Freitag, 5. März 2010

La dattilografa crea un casino

Heute habe ich das Vorurteil, Frauen seien schlechte Autofahrerinnen definitiv einzementiert, um im Jargon unserer Baustelle zu bleiben. Heute wollte ich vor Scham sterben.
Schon wieder regnete es aus Kübeln. Daher alle Maurer der Firma rein in unsere gute Hütte, denn die hat ja immerhin ein Dach. Daher - alles vollgeparkt. Ich kann mit meinem Riesenauto nicht wenden und denke, bis ich gehe, wird sich die Situation verändert haben. Aber dem ist nicht so. Alle presslufthämmern und bohren und kuscheln sich sonstwie zusammen. Als ich gehen muss, stehen alle Autos immer noch im Weg, mir bleibt nur noch der Rückwärtsgang. Im Regen, mit allen Scheibenwischern. Schon beim Einsteigen wäre ich fast in den Gatsch gefallen. Natürlich hätte ich auch jemandem sagen können, er soll sein Auto verstellen, aber ich ziehe vor, mich im Rückwärtsgang eine enge Straße hinunterzuquälen und irgendwann unvermeidlich mit einem Rad in der steilen Wiese zu landen. Das Vorderrad dreht durch und ich bin auch knapp davor. Jetzt kommt der rote Fiorino, der Obermaurer mit Sohn Mirko. Ich teile ihnen mit, dass ich mich in einer auswegslosen Situation befinde. Zuerst gute Tipps. Ich im Auto, die zwei Männer schieben, nützt alles nichts, das Vorderrad dreht durch. Dann Mirko im Auto, der kann das auch nicht. Jetzt das Abschleppseil. Erst darf Mirko, dann ich, dann wieder Mirko, dann reißt das Abschleppseil. Zum Glück regnet es jetzt nur noch leicht. Ich bin die einzige, die halbwegs passend gekleidet ist, die Jungs springen in Pullovern im Regen rum. Ich denke an die Sandbleche für die Wüste. Sollen wir ein Gitter unterlegen, frage ich schüchtern. Der Obermaurer gräbt bereits mit einem Ast unter dem Vorderrrad. Nein, da wird der Reifen kaputt. Ich weiß, dass mich hier niemand rausholen kann, denn niemand kommt an meinem Auto vorbei, kein Traktor, kein Bagger, entweder ein Helikopter oder die Maurer. Ich bin ganz still und zuversichtlich und runzle die Augenbrauen. Der Obermaurer holt einen Sack Kalk. Ich entschuldige mich, dass sie ihr Mittagessen warten lassen. Signora, sowas ist bei uns an der Tagesordnung, mit dem LKW bleiben wir täglich wo stecken. Unserem Kollegen ist das letztens auch so passiert, sagt Mirko. Halleluja! Der Obermaurer wirft sich vor das Vorderrad und bestreut es mit Kalk, ich muss husten. Das eingekalkte Vorderrad dreht immer noch durch, jetzt raucht es aber. Irgendwie kommen wir drauf, dass unter dem Auto ein großer Stein liegt, angeblich verhindert der, dass das Auto wieder auf den Weg kommt. Ich glaube zwar, dass man Steine unter das Vorderrad hätte legen sollen, aber der Klotz unter dem Auto ist sicher zu entfernen, der Obermaurer gräbt wie ein Berserker mit einem Ast. Nebenbei erzählt er mir, dass er sich einmal mitsamt seiner Schwiegermutter fast im Auto versenkt hätte. Irgendeine Intuition ließ ihn nach Gras schauen. Ich verstehe kein Wort, ich bin fassungslos, dass er selbst jetzt nicht zu reden aufhört. Ist das Manie, Nervosität? Dann wird er sanft und schaut mich von unten an: Signora, sie werden das Kind zu spät von der Schule abholen. Naja, als ich vor zwei Stunden gesagt habe, MM holt das Kind am Nachmittag ab, hat er gerade nicht zugehört. Ich habe andere Aufgaben! Ich sage auch so sanft ich kann, dass das Kind erst am Nachmittag aus der Schule kommt und er meint, na dann. Na dann werken wir halt hier den ganzen Nachmittag im Nieselregen. Ich frage, ob ich eine Schaufel holen soll. Aber er geht schon "una mazza" holen, was spitzes, mit dem er den Stein unter dem Auto aufspalten will. Mirko sitzt im Auto. Gleich wird er das Autoradio anschalten. Der Obermaurer verschwindet im Nebel. Ich setze mich auch ins Auto. Ich stammle: "Was für ein Alptraum." Mirko sagt: "Aber Signora, wegen sowas. Das ist doch noch kein Alptraum." Auch der Obermaurer hat mir mehrmals versichert, dass überhaupt nichts passiert ist und dass es einfach zuviel regnet. Ich kann überhaupt nicht mehr italienisch sprechen und lalle, Mirko erzählt mir von dem Felsbrocken, der gesprengt wurde, damit er nicht im Erdrutsch auf die Staatsstraße rutscht. Das Video kann man auf youtube sehen und die Sprengung hat 500000 Euro gekostet. Plötzlich sehe ich alle in unserem Haus arbeitenden Männer die Straße runterkommen wie im Bild von De Volpeda "Der vierte Stand", das aus dem Film "1900". Ich springe mit den Worten "Ich will sterben" aus dem Auto. Der Obermaurer zerhackt den Stein (dabei läutet das Handy von einem Maurer, der schreit: sie kommen gleich, sie kommen ja schon - es muss sich um Signora Obermaurer handeln), und zwei Installateure plus fünf Maurer und ich schieben das Auto beim dritten Versuch aus dem Schlamm. Danke, danke allen.
Mirko stellt mir das Auto abfahrbereit und ich fahre, was soll ich tun? Ich habe den Bus versäumt und muss mit dem Auto, das ausschaut wie nach der Cameltrophy in die Stadt zum Arbeiten fahren. Meine Hosen sind bis zum Knie mit Schlamm befleckt. Ich übe mich in der Kunst, so zu tun, als wär nichts. Überraschenderweise kommt nach der Zerknirschtheit absolute Heiterkeit auf. Es macht Spaß, Autos anzuschieben. Es macht Spaß, im Schlamm rumzuspringen und sich keine Sorgen um die Kleidung zu machen. Schade, dass meine Kinder das nicht gesehen haben. Während der Autofahrt überlege ich, was ich MM sage, und ob er es erfährt, wenn ich nichts sage. Da ruft er an und ich erzähle alles. Besser so. MM ist am Nachmittag auf der Baustelle. Der Obermaurer erfindet dichten Nebel, der mich von der Straße abkommen ließ. Selbst MM sagt, es sei wirklich schwierig, diese Straße im Rückwärtsgang hinabzufahren. Mehr Rehabilitierung gibt es nicht.
Morgen ist ein anderer Tag. Mein Sohn wollte mich als Beifahrerin für seine zukünftigen Rallyes. Ist das jetzt hinfällig?

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