oder dem Koffer ihrer Autos aus verkauften, verschwanden. Jetzt ist es wieder netter, wie ich letzten Samstag auf unserem Blitzbesuch festgestellt habe. In nur fünf Minuten begegneten uns Schulkollege Natale mit seinen vier Geschwistern und dem fünften im Bauch der Mutter namens Candida, unterstützt von Oma Delfina, einer sympathischen Frau in meinem Alter. Im Hintergrund winkte der Architekt, dann flanierte auch die Religionslehrerin vorbei, die uns aber nicht sah, was das Kind quälte und mich freute. In diesen Tagen hat sie den Kindrn von der Madonna von "Sudes" erzählt, was ich als Lourdes interpretiere, nachdem ich erfahre, dass mein Kind mit heiligem Wasser von dort beträufelt wurde. Und das, weil ich ihn durch Abmeldung vom Religionsunterricht nicht ausgrenzen wollte. Nach zwei Jahren entschiedener Ablehnung von Kinderseite aus gegen den Besuch des Katechismus am Samstag nachmittag, ist derselbe nun durch eine Faschingsfeier zum ersten Mal attraktiv geworden. Fasching gibt es nämlich sonst wenig: der Umzug in unserem Dorf wurde abgesagt, weil der Sohn der Schneiderin, die die Kostüme für die Kinder machte (Pinocchio, Shrek) bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen ist, im Dorf über uns gibt es den Fasching nicht, weil sich im Sommer ein junger Mann aus Depression aufgehängt hat, in der Schule nicht, weil die Schwester der Englischlehrerin gestorben ist. Dabei habe ich heuer frühzeitig Schminkstifte gekauft und ich dilettiere also privat beim Schminken zum Clown und Katze und Pirat und MM schminkt kunstvolle Avatargesichter. Das ist gemütlich. So bringen wir (hoffentlich) diese anspruchsvollen Tage über die Runden. Am Valentinstag schminken wir uns Herzerln auf die Wangen und tun so als wär nix, weil die Gäste für das Geburtstagsfest wegen des Schnees in den Bergen nicht kommen, weil hier ja alle nur Sommerreifen haben, dafür aber ein Paar Schneeketten im Auto. Wir auch. Ob sie wer anlegen kann außer mir? Am Montag ist Schule mit Aufführungen oder ohne Fasching und am Faschingsdienstag ist frei und wir gehen ins Kino und schauen uns Avatar mit der Brille an. Also leider werden SIE Avatar sehen und ich werde mit dem kleinsten Kind, das keine 160 Minuten im Kino aushalten kann, einen Zeichentrickfilm sehen, was mich nicht stört, denn nach meinem ersten 3D Erlebnis im Kino (Piovono Polpette - es regnet Hamburger oder wie kann das heißen?) bin ich ohnehin noch rekonvaleszent.
Und dann ist auch der Fasching vorbei und bitte das Winterwetter.
Auf meinen langen Autofahrten höre ich oft ein zum Thema passendes tröstliches Lied, indem es darum geht, dass eben alles vorbeigeht und was dieser Winter bringen wird - wieder einen zerbrechlichen Frühling.
Passerà anche oggi passerà
come fosse una lacrima che scivola...
e dove andrà
forse tra i segni di un sorriso che amaro è,
ma passerà..
Questo inverno cosa porterà
un'altra primavera fragile
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