Mittwoch, 10. August 2011

Sweet little lies

Ich habe zwei schwerwiegende Defekte: ich kann weder stehlen, noch lügen. Als Schülerin habe ich versucht, im legendären Zuckerlgeschäft etwas mitgehen zu lassen, wie alle meine Schulkollegen, und das ist mir auch gelungen: die Attrappe einer Bitterschokolade.
Auf einem Markt habe ich später einen Apfel gestohlen und bin mir dabei vorgekommen, als hätte ich die Bank of America geleert. Ich habe den Apfel gegessen und den Stängel mit einem Aufkleber "Mein erster gestohlener Apfel, Datum" aufgehoben. Es gab keinen zweiten gestohlenen Apfel, es war mir zu anstrengend.
Was das Lügen betrifft, so fehlt mir nicht unbedingt die Fantasie, aber die Ernsthaftigkeit. Nach jeder Lüge beginne ich blöde zu lachen. Ich kann ausgezeichnet ein Doppelleben führen und vieles einfach verschweigen, aber auf ein Faktum direkt angesprochen, erröte ich heftig und gestehe alles.
Ich denke oft darüber nach, bis zu welchem Alter sich Menschen noch verändern können, denn ich habe ja meinen Freundinnen gegenüber immer behauptet, dass Männer sich nie verändern würden, aber erwachsene Frauen können das, wie ich meine, sehr wohl, und zwar in zwei Fällen: angesichts schwerer Krankheiten und angesichts einfacher oder mehrfacher Mutterschaft. Kinder inspirieren zum Beispiel zu einer klareren Zeiteinschätzung, zu größeren Leistungen im Haushalt und im allgemeinen und zu Lügen. Der Rallyefahrer sagt: "Mamma, ich kann fast die Muskeln in meinem Bauch sehen!", und ich sage nicht, was mir als erstes auf der Zunge liegt, nämlich: "Die Muskeln in deinem Hirn sind aber ziemlich unsichtbar!", nein, ich sage: "Echt?". Der große Sohn sagt: "Mamma, kann ich mir auf der Rückfahrt im Zug Videos von 50 Cents auf dem kleinen Computer anschauen?", und ich antworte nicht spontan, dass ich 50 Cents really 50 Cents finde, sondern ich sage: "Aber im Zug gibt es doch kein Internet!", was aber nur bedingt eine Lüge ist. Ich habe auch versucht, meinen Kindern einzureden, dass der letzte Harry Potter bei uns in Kalabrien noch nicht im Kino ist, weil ich darauf warte, dass er in ein Kino ohne 3D kommt. Selbst meine Freundin, die Frau des Filmprofessors, gesteht, dass sie ihren Kindern gegenüber das Gerücht verbreitet, dass man bei 3D-Filmen dunkler sieht, weil sie nicht für jedes Kind 11 Euro Eintritt bezahlen will. Mein kleiner Tänzer schließlich ist auf seine Art ein begnadeter Lügner, der die Dinge anders versteht ("Ich dachte, du WOLLTEST, dass ich vier Stunden zu den Nachbarn gehe!", gar nicht hört ("Nein, das hast du NIE gesagt!") oder sie zu seinen Gunsten verdreht: ("Sag bitte meinen Brüdern, sie sollen die Schaukel verlassen, denn dieses kleine Mädchen hat noch gar nicht geschaukelt, ich möchte, dass dieses kleine Mädchen schaukelt." (Und neben dem kleinen Mädchen ICH).
Manchmal werde ich pathetisch und beschwöre angesichts verschwundener Kaugummis Bilder von Menschen herauf, die innerlich verfaulen, weil sie so viele Lügen erzählen. Es hat auch eine Zeit lang gedauert, die Kinder von der Vorstellung zu befreien, sie würden kurze Beine bekommen, wenn sie lügen. In dieser Hinsicht sind die Kinder echt naiv, sie glauben auch, dass denjenigen, der furzt, seine roten Handflächen verraten würden.
Ich wäre gerne smarter. Wenn ich vergesse, zwei Euro unter das Kopfkissen zu legen, wenn ein Zahn ausgefallen ist, erfinde ich glaubwürdige Geschichten über den Arbeitsalltag der Zahnmaus, aber wenn ich das Kind vor einem Heiligenbild beten sehe, und es sagt; "Ich bete, weil ich gute Taten vollbringen möchte!", werde ich total fantasielos und sage schneidend: "Beten ist eine Sache, gute Taten eine andere!"
Oh Lord!

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