Mittwoch, 4. April 2012

Die nicht ganz so fröhliche katholische Kirche

Abgesehen davon, dass ich mit meinen Kindern lerne und mittlerweile ein As in Mathematik bin und mich wundere, warum ich das alles vor dreißig Jahren nicht so schlüssig gefunden habe, verstehe ich meine Kinder ab und zu auch so. Zum Beispiel wenn sie im Bett liegen und mit überdimensionierten Kopfhörern den Earth song von Michael Jackson anhören, wenn sie Scoobidoos knüpfen oder bitte Fieber gemessen haben wollen, weil sie Kopfweh haben. Andere Male verstehe ich sie nicht, zum Beispiel wenn sie Seite statt Winkel schreiben, dann kann ich auch laut werden und sagen: "Du stiehlst hier meine Zeit, pass besser auf." Und wenn ich dann höre: "Ich hab halt einen Fehler gemacht, aber du regst dich gleich auf", dann kann meine Stimme durchaus noch lauter werden und noch grundsätzlicher. Und wenn jemand seine zu machenden Hausübungsblätter in der Schule vergisst, dann regt mich das wirklich auf, weil man weiß dann nämlich nicht, ob das Kind/der Jugendliche nachlässig und vergesslich ist oder glaubt, wer keine Fotokopien hat, braucht auch keine Hausübungen machen. Während ich Anhängerin der ersten Theorie bin, glaubt MM, die Kinder hätten zu viel Hirn und man müsse diese Blätter von Schulkollegen ausborgen und kopieren. Das ist der Alltag.

Manchmal kommen zu der Unterhaltung, die der Besuch einer öffentlicher Schule  plus das Leben an sich bietet, auch noch kleine Zusätze. Der Rallyefahrer beschließt, dass er nächstes Jahr in Religion gehen will. Da meine Kinder die einzigen sind, die vom Religionsunterricht abgemeldet sind, bzw. nicht angemeldet, hat es die Schule nicht geschafft, oder nicht für nötig befunden, den von uns beantragten Lehrer zu finden, der unsere Kinder während der (zumindest nur einen) Religionsstunde pro Woche betreut. Also sitzen meine Kinder im Religionsunterricht und hören sich die offenbar unterhaltsame Lehrerin an, die erzählt, wie sie mit ihrem Sohn zu Wrestling-Veranstaltungen geht. 100 Punkte. Aber deshalb muss man noch nicht einen zusätzlichen Gegenstand wählen, um eine weitere schlechte Note einzufangen. So ähnlich sage ich es zum Rallyefahrer. Er sagt, dass man dort nichts lernen muss. Ich sage, zu spät, ich habe dich bereits nicht angemeldet. Er ist enttäuscht. "Möchtest du die Erstkommunion machen?" frage ich entsetzt, aber gefasst. "Aber nein", winkt er ab. "Warum willst du dann in Religion gehen?" "Sie hat mich gefragt." Sie ist nicht die Verlobte, sondern die Religionslehrerin. Sie soll mir bitte nicht unter die Augen kommen. Diesmal schnappt MM die Stimme über. In seinen fuchsteufelswilden Vorstellungen geht er in die Schule und hält eine Schmährede, zu deren Abschluss er sagt: "Meine Schwester ist Religionslehrerin, ich kenne euch!". Ich beschließe, das Ganze so lange zu übergehen, bis Handlungszwang besteht und ich verhehle nicht, dass ich auf diese Entscheidung stolz bin.

Nun kommt auch noch das Kind daher und sagt: "Ich wollte fragen, ob ich bitte, wenn es nichts ausmacht, in den Katechismus gehen kann." Ich warte ein paar Sekunden. Ich atme. Alles ist gut. "Möchtest du die Erstkommunion machen?" "Aber nein", winkt auch das Kind ab. "Ich will keine Hostie essen. Es ist nur: die Lehrerin hat gefragt, wer in den Katechismus geht und dann haben alle aufgezeigt, nur ich nicht, und dann haben die anderen Kinder gesagt, ich bin kein Christ." Das klingt fürwahr arg im Italienischen, denn das Wort "Cristiano" ist ein Synonym für Mensch. Selbst der Obermaurer hat bei schwierigen Aufgaben gesagt, dass auch sechs Christen diese Mauer nicht auf- oder abbauen oder je nach dem könnten. "Povero cristiano" muss mit "der arme Mensch" übersetzt werden. Also mein armes Kind.

Eigentlich tun wir immer so, als würden wir alle Freiheiten lassen, unsere Kinder sollen sich einfach später entscheiden. Aber in Wirklichkeit ist das nicht so. Und das ist gut so. Ich sage meinen Kindern auch nicht: "Hört zu Jungs, heute versuche ich euch zu vermitteln, dass ihr in einer Zivilgesellschaft lebt, für deren Zustand ihr auch selbst verantwortlich seid, morgen könnt ihr von mir aus auch Faschisten sein, wenn ihr das für richtig haltet." Also sage ich zum Kind: "Du weißt, dass wir nicht super finden, was der Pfarrer im Katechismus erzählt und vieles von dem, was die Kirche den Menschen zu vermitteln versucht." Das Kind sagt: "Aber meine Schulkameraden sagen, im Katechismus spielt man nur." Neue Strategie: "Wenn du gerne in den Katechismus gehen möchtest, werde ich dir das nicht verbieten, aber du wirst einsehen, dass wir dann irgendwas anderes streichen müssen. Wir kommen schon jetzt nicht mit unserer Zeit zurande. Ich kann dich nicht am Samstag Vormittag zum Tanzen bringen und am Samstag nachmittag in den Katechismus." Alle anderen Mütter können das, aber ich will das nicht und zwar ganz bestimmt nicht. Das Kind ist entschieden: "Nein, das Tanzen nicht, das Tanzen streichen wir nicht." Danke, lieber Gott.

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