Donnerstag, 25. März 2010

senza parole

Bars (und ich meine die italienischen, in denen man Kaffee trinkt, nicht die Bars mit dem Whiskey und den Cocktails) werden von mir in erster Linie nach dem Kriterium des Häusls bewertet. Immer schon, aber seit wir kein Klo in unserem neuen Haus haben, mit besonderer Sorgfalt. Normalerweise setze ich das Kind in der Schule ab und begebe mich direkt auf den Hauptplatz der Marina, in die Bar, die den Namen San Marco trägt. Und zwar nicht an Anlehnung an Venedig, wie ich erst dachte, sondern weil auch in unserem relativ unbedeutenden Ort der Hauptplatz San Marco heißt. Dort esse ich una treccia crema amarena und wundere mich, wer aller um acht Uhr morgens schon Geld in Spielautomaten wirft. Ich glotze die Fernsehnachrichten vom Canale cinque und lese manchmal eine interessante Seite in einer gar nicht so schlechten regionalen Zeitung. Der junge Mann stellt mir ungefragt Wasser und Kaffee hin, wenn ich die Brösel des süßen Zeugs abwische. Zum Abschluss gehe ich in ein nach Chlor riechendes Klo. Ich habe Schlimmeres gesehen.
Neuerdings treibt es mich allerdings in den eigentlichen Ort auf dem Hügel, und zwar deshalb, weil dort ein kleiner Supermarkt den Prosecco, den die Konsumentenvereinigung, der ich angehöre (und mit deren Rechtsanwalt ich wegen der Telecom ab und zu telefoniere), zum Besten erkoren hat - und wir enthusiastisch mit -, im Sonderangebot verkauft und ich täglich zwei Flaschen erstehe. Dabei geht es gar nicht so sehr darum, dass es ihn billiger gibt, sondern, dass es ihn überhaupt gibt.
Eigentlich dachte ich, ich würde Vorräte für unsere Housewarming Party anlegen, aber an gewissen Tagen frage ich MM, ob er auch findet, man müsse jetzt ein Flasche Prosecco öffnen, und daher muss ich immer wieder in den kleinen Supermarkt gehen. Die erste Bar am Corso hat ein annehmbares Klo und außer, dass der Kellner morgens so aussieht, als hätte er noch viel mehr Prosecco getrunken als ich, ist mir nichts nennenswertes aufgefallen - bis heute. Als ich meine 1,60 Euro bezahle, nehme ich im Hintergrund eine Weinflasche mit dem Schriftzug Mussolini wahr. Aha. Und plötzlich sehe ich noch viel mehr. Der Duce grüßt auf einer Postkarte. Nächste Postkarte: Viva il duce. Dritte Postkarte: blablabla, kann ich nicht lesen, ist zu klein gedruckt, groß gedruckt: La destra und irgendwas zum Thema Europa. Angewidert gehe ich an die Frischluft. Ich habe Lust, den nächsten Passanten anzusprechen: Grüß Gott, können sie mir bitte sagen, wo die Bar des PCI ist? Gleichzeitig bin ich froh, dass im allgemeinen Gewäsch sich der Feind wenigstens deutlich zeigt. Da ich gestern 70 Studienbeginner auf einem Haufen vor mir hatte, von denen einer nach dem "Fiurrer" rief und ich abschließend feststellen musste, dass die heutigen 20-jährigen einfach unkontrolliert sind und glauben, dass sie sich dauernd in einer talkshow statt in ihrem eigenen Leben befinden (Ausnahmen gibt es natürlich auch!), finde ich es eigentlich ok, dass der unglückliche Mann in der Bar sich als Faschist outet und mir die Möglichkeit gibt, seinen Laden auch nicht mit 1,60 € zu fördern.
Ich erinnere mich daran, dass einer unserer jungen Maurer auch bei den Regionalwahlen kandidiert. Ein Kollege hat ihn gefragt, ob er eigentlich rechts oder links sei (offenbar haben ihm die diversen Bürgerlisten den Blick verstellt), worauf der junge Mann etwas antwortete, das ich mit "Geh bitte, das ist doch schon alles längst überholt!" übersetzen würde. Er fährt, nebenbei bemerkt, einen Audi und ist etwa 22.
Als nächstes fällt mir ein, dass ein Freund von MM, der Filmgeschichte an der Uni unterrichtet, erzählte, ein Prüfling hätte auf die Frage nach einem Film von Ettore Scola nicht antworten können, welche Männer es genau gewesen wären,die sich da in den Bergen versteckt hätten. Auf den Hinweis, das seien Partisanen, hätte er geschnauft: "Professor, bitte, ich beschäftige mich nicht mit Politik."

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