Mittwoch, 24. März 2010

Fatti miei

Das eine Kind muss den Konjunktiv in den verschiedenen Zeiten richtig einsetzen, das andere über die Kreter lernen. Ich rase mit ihnen das dritte Kind holen und alle dann zu ihrem Vater bringen, damit ich auf den Elternsprechtag gehen kann. Als wir unseren Hügel runterfahren, reden wir über Schlangen. Ich bin ja froh, dass sich die Kinder vor Schlangen nicht fürchten, aber ich will auch nicht, dass sie sie liebkosen, ich sage ihnen das. Ich will ihnen einen Vergleich mit einem Huhn erzählen und mir fällt eine Geschichte ein, die meine Schwiegermutter erzählt hat, in dem ein Huhn einer Maus dem Kopf aufpeckt. Diese Geschichte hat mein Sohn in einem Aufsatz beschrieben und als wir das der Nonna erzählten, machte sie eine andere Geschichte daraus. Ich denke, meine Schwiegermutter ist eine große Geschichtenerzählerin, aber eben eine Erzählerin, sie erinnert sich nicht an das, was vorher war. In diesem Moment verlässt mich selbst die Erinnerung und ich habe das Gefühl mein Gehirn würde sich in einer Schale aus dem Kopf heben. Ich weiß nichts mehr! Ich begebe mich auf die Staatsstraße. Ich denke: ist das ein Panikanfall? Mein Herz ist aber ganz ruhig. Ich kann mich einfach an nichts mehr erinnern. Ich weiß keine Geschichten mehr.

Ich versuche mich zu trösten: niemand kann alles aus dem Stegreif hervor rufen. Auch meine Kinder, begnadete Nacherzähler, holen zuerst Luft.

Ich sollte mehr schlafen.

Ich hadere den ganzen Tag mit diesem Gefühl, ich hätte mein Gedächtnis verloren.
Ich suche verzweifelt im Autoradio nach einem Lied, das mir ein Zeichen gibt.
Am Abend denke ich, ich habe einfach zu viele Menschen gesehen, ich habe zu viele Supermärkte auf der Suche nach den Ostereiern besucht.

Mir ist zu viel passiert, was ich vorausgesehen habe. Ich denke, ich muss heute den gehenden Mann sehen, ich bitte geradezu darum. Da geht er auch schon und kreuzt noch dazu die Straße, das hat er noch nie getan. Mein großer Sohn besitzt nicht die dezente Art des jüngsten, er sagt: "Der ist alt geworden!" Aber es sind nur ein paar Monate vergangen, seit er ihn gesehen hat, in der Zwischenzeit ist der gehende Mann alt geworden. Ich starre ihn an, ich versuche sein Bild festzuhlten. Er trägt einen blauen Zopfgummi. Er schaut wirklich alt aus und braun oder rot. Er hat dieselbe Haut wie ich. Ich habe auch am ersten Tag mit Sonnenschein und einem langen Gespräch mit dem Obermaurer Richtung Sonne eine rote Stirn bekommen. Der Mann geht zur Busstation. Hat er aufgegeben?

Ich weiß nicht, was ich tun soll. Fatti i fatti tuoi, sagen die Italiener. Kümmer dich um dein eigenes Zeugs. Aber ich hätte ein paar Sachen zu klären. Ich müsste endlich stehen bleiben und ihn fragen, was er da tut.

Nur so kommen wir weiter.

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