Mittwoch, 3. August 2011

Worte der Woche: amorevole und amoroso

Ein wesentlicher Bestandteil unseres etwa 3500 Quadratmeter großen Obst- und Gemüsegartens ist ein Wasserbecken, in dem das Wasser, das aus wunderbaren Gründen aus einer Quelle zu uns kommt, gesammelt wird, bevor wir damit den Garten gießen. Wenn wir das Wasser nicht brauchen, fließt es durch ein Rohr weiter, mischt sich mit anderem Wasser und geht in den Wildbach. Wenn wir gießen, öffnen wir ein anderes Rohr und schleppen Schläuche zu den Furchen, in denen Tomaten, Auberginen (in Österreich als Paradeiser und Melanzani bekannt), Kürbisse, Gurken, Paprikaschoten und anderes wachsen. Wenn das Wasser in die Rinnen gluckert, fühlt man sich wie ein Wasserbauexperte und hat das Gefühl, sein Leben extrem sinnvoll zu gestalten und sich sein Abendessen oder sein Frühstück, je nach Zeit dies Gießens, rechtschaffen verdient zu haben. Leider gehört die Putzorgie, die wir vor zwei Jahren im Wasserbecken veranstaltet haben, dringend wiederholt, denn es haben sich Algen gebildet und die Abflüsse funktionieren nicht einwandfrei und wir müssen regelmäßig kontrollieren, ob das Becken übergeht. Das fällt uns neuerdings nachts ein und MM und ich gehen dann leichtherzig mit einer Taschenlampe in den Garten, während die Kinder vor dem Fernseher oder dem Computer sitzen. Über uns sind reichlich Sterne zu sehen. Im Wasserbecken sitzen die Frösche und halten erschrocken in ihrem Gesang inne. Wir leuchten sie an und sie tun so, als wären sie gar nicht da, aber sie sind deutlich zu sehen, sie passen auf einen Handteller, sind grellgrün, haben hervorquellende Augen und eine Blase an der Kehle, die aussieht, als hätte das Kind seinen Kaugummi oder seine Spuckeblase hingeklebt. Wenn wir das Licht ausmachen beginnen sie wieder: "QUAQUAQUA!". Von der Mauer über dem Wasserbecken hallt es wider, den ganzen Hügel hinunter. Ohrenbetäubend. "Warum tun sie das?" fragt mich MM. "Aus Liebesgründen", will ich mit größter Überzeugung sagen, aber ich verwende ein falsches Wort und sage: "Aus Gründen der Liebenswürdigkeit." MM sieht mich an. Sein Blick sagt: "Meint sie das ernst?". Er leuchtet wieder die Frösche an. Sie schweigen beleidigt.

Die Tatsache, dass nur noch fünf Wochen Ferien sind, versetzt mich geradezu in Panik. Ich muss meinen Kindern doch noch so viel beibringen, bevor sie wieder in der Schule verhaftet sind. Da aber bereits 8 Wochen Ferien hinter mir liegen merke ich auch gewisse Erschöpfung, was mich selbst betrifft. Ich habe Briefe an Gremien geschrieben, um eine Lehrerin in der Klasse des Kindes zu halten, ich habe das Kind erfolgreich auf dem zeitaufwändigen Weg zu seiner zweiten Ballettaufführung begleitet und ich habe aus Gründen der Liebenswürdigkeit eine kräfige Überdosis an sozialen Kontakten genossen, die sich nicht als Zuschuss an heiteren Geschichten in meinem Blog verewigt, sondern beklemmende Seelenzustände hervorgerufen hat. Ich habe viel gekocht und mir viel vorlesen lassen. Ich löse gemeinsam mit dem Kind das Geheimnis des gelben Drachens, bin mit dem Rallyefahrer zusammen darüber entsetzt, dass die Feen im Wald sterben und amüsiere mich mit dem demnächst Vierzehnjährigen über die abartigen Streiche, die Gianburrasca in seinem Tagebuch beschreibt. Viel lieber würde er mit mir über Videogames reden, aber ich will, dass er liest.

Alles in allem fühle ich den unverkennbaren Drang nach Grenzüberschreitung in mir aufsteigen. Ich bin zu gut gelaunt, um nach der üblichen Pumpgun zu verlangen und ich muss auch nicht zwangsläufig etwas sprengen, das heißt, die Gefahr ist groß, dass ich auf einer knatternden Vespa durchbrenne, zumindest einen Nachmittag lang. Ach, könnte man nur Ferien machen wie damals, an Orten, an die man nie mehr zurückkehrt, an denen sich die eigenen Spuren langsam verwischen und der Wind den Sand verbläst. Könnte man etwas Verbotenes tun mit aller aufzubringender Ernsthaftigkeit. Lieder in einer fremden Sprache schmettern und mit jungen Männern tanzen. Auf fremde Dächer steigen und aus voller Kehle quaken, aus Liebesgründen natürlich.

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